Leitsatz (amtlich)
Der Pflichtverteidiger hat im Falle des Fehlens einer ausdrücklichen Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe keinen Anspruch auf Erstattung der Gebühr für das Adhäsionsverfahren nach Nr. 4143 VV RVG gegen die Staatskasse.
Verfahrensgang
LG Potsdam (Entscheidung vom 27.11.2007; Aktenzeichen 25 KLs 4/05) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors wird der Beschluss der 5. großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 27. November 2007 aufgehoben.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
In dem u.a. wegen mehrfachen Betruges geführten Strafverfahren wurde Rechtsanwalt ... dem Angeklagten durch Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 6. September 2005 zum Pflichtverteidiger bestellt. Bereits mit der Anzeige vom 02. April 2003 stellte die Verletzte, die ... einen Adhäsionsantrag auf Zahlung von 127.600,00 EUR Schadenersatz zzgl. gesetzlicher Verzugszinsen ab dem 01. August 2002. Eine Zustellung dieses Adhäsionsantrages an den Angeklagten durch das Gericht erfolgte nicht. Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Pflichtverteidigers für das Adhäsionsverfahren wurde von dem Angeklagten nicht gestellt. In der Hauptverhandlung am 10. Februar 2006 teilte die Vorsitzende den Prozessbeteiligten mit, dass der Adhäsionsantrag gestellt worden sei. Anträge hierzu wurden nicht gestellt. Mit Urteil vom 17. Februar 2006 wurde der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, von der Entscheidung über den Adhäsionsantrag wurde abgesehen. Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen wurden dem Angeklagten auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2006 beantragte der Pflichtverteidiger die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 9.577,42 EUR, darin enthalten eine Gebühr nach Nr. 4143 VV RVG gegen die Staatskasse. Mit Beschluss vom 09. Juni 2006 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung des Pflichtverteidigers auf 6.078,86 EUR fest; dabei wurden die von ihm beantragte Gebühr nach Nr. 4143 VV RVG abgesetzt, weil es an einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Verteidigers mangele. Auf die hiergegen eingelegte Erinnerung des Pflichtverteidigers hat das Landgericht mit Beschluss vom 27. November 2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20. Februar 2008 die dem Pflichtverteidiger aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung um die Gebühr für das Adhäsionsverfahren erhöht. Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Beschwerde des Bezirksrevisors.
II.
Das Rechtsmittel des Bezirksrevisors ist begründet. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts ist aufzuheben, weil der Pflichtverteidiger mangels einer Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe keinen Anspruch auf Erstattung der Gebühr für das Adhäsionsverfahren nach Nr. 4143 VV RVG gegen die Staatskasse hat.
Der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat die streitige Rechtsfrage, ob die Bestellung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidigers gleichzeitig die Tätigkeit im Adhäsionsverfahren mit umfasst, am 29. April 2008 in dem Verfahren 2 Ws 59/08 - 22 KLs 25/06 Landgericht Cottbus wie folgt entschieden:
"1.
Der Umfang des Vergütungsanspruchs des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse bestimmt sich gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach dem Inhalt der gerichtlichen Beschlüsse, durch die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist. Einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Pflichtverteidigers für das Adhäsionsverfahren gemäß § 404 Abs. 5 S. 1 StPO hat der Angeklagte nicht gestellt; eine entsprechende Entscheidung ist deshalb auch nicht ergangen. Für das Bestehen des geltend gemachten Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse kommt es daher darauf an, ob sich dessen Bestellung zum Pflichtverteidiger gemäß §§ 140, 141 StPO auch auf die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren erstreckt.
Die vorstehende Frage wurde und wird von der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur sowohl vor als auch nach dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) am 1. Juli 2004, eingeführt durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5. März 2004 (BGBl. I 2004, 718, 788), unterschiedlich beantwortet (bejahend - die Bestellung zum Pflichtverteidiger erstrecke sich auch auf die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren - OLG Dresden, Beschluss vom 13.06.2007, AGS 2007, 404; OLG Hamburg, Beschluss vom 29.07.2005, NStZ-RR 2006, 347 und OLG Köln, Beschluss vom 29.06.2005, StraFo 2005, 394; zur Gesetzeslage vor Inkrafttreten des RVG OLG Hamm, Beschluss vom 31.05.2001, StraFo 2001, 361 sowie OLG Schleswig, Beschluss vom 30.07.1997, NStZ 1998, 101; entsprechend KK-Laufhütte, StPO, 5. Aufl., § 140 Rdnr. 4; Wohlers in SK-StPO, § 141 Rdnr. 20; Julius in Heidelberger Kommentar zur ...