Verfahrensgang
AG Bernau (Aktenzeichen 6 F 643/21 (2)) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 11. Mai 2022 - Az. 6 F 643/21 (2) - teilweise dahin abgeändert, dass weitergehend festgestellt wird, dass der Antragsgegner in Abänderung der Unterhaltsfestsetzungsbeschlüsse des Amtsgerichts Bernau bei Berlin zu den Az. 7 FH 64/21 (Name 01)) und 7 FH 63/21 (Name 02) auch für die Zeit von Juni 2017 bis einschließlich Februar 2022 zu Unterhaltszahlungen nicht verpflichtet ist.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 23.559 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten - im Korrekturverfahren nach § 240 FamFG - um Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht, und zwar im Beschwerdeverfahren noch für die Zeit von Juni 2017 bis einschließlich Februar 2022.
Der Antragsteller ist Vater (auch) der am ... 2010 geborenen (Name 02) und des am ... 2013 geborenen (Name 01), die im Haushalt ihrer Mutter betreut und versorgt werden. Für diese Kinder hat der Antragsgegner seit Juni 2017 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erbracht.
Auf Antrag des (hiesigen) Antragsgegners hat das Amtsgericht Bernau bei Berlin im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren aus übergegangenem und übergehendem Recht der Tochter (Name 02) mit Beschluss vom 29. November 2021 - Az. 7 FH 63/21 - Zahlungsansprüche gegen den (hiesigen) Antragsteller wegen eines Unterhaltsrückstands aus Juni 2017 bis einschließlich Juni 2021 in Höhe von 10.383 EUR und wegen laufenden monatlichen Unterhalts ab Juli 2021 bis zum Eintritt der Volljährigkeit in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzgl. des gesamten Kindergeldes für ein erstes Kind festgesetzt.
Wegen der übergegangenen und übergehenden Unterhaltsansprüche des (Name 01) wurden im Verfahren 7 FH 64/21 mit Beschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 29. November 2021 zugunsten des (hiesigen) Antragsgegners ein Unterhaltsrückstand für Juli 2017 bis einschließlich Juni 2021 im Gesamtumfang von 9.310 EUR und ein laufender Unterhaltsanspruch ab Juli 2021 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des gesamten Kindergeldes für ein erstes Kind gegen den (hiesigen) Antragsteller festgesetzt. Diese Beschlüsse wurden dem (hiesigen) Antragsteller am 10. Dezember 2021 zugestellt, der kein Rechtsmittel eingelegt hat.
Eingehend beim Amtsgericht am 30. Dezember 2021 hat der Antragsteller - gerichtet zunächst ausdrücklich gegen die beiden Kinder und verbunden mit einem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und hier mit dem Bemerken, dass die Formularerklärung nachgereicht wird - auf Abänderung der Festsetzungsbeschlüsse dahin angetragen, dass er zu Unterhaltsleistungen seit 1. Juni 2017 insgesamt nicht verpflichtet ist. Er hat Leistungsunfähigkeit eingewendet. Der Antragsteller verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung (im klassischen Sinne), sondern hat lediglich eine Weiterbildung zum Hundedienstführer absolviert. Sein selbständiges Gewerbe als Hundefutterverkäufer hat er im November 2016 wegen Überschuldung einstellen müssen. Ab Dezember 2016 hat er ALG II bezogen. Zwischen März 2021 und September 2021 war er zu einem Bruttomonatslohn von 1.200 EUR beschäftigt. Gegen Ende des Jahres 2021 hat der Antragsteller - wegen krankheitsbedingten Ausfalls deren Mutter - die hauptverantwortliche Betreuung dreier seiner weiteren minderjährigen Kinder (geboren am ... 2018 und am ... 2020) übernommen. Neben diesen fünf Kindern ist der Antragsteller Vater weiterer vier minderjähriger Kinder (geboren 2010, 2013 und 2015).
Auf Hinweis des Amtsgerichts hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 11. Januar 2022 eine Antragsumstellung vorgenommen und das Land Brandenburg (als Titelgläubiger der in Rede stehenden Unterhaltsfestsetzungsbeschlüsse) zum Antragsgegner gemacht. Mit Beschluss vom 14. März 2023 wurde antragsgemäß Verfahrenskostenhilfe bewilligt; die Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner erfolgte am 18. März 2022.
Der Antragsgegner hat Antragsabweisung beantragt und gerügt, dass die geltend gemachte Leitungsunfähigkeit nicht nachgewiesen sei.
Mit Beschluss vom 11. Mai 2022 hat das Amtsgericht die Festsetzungsbeschlüsse für die Zeit ab 1. März 2022 antragsgemäß dahin abgeändert, dass seither kein Unterhalt mehr geschuldet ist. Im Übrigen hat es den Abänderungsantrag abgewiesen, weil dieser nicht binnen Monatsfrist nach Rechtskraft der Unterhaltsfestsetzungsbeschlüsse rechtshängig geworden sei; die rechtzeitige Einreichung allein eines Verfahrenskostenhilfeantrages genüge nicht. Die erst am 18. März 2022 erfolgte Zustellung des Antrages sei auch nicht mehr als demnächst im Sinne von § 167 ZPO anzusehen, weil der Antragsteller nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung des Abänderungsantrages unternommen habe...