Leitsatz (amtlich)
Erheblichkeitsschwelle von sexuellen Handlungen im Sinne des § 184 f Nr. 1 StGB bei Annahme sexueller Nötigung hier durch aufgedrängten kurzzeitigen Zungenkuss ohne sexuell motivierte Berührung des Körpers einer 15 jährigen Geschädigten im Übrigen nicht erreicht.
Normenkette
StGB § 177 Abs. 1 Nr. 1, § 184f Nr. 1
Verfahrensgang
LG Neuruppin (Entscheidung vom 11.02.2009) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin - als Jugendschutzkammer - vom 11. Februar 2009 aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt, mit Ausnahme derjenigen, die auf das Berufungsverfahren entfallen.
Die Nebenklägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens und die darauf entfallenden notwendigen Auslagen des Angeklagten sowie ihre eigenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Neuruppin sprach den Angeklagten am 17. Juni 2008 vom Vorwurf der sexuellen Nötigung aus tatsächlichen Gründen frei. Auf die Berufung der Nebenklägerin hat die 2. große Strafkammer des Landgerichts Neuruppin als Jugendschutzkammer mit dem angefochtenen Urteil vom 11. Februar 2009 das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 17. Juni 2008 aufgehoben und den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Er beantragt, das Urteil des Landgerichts Neuruppin mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Neuruppin zurückzuverweisen.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat sich dem Antrag angeschlossen.
II.
Die gemäß § 333 StPO statthafte und gemäß §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht erhobene Revision des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge Erfolg.
Das angefochtene Urteil unterliegt der Aufhebung, weil die Urteilsfeststellungen eine Verurteilung des Angeklagten wegen sexueller Nötigung nicht tragen. Zum konkreten Tatgeschehen hat die 2. große Strafkammer Folgendes festgestellt:
"... An einem nicht mehr konkret feststellbaren Tag im Februar 2006 fuhr der Angeklagte nach Neuruppin, um seine Ehefrau zu besuchen, welche sich zu der Zeit in den ...Kliniken zur Behandlung aufhielt. Aufgrund der zwischen den Familien ...und Schröder bestehenden freundschaftlichen Beziehungen und ihres eigenen guten Verhältnisses zu der Ehefrau des Angeklagten ergab es sich, dass die Zeugin ... den Angeklagten auf dieser Fahrt begleitete, um ebenfalls Frau ... in der Klinik in Neuruppin zu besuchen. Die Fahrt war mit den Eltern der Zeugin abgesprochen und fand deren Zustimmung.
Bereits auf der Fahrt nach Neuruppin machte der Angeklagte der Zeugin Komplimente bezüglich ihres Aussehens. Dies war zwar vorher auch bereits mehrfach erfolgt, nicht jedoch in der Intensität wie während dieser Fahrt. Die Zeugin maß dem jedoch keine größere Bedeutung bei.
Nachdem der Besuch im Krankenhaus beendet war, wurde die Rückfahrt mit dem PKW VW Passat des Angeklagten angetreten, wobei die Zeugin wieder auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. Der Angeklagte befuhr dann die Autobahn in Richtung Hamburg. Mit welcher Geschwindigkeit er fuhr, konnte nicht mehr festgestellt werden, jedenfalls überholte er aber mehrere LKW mit mäßigem Tempo. Plötzlich griff der Angeklagte für die Zeugin unerwartet dieser mit der rechten Hand in den Nacken und zog sie zu sich in Richtung Fahrersitz. Gleichzeitig beugte er sich nach rechts, sodass sich beider Köpfe etwa über der Mittelkonsole befanden. Dort küsste der Angeklagte die Zeugin dann auf die Lippen, wobei er gleichzeitig kurzzeitig seine Zunge in ihren Mund steckte. Ihm war dabei klar, dass die Zeugin höchstwahrscheinlich nicht mit seinem Verhalten einverstanden sein würde, wollte den erwarteten Widerstand mit seinem Griff in den Nacken aber von vornherein verhindern. Die zunächst völlig überraschte Zeugin drückte schließlich mit ihren Händen gegen den Oberkörper des Angeklagten, worauf dieser von ihr abließ. Der gesamte Vorfall dauerte nur wenige Sekunden. Nachdem der Angeklagte die Zeugin losgelassen hatte, streichelte er noch ihren Oberschenkel und fragte sie, ob sie mit ihm schlafen wolle. Die Zeugin verneinte dies, war aber durch das Verhalten des Angeklagten so schockiert, dass sie sich abwandte und für den Rest der Fahrt stumm aus dem Fenster schaute. Anschließend fuhr der Angeklagte etwas von "Tanken" murmelnd auf eine Raststätte. Da sich dort jedoch keine Tankstelle befand und die Zeugin erklärte, aussteigen zu wollen, fuhrt der Angeklagte ohne anzuhalten weiter. An der Autobahnausfahrt Wittstock hielt der Angeklagte dann an und forderte ... auf, niemandem etwas von dem Vorfall zu erzählen, was diese schließlich auch zusagt...