Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedarfsbetrag eines im eigenen Haushalt lebenden volljährigen Kindes
Leitsatz (amtlich)
Der feste Bedarfsbetrag für in einem eigenen Haushalt lebende volljährige Kinder deckt den gesamten Bedarf ab, also auch die Heimfahrten zu den Eltern oder einem Elternteil. Ein Mehrbedarf wegen der Wohnkosten kommt nur in Betracht, wenn nach den persönlichen und örtlichen Verhältnissen höhere als in den Selbstbehaltsätzen enthaltenen Mietaufwendungen unvermeidbar sind.
Normenkette
BGB § 1610
Verfahrensgang
AG Bernau (Beschluss vom 03.11.2005; Aktenzeichen 6 F 284/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzusehen und als solche zulässig.
Nachdem der Kläger zunächst im Wege der Stufenklage die Verurteilung des Beklagten zur Auskunftserteilung und im Anschluss daran zur Zahlung monatlichen Unterhalts begehrt, sodann seinen Auskunftsantrag mit Schriftsatz vom 4.10.2005 ergänzt, zugleich aber den Unterhaltsanspruch bereits beziffert hat, das AG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe insgesamt zurückgewiesen und dabei hinreichende Erfolgsaussichten sowohl für den Auskunftsanspruch als auch für den Zahlungsanspruch verneint hat, der Kläger mit seinem Rechtsmittel aber nur noch zum Zahlungsbegehren vorträgt, muss angenommen werden, dass er die Versagung von Prozesskostenhilfe für die Auskunftsstufe akzeptiert hat. Allerdings wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung über den Zahlungsantrag, solange die Auskunftsstufe noch nicht erledigt ist, nicht in Betracht kommt (FamVerf/Schael, § 1 Rz. 384; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 478).
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rz. 19; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 254) kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Unterhaltsanspruch des volljährigen Klägers gegen seinen Vater, den Beklagten, besteht.
Als Einkünfte des Klägers hat das AG in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 5.12.2005 eine Ausbildungsvergütung i.H.v. monatlich rd. 379 EUR netto und eine Berufsausbildungsbeihilfe i.H.v. rd. 187 EUR festgestellt, insgesamt also 566 EUR. Auf den Unterhaltsbedarf eines volljährigen Kindes ist aber auch das staatliche Kindergeld in voller Höhe anzurechnen (BGH v. 26.10.2005 - XII ZR 34/03, MDR 2006, 518 = BGHReport 2006, 93 m. Anm. Bißmaier = FamRB 2006, 3 = FamRZ 2006, 99), wovon auch das AG offenbar ausgegangen ist. Somit stehen dem Kläger zur Bedarfsdeckung 720 EUR (= 566 EUR + 154 EUR Kindergeld) zur Verfügung. Ein darüber hinausgehender Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten besteht nicht.
Der Unterhaltsbedarf des im eigenen Haushalt lebenden Klägers, der laut Schriftsatz vom 4.10.2005 Unterhalt ab März 2005 geltend macht, beträgt für die Zeit bis einschließlich Juni 2005 monatlich 600 EUR und ab 1.7.2005 monatlich 640 EUR (vgl. Nr. 13.1.2 der Unterhaltsleitlinien des OLG Hamburg, Stand 1.7.2003 bzw. 1.7.2005). Hierin sind Kosten für Unterkunft und Heizung von 250 EUR bzw. ab 1.7.2005 von 270 EUR enthalten. Ein Mehrbedarf wegen der Wohnkosten kommt nur in Betracht, wenn nach den persönlichen und örtlichen Verhältnissen höhere als die in den Selbstbehaltsätzen enthaltenen Mietaufwendungen unvermeidbar sind (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 334). Dass dies vorliegend der Fall ist, hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt.
Dem Kläger stehen, wie bereits ausgeführt, zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs 720 EUR zur Verfügung. Das sind für die Zeit bis einschließlich Juni 2005 monatlich 120 EUR (= 720 EUR - 600 EUR) und ab 1.7.2005 monatlich 80 EUR (= 720 EUR - 640 EUR) mehr als es dem regelmäßigen Bedarf eines in Hamburg in einem eigenen Haushalt lebenden Volljährigen entspricht. Diese Beträge kann der Kläger ohnehin für einen etwa erhöhten Wohnbedarf einsetzen. Er könnte also, ohne unterhaltsbedürftig zu werden, für die Zeit bis einschließlich Juni 2005 Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von 370 EUR (250 EUR + 120 EUR) und ab Juli 2005 zumindest solche von 350 EUR (= 270 EUR + 80 EUR) bestreiten. Dass es dem Kläger nicht möglich wäre, eine Wohnung für 350 EUR monatlich zu finden, kann nicht angenommen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass, soweit in den Unterhaltsleitlinien der OLG überhaupt ein Wohnkostenanteil im Bedarf für Volljährige, die im eigenen Haushalt leben, angegeben wird, dieser durchgängig niedriger liegt als der Mietkostenanteil beim notwendigen Selbstbehalt eines Unterhaltsschuldners (Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 372 f. einerseits und Wendl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht ...