Verfahrensgang
AG Oranienburg (Aktenzeichen 32 F 24/18) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 11. Februar 2022 - Az. 32 F 24/18 - aufgehoben und der Vergütungsfestsetzungsantrag der Antragsteller vom 19. Oktober 2021 abgewiesen.
Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren haben die Antragsteller zu tragen; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Der Beschwerdewert beträgt 1.606,36 EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die am 1. März 2022 eingegangene (sofortige) Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 11. Februar 2022 ist gemäß §§ 11 Abs. 2 und 1 RVG, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 104 Abs. 3 und 567 ff. ZPO statthaft und in zulässiger Weise eingelegt worden.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Rechtspflegerin hat dem Vergütungsfestsetzungsantrag der Antragsteller vom 19. Oktober 2021 in Höhe von 1.599,36 EUR (zzgl. Zustellauslagen und Zinsen) - im Ergebnis - zu Unrecht entsprochen.
Die Antragsgegnerin hatte zwar im erstinstanzlichen Verfahren gegen die begehrte Vergütungsfestsetzung von der ihr eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht. Mit ihrer Beschwerdeschrift allerdings hat die Antragsgegnerin (neben dem - bei Antragstellung am 19. Oktober 2021 allerdings tatsächlich bereits berücksichtigten - Einwand teilweiser Erfüllung) angeführt, sie habe die Antragsteller bei Mandatierung auf ihre beengten wirtschaftlichen Verhältnisse (Bezug von Grundsicherungsleistungen) hingewiesen und um Beantragung von Verfahrenskostenhilfe ersucht und für diese Antragstellung auch alle notwendigen Unterlagen an die Antragsteller zur Post gegeben; auf eine etwaige Unvollständigkeit der Unterlagen und weitergehende Mitwirkungspflichten sei sie nicht hingewiesen worden. Die Antragsgegnerin sieht die alleinige Verantwortung für die ausgebliebene Verfahrenskostenhilfeantragstellung und damit die naturgemäß ausgebliebene, aus ihrer Sicht aber zu erwartende Bewilligung derselben bei den Antragstellern.
Die Rechtspflegerin hat in ihrem Nichtabhilfebeschluss vom 31. Mai 2022 insoweit völlig zutreffend angeführt, dass es sich bei diesen Einwendungen der Antragsgegnerin um solche "nicht gebührenrechtlicher Natur" handelt (vgl. dazu Hartmann/Toussaint, Kostengesetze, 49. Aufl., § 11 RVG Rdnr. 65 "Prozesskostenhilfe" OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. Juni 2017, Az. 18 W 75/17; Brandenburgisches Oberlandesgericht), darin indes rechtsfehlerhaft keinen Anlass für die Ausübung ihrer Abhilfebefugnis (§ 572 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz ZPO) gesehen.
Tatsächlich aber folgt aus § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG gerade, dass die Festsetzung der Vergütung des Rechtsanwalts abzulehnen ist, soweit der/die Antragsgegner/in Einwendungen oder Einreden erhebt, die - wie im Streitfall - nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Das Verfahren nach § 11 RVG eröffnet dem Rechtsanwalt die Möglichkeit, seinen in der Sache nicht bestrittenen Gebührenanspruch in einem schnellen gerichtlichen Verfahren durchzusetzen. Es dient jedoch nicht dazu, von dem Auftraggeber erhobene materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Gebührenanspruch zu überprüfen. Eine Festsetzung der Vergütung ist daher gemäß § 11 Abs. 5 RVG abzulehnen, wenn sich die Einwendungen nicht auf die anzuwendenden Gebührenvorschriften, sondern auf Vorschriften des allgemeinen, auch für andere Rechtsbeziehungen maßgeblichen Rechts beziehen. Die Berechtigung derartiger Einwendungen ist in einem gerichtlichen Erkenntnisverfahren zu überprüfen, in dem der Rechtsanwalt seinen Gebührenanspruch gegen den Auftraggeber geltend machen muss (vgl. dazu LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2012, Az. 17 Ta (Kost) 6009/12 - zitiert nach juris)
Dem Umstand, dass der Einwand einer abredewidrig unterbliebenen und tatsächlich Erfolg versprechenden Verfahrenskostenhilfeantragstellung nicht bereits im erstinstanzlichen Festsetzungsverfahren, sondern erst im Beschwerdeverfahren erhoben worden ist, ist unerheblich, weil nach § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO das Rechtsmittel auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden kann, neues tatsächliches Vorbringen also uneingeschränkt zulässig und zu beachten ist (vgl. dazu auch LArbG Nürnberg, Beschluss vom 18. Januar 2011, Az. 7 Ta 160/10 - zitiert nach juris).
Diese außergebührenrechtliche Einwendung der Antragsgegnerin stünde der begehrten Festsetzung nur dann nicht entgegen, wenn sie entweder offensichtlich unbegründet, aus der Luft gegriffen, aus den Akten widerlegbar oder offensichtlich halt- oder substanzlos wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Antragsgegnerin hat ihre Einwendung durch entsprechendes tatsächliches Vorbringen schon in der Beschwerdeschrift und ergänzend im Schreiben vom 20. April 2020 konkretisiert und hinreichend substantiiert. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin bei Mandatierung der Antragsteller die Beantragung von Verfahr...