Verfahrensgang
AG Oranienburg (Entscheidung vom 07.01.2022; Aktenzeichen 13 g OWi 3428 Js-OWi 36112/21 (453/21) |
Tenor
Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 07. Januar 2022 wird als unbegründet verworfen, weil es nicht geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2 Ziff. 1 OWiG), und der Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt ist (§ 80 Abs. 1 Ziff. 2 OWiG).
Der Antrag des Betroffenen auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage, ob die Rohmessdaten gespeichert werden müssen, wird abgelehnt.
Der Betroffene trägt die Kosten seines Rechtsmittels (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO).
Gründe
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Sinne des § 80 Abs. 1 Ziff. 2 OWiG ist insbesondere dann verletzt, wenn das Gericht in entscheidungserheblicher Weise Tatsachen und Beweismittel zum Nachteil eines Beteiligten verwertet hat, zu denen dieser nicht gehört worden ist (Maul in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Auflage, zu § 33a, Rz. 3). Daneben umfasst der Anspruch das Recht, Kenntnis von den Anträgen und Rechtsausführungen anderer Verfahrensbeteiligter zu erhalten, sich hierzu zu äußern und das eigene Prozessverhalten darauf einstellen zu können (BVerfG, Beschluss vom 07. September 2007, 2 BvR 1009/07, Juris; Göhler, OWiG, 18. Auflage, zu § 80, Rz. 16a). Außerdem verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2020, 2 BvR 336/19, Juris).
Soweit der Betroffene vorträgt, dass eine etwaige fehlende Speicherung der Rohmessdaten verfassungsrechtlich bedenklich sei, zielt die Darstellung auf eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung im Sinne eines Verstoßes gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren und nicht auf eine Gehörsrüge. Bei der Frage, ob dem Betroffenen ein Anspruch auf nicht bei der Akte befindliche Unterlagen zusteht, geht es nicht um die Informationsverwertung (Gehörsrüge), sondern um die Informationsbeschaffung im Sinne einer Waffengleichheit (BVerfG, Beschluss vom 12. November 2020, 2 BvR 1616/18, Juris).
Für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 80 Abs. 1 Ziff. 2 OWiG auf Fälle von Verstößen gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens besteht nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm kein Raum (OLG Hamm, Beschluss vom 03. Januar 2019, III-4 RBs 377/18; KG, Beschluss vom 02. April 2019, 3 Ws (B) 97/19 - 122 Ss 43/19; OLG Stuttgart, Beschluss vom 03. August 2021, 4 Rb 12 Ss 1094/20; Juris). Auch eine analoge Anwendung ist in Ermangelung einer Regelungslücke nicht geboten (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. Oktober 2017, Ss Rs 17/2017 (30/17 OWi); KG, Beschluss vom 03. Juni 2021, 3 Ws (B) 148/21; Juris).
Eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage, ob die Rohmessdaten vom Messgerät gespeichert werden müssen, kommt deshalb nicht in Betracht.
Fundstellen
Dokument-Index HI15178753 |