Leitsatz (amtlich)
1. Ein Vergleich unterfällt nicht § 30 S. 1 GKG.
2. Die Regelungen zur Befreiung von Gebühren oder zur Prozess-/Verfahrenskostenhilfe sind lex speciales zu §§ 29, 30 S. 1 GKG.
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Beschluss vom 03.11.2010; Aktenzeichen 36 F 148/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des AG aufgehoben. Das AG wird angewiesen, den Kostenansatz vom 12.10.2010 (Bl. VII d.A., AOBetrag 37,38 EUR) bzw. vom 8.7.2010 (Bl. V d.A., AOBetrag 380,52 EUR) betreffend des Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates zu berichtigen.
Gründe
I. Die Klägerin hat in erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt erhalten. Der Rechtsstreit wurde sodann mit dem am 6.5.2009 verkündeten Urteil des AG O. (Bl. 173) beendet. Innerhalb dieses Urteils entschied das AG hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits, dass diese zu 84 % der Beklagte und zu 16 % die Klägerin zu tragen haben.
Nach Einlegung der Berufung durch den Beklagten haben sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 1.4.2010 vor dem Senat verglichen (Bl. 275 f.) und dabei hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreites und des Vergleichs die Aufhebung gegeneinander vereinbart.
Das AG hat sodann den Kostenansatz nach der erstinstanzlich festgestellten Ko-stenquote festgelegt. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Beklagten hat das AG mit Beschluss vom 3.11.2010 (Bl. 317) zurückgewiesen. Der gegen diesen weiteren Beschluss des AG gerichteten sofortigen Beschwerde des Beklagten hat das AG nicht abgeholfen und das Verfahren sodann dem Senat vorgelegt.
II. Die gem. § 66 Abs. 2 GKG zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten ist überwiegend begründet. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben.
1. Der Kostenansatz des AG ist dahin zu berichtigen, dass dem Beklagten lediglich die jeweils hälftigen Kosten (einstweiliges Anordnungsverfahren, Prozess) aufzuerlegen sind.
Zwar hat das AG zutreffend festgestellt, dass die aus erster Instanz herrührende grundsätzliche Kostentragungspflicht des Beklagten als Entscheidungsschuldner (§ 29 Nr. 1 GKG) von dem in 2. Instanz geschlossenen Vergleich im Grundsatz nicht berührt wird. Dies folgt aus § 30 S. 1 GKG, wonach eine gerichtliche Kostenentscheidung nur durch eine andere gerichtliche Entscheidung aufgehoben oder abgeändert werden kann. Ein Vergleich stellt aber eine solche gerichtliche Entscheidung gerade nicht dar (OLG Naumburg, JurBüro 2008, 325; vgl. auch AG Koblenz, FamRZ 2009, 1617). Der Vergleich der Parteien wirkt aus kostenrechtlicher Sicht nur im Verhältnis zwischen den Parteien selbst, hat jedoch keinen Einfluss auf die Kostenentscheidung erster Instanz.
Zwar hat die Regelung des § 30 S. 1 GKG letztendlich ihren Grund auch darin, Vereinbarungen zu Lasten der Staatskasse zu vermeiden; gerade Parteien, denen das Armenrecht bewilligt worden ist, sollen nicht im Vergleichsweg über die Gerichtskosten disponieren können, wenn dies dem Stand des Prozesses nicht entspricht (vgl. OLG Oldenburg, Nieders. Rpfleger 1989, 295, 296). Gleichwohl muss berücksichtigt werden, dass § 30 S. 1 GKG dann nicht zum Zuge kommen darf, wenn seine Anwendung zu Ergebnissen führen würde, die mit den speziellen Regeln über die Kostenfreiheit von Parteien nach § 2 GKG (OLG Brandenburg OLGReport Brandenburg 2008, 762) oder mit den Regelungen über die Prozess-/Verfahrenskostenhilfe nicht in Einklang zu bringen wären (vgl. Scheffer, Rpfleger 2008, 13, 14). § 30 S. 1 GKG darf nicht dazu führen, dass eine bedürftige Partei über den Umweg der Kostenfestsetzung mit Gerichtskosten belastet wird, von denen sie im Verhältnis zur Staats- oder Landeskasse befreit ist. Soweit z.B. ein von den Gebühren nach § 2 GKG Befreiter die Kosten übernimmt, darf man von seinem Gegner keine Gebühren mehr erheben (OLG Schleswig, JurBüro 1981, 403; Hartmann, KostenG, 39. Aufl., § 2 GKG Rz. 20). Insoweit ist für die Beurteilung des § 30 S. 1 GKG zusätzlich zu beachten, ob die von dem Kostenschuldner an sich zu tragende Kosten von diesem auch tatsächlich erhoben werden dürfen (vgl. auch OLG Brandenburg, a.a.O.). Damit stellen sich entsprechende Regelungen zur Befreiung von Gebühren oder zur Prozess-/Verfahrenskostenhilfe als lex speciales zu §§ 29, 30 S. 1 GKG dar (Scheffer, a.a.O.).
Die Klägerin ist hier gem. § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO von der Zahlung von Gerichtskosten im Verhältnis zur Staats- oder Landeskasse befreit. Würde man unter Beachtung von § 30 S. 1 GKG nunmehr die Kosten nach der erstinstanzlich im angefochtenen Urteil getroffenen Kostenquote und damit im Umfange von 80 % gegen den Beklagten festsetzen, wäre dieser darauf verwiesen, seine über die Hälfte hinaus verlangten Kosten gegen den die bedürftige Klägerin festsetzen zu lassen. Dies widerspricht bereits der dargestellten Kostenfreiheit auf Seiten der Klägerin betreffs der Belastung mit Gerichtskosten.
Auf Seiten des Beklagten ist hier zudem zu berücksichtigen, dass eine Kostenhaftung für ihn auch unter Beachtung der Vorschriften zur Prozesskostenhilfe ausscheidet. Gemäß § 125 ...