Leitsatz (amtlich)
1. Ist eine Partei durch ein erstinstanzliches Urteil alleinige Entscheidungsschuldnerin, führt ein im Berufungsverfahren abgeschlossener Vergleich, der eine die Kosten gegeneinander aufhebende Kostenregelung enthält, grundsätzlich nicht zum Wegfall ihrer Verpflichtung, die gesamten Gerichtskosten zu tragen.
2. Die erstinstanzliche, nicht rechtskräftig gewordene Kostenentscheidung kann jedoch dann nicht Grundlage für den Kostenansatz sein, wenn dem Gegner des Entscheidungsschuldners Prozesskostenhilfe gewährt worden ist. Der Gegner der bedürftigen Partei hat dann die Gerichtskosten nur insoweit als Übernahmeschuldner zu tragen, als er sich hierzu im Vergleichswege verpflichtet hat.
Normenkette
ZPO § 125; GKG a.F. §§ 54, 57
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 21.12.2006; Aktenzeichen 12 O 691/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des LG Frankfurt (Oder) vom 21.12.2006 - 12 O 691/03 - abgeändert.
Auf die Erinnerung der Beklagten wird die Kostenrechnung der Landesjustizkasse vom 24.6.2005 zum Kassenzeichen 0105500017733 aufgehoben, soweit darin mehr als 2.356,68 EUR an Gerichtskosten gegen die Beklagte angesetzt worden sind.
Beschwerdewert: 4.713,36 EUR.
Gründe
I. Dem klagenden Gesamtvollstreckungsverwalter wurde Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Das LG hat der Klage mit Urteil vom 31.5.2005 stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt.
Die Gerichtskasse erteilte der Beklagten eine Kostenrechnung über die gesamten erstinstanzlich angefallenen Gerichtskosten i.H.v. 4.713,36 EUR. Darin enthalten waren zum einen die Gerichtsgebühren, zum anderen Sachverständigenauslagen, die durch die Einholung eines Gutachtens verursacht worden waren, das das LG zu einer Behauptung des Klägers eingeholt hatte. Gegen die Gerichtskostenrechnung legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 8.8.2005 unter Hinweis auf die von ihr eingelegte Berufung Erinnerung ein.
Das Brandenburgische OLG stellte durch Beschluss vom 17.3.2006 fest, dass die Parteien einen Vergleich geschlossen haben, nach dessen Kostenregelung die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben wurden.
Das LG hat die Erinnerung der Beklagten durch Beschluss vom 21.12.2006 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Verpflichtung, die erstinstanzlichen Gerichtskosten zu tragen, sei durch den Vergleich in zweiter Instanz nicht entfallen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer am 10.1.2007 bei Gericht eingegangenen Beschwerde, mit der sie geltend macht, einer Einziehung der Gerichtskosten bei ihr stehe der Umstand entgegen, dass dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt worden und ihre Verurteilung zur Kostentragung nicht rechtskräftig geworden sei.
Das LG hat mit Beschluss vom 17.1.2007 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem OLG Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde ist zulässig.
Für die Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerde gilt das GKG in der seit dem 1.7.2004 geltenden Fassung, § 72 Nr. 1 2. HS GKG. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 66 Abs. 2 GKG sind gegeben.
Die Beschwerde ist nur teilweise begründet. Die Beklagte ist nicht zur Tragung der gesamten, sondern nur der hälftigen Gerichtskosten erster Instanz verpflichtet.
Bei der Prüfung der Begründetheit des Rechtsmittels ist die bis zum 1.7.2004 geltende Fassung des GKG anzuwenden, weil der Rechtsstreit vor dem 1.7.2004 anhängig geworden ist, § 71 GKG, und vorliegend nur um die Gerichtskosten erster Instanz gestritten wird.
1. Die Beklagte schuldet die gesamten erstinstanzlichen Gerichtskosten nicht aus dem landgerichtlichen Urteil vom 31.5.2005.
Zwar ist Kostenschuldner gem. § 54 Nr. 1 GKG a.F. derjenige, dem durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt worden sind. Die Beklagte hat auch nach dem landgerichtlichen Urteil die Kosten des Verfahrens zu tragen. Eine Befreiung von der Kostenlast ist auch nicht dadurch eingetreten, dass die Parteien sich zweitinstanzlich verglichen haben und der Kläger im Vergleichswege die Hälfte der Gerichtskosten übernommen hat. Denn ein Vergleich kann die einmal durch gerichtliche Entscheidung begründete Kostentragungslast nicht entfallen lassen. Dies ist nur möglich, wenn eine andere gerichtliche Entscheidung die Kostenentscheidung aufhebt oder abändert, § 57 GKG a.F. (so auch OLG Dresden, Beschl. v. 1.11.2000 - 13 W 1358/00, OLG-NL 2001, 168, zitiert nach Juris). Eine das landgerichtliche Urteil abändernde gerichtliche Entscheidung ist nicht ergangen.
Diese Regelungen des GKG treten jedoch ggü. den §§ 114 ff. ZPO zurück, weil dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden ist. Die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe - soweit sie Abweichungen ggü. den Regelungen des GKG vorsehen - gehen diesem vor (Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl. 2004, Übers § 49 GKG Rz. 8).
Hier greift § 125 Abs. 1 ZPO ein. Danach können Gerichtskosten von dem Gegner der bedürftigen Partei erst eingezogen werden, wenn er rechts...