Verfahrensgang
LG Potsdam (Aktenzeichen 27 Ns 152/21) |
Tenor
Die Beschwerde der Bezirksrevisorin des Landgerichts ("Ort 01") gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts ("Ort 01") wird als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Im vorliegenden Strafverfahren, das gegen den ehemaligen Angeklagten wegen versuchter Gebührenüberhöhung u.a. geführt worden war, bat die Staatsanwaltschaft Potsdam noch vor Anklageerhebung die Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg um eine gutachterliche Stellungnahme zu folgenden Fragen:
"Den Vortrag des Beschuldigten im zivilrechtlichen Verfahren als zutreffend unterstellt: Wie ist die Leistung des Beschuldigten einzustufen (Beratungstätigkeit i.S.v. § 34 Abs. 1 RVG)? Oder?
Können anhand des zeitl. Ablaufs bzw. des feststehenden Sachverhalts Anknüpfungstatsachen benannt werden, anhand derer dem Beschuldigten nachzuweisen ist, dass er wusste, dass es sich bei der Beratung zur Scheidungsfolgevereinbarung um dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 16 Ziff. 4 RVG gehandelt hat und er diese nicht als neue Angelegenheit i.S.v. § 17 RVG werten konnte?
Unter Annahme, der Beschuldigte sei irrtümlich davon ausgegangen, es habe sich bei der Beratung um eine neue Angelegenheit i.S.v. § 17 RVG gehandelt: Hat der Beschuldigte die von ihm erbrachte Leistung in der Kostennote vom 10.11.2018 (BI. 24 d.A.) - insbesondere hinsichtlich der in Rechnung gestellten Geschäftsgebühr VV RVG 2400 - 1,0 - insoweit zutreffend in Rechnung gestellt? Auf die diesbezüglichen Ausführungen im zivilrechtlichen Urteil wird ausdrücklich verwiesen."
Als Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg erstattete die Rechtsanwältin ("Name 01") unter dem 03. März 2020 eine Stellungnahme gemäß § 73 Abs. 2 Ziffer 8 BRAO.
In Folge beantragte die Staatsanwaltschaft Potsdam unter dem 25. Mai 2021 beim Amtsgericht ("Ort 02") den Erlass eines Strafbefehls gegen den ehemaligen Angeklagten wegen versuchter Gebührenüberhöhung und Beleidigung, der am 15. Juni 2020 erlassen wurde. Als Sachverständige wurde Rechtsanwältin ("Name 01") benannt.
Nachdem der ehemalige Angeklagte fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, beraumte das Amtsgericht Hauptverhandlung an und lud die Rechtsanwältin als Sachverständige. Im Hauptverhandlungstermin erstattete diese vor dem Amtsgericht am 07. Juli 2021 ihr Gutachten, wobei sich die Rechtsanwältin nicht nur zur Höhe der geforderten Vergütung, sondern auch unter Würdigung der Zeugenaussagen zum Zustandekommen eines Beratungsvertrages äußerte.
Der ehemalige Angeklagte wurde schließlich zu einer Geldstrafe verurteilt. Für ihre Teilnahme an der Hauptverhandlung wurde die Rechtsanwältin mit 736,68 Euro entschädigt.
Nachdem der ehemalige Angeklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, wurde die Rechtsanwältin zur Berufungshauptverhandlung am 07. April 2022 ebenfalls als Sachverständige geladen. Der ehemalige Angeklagte wurde im Ergebnis der Hauptverhandlung freigesprochen. Die Rechtsanwältin macht hier ein Honorar und Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 947,76 Euro geltend (acht Stunden zu je 105,- Euro sowie Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 107,76 Euro). Der Beleg über die Auszahlung von Sachverständigen-, Dolmetscher- u. Übersetzungsvergütung wurde von der Vorsitzenden mit dem Vermerk unterzeichnet, dass die Sachverständige bestimmungsgemäß zu vergüten sei und die getätigten Angaben zuträfen.
Die Anweisungsbeamtin des Landgerichts ("Ort 01") hat die Sache zwecks Prüfung eines Erstattungsanspruchs an die Bezirksrevisorin übersandt. Diese erachtet eine Erstattungsfähigkeit als nicht gegeben, weil die Rechtsanwaltskammer kraft Gesetzes verpflichtet sei, (Gebühren-) Gutachten bzw. Stellungnahmen zu erstellen (§ 73 Abs. 2 Nr. 8, § 177 Abs. 2 Nr. 5 BRAO). Diese Gutachten/Stellungnahmen (im Rahmen von § 3a RVG bzw. § 14 RVG) stellten keine Heranziehung zu Beweiszwecken dar und seien daher nicht nach dem JVEG zu entschädigen.
Mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 entschied der Vorsitzende der Berufungskammer des Landgerichts ("Ort 01"), dass die Rechtsanwältin antragsgemäß zu vergüten sei.
Die Rechtsanwältin habe diesen Vergütungs- und Entschädigungsanspruch, weil sie als Sachverständige in einem Strafverfahren zu Beweiszwecken herangezogen worden sei (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 JVEG). Sie verliere diesen Anspruch nicht deshalb, weil sie Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg sei. Zwar würden § 14 Abs. 3 RVG und § 12 Abs. 2 BRAGebO regeln, dass bei Rechtsstreiten über Rahmengebühren Gutachten von der Rechtsanwaltskammer kostenlos zu erstatten seien, doch handele es sich hier um einen anderen Sachverhalt. Gegenstand der Beweisaufnahme, bei der die Rechtsanwältin offenbar als Sachverständige für anwaltliches Gebührenrecht herangezogen worden sei, sei im Wesentlichen die Frage gewesen, ob Rechtsanwaltsgebühren dem Grunde nach entstanden waren.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Bezirksrevisorin vom 09. Januar 2023, der der Vorsitzende der Berufungska...