Leitsatz (amtlich)
1. Zur Glaubhaftmachung und zur Gegenglaubhaftmachung im Gewaltschutzverfahren.
2. Eine Drohung, die Maßnahmen nach § 1 GewSchG rechtfertigt, kann auch konkludent erfolgen, sofern die Verletzung, mit der gedroht wird, hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt.
Normenkette
GewSchG § 1
Verfahrensgang
AG Bernau (Aktenzeichen 6 F 396/16) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bernau bei Berlin vom 22./23. Juni 2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens sind Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG).
Die am ....2.1949 geborene Antragstellerin war 18 Jahre lang die Lebensgefährtin des am ....1.1949 geborenen und am ....2.2016 verstorbenen K... W.... Die Antragsgegner zu 1. und 2. sind die Söhne des Herrn W..., der Antragsgegner zu 3. ist der Sohn des Antragsgegners zu 2.
K... W... errichtete ein notarielles Testament, in dem er die Antragsgegner zu 1. und 2. zu seinen Erben berief, diese jedoch verpflichtete, seiner Lebensgefährtin, der Antragstellerin, ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht an allen Räumen des Hauses ... Allee 90 einzuräumen. Die Wohnungsberechtigte sollte jedoch die eigenen Verbrauchskosten für Wasser, Abwasser, Strom, Heizung etc. sowie die Betriebskosten des Grundstücks wie Grundsteuer, Versicherung, Straßenreinigungsgebühren und Müllentsorgung tragen (Bl. 29).
Die Antragstellerin bewohnt das genannte Haus entsprechend ihrem Wohnrecht. Am 2.5.2016 trafen die Antragstellerin und die drei Antragsgegner auf dem genannten Hausgrundstück aufeinander. Die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang es zwischen ihnen eine Auseinandersetzung gegeben hat, ist zwischen den Beteiligten streitig. Jedenfalls rief die Antragstellerin die Polizei herbei und erstattete Strafanzeige.
Auf Antrag der Antragstellerin vom 9.5.2016 hat das Amtsgericht am 10./11.5.2016 im Wege der einstweiligen Anordnung Schutzmaßnahmen nach § 1 GewSchG erlassen (Bl. 8). Auf Antrag der Antragsgegner (Bl. 21) hat das Amtsgericht am 10.6.2016 eine mündliche Verhandlung durchgeführt (Bl. 53).
Durch den angefochtenen Beschluss vom 22./23.6.2016 hat das Amtsgericht seine einstweilige Anordnung vom 10./11.5.2016 im Wesentlichen aufrechterhalten. Wegen der Tenorierung im Einzelnen, der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf den Beschluss vom 22./23.6.2016 Bezug genommen (Bl. 65 ff.).
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Antragsgegner mit der Beschwerde. Sie tragen vor:
Eine Gewaltschutzanordnung gegen die Antragsgegner zu 2. und 3. sei schon deshalb zu Unrecht ergangen, weil beide lediglich im Auto gesessen hätten. Doch auch gegen den Antragsgegner zu 1. sei keine Anordnung zu treffen, da er zu keiner Zeit gedroht habe, die Wohnung der Antragstellerin in deren Abwesenheit oder gar gegen deren Willen zu betreten. Bei der Begegnung am 2.5.2016 habe es sich um ein zufälliges Aufeinandertreffen gehandelt. Da die Antragstellerin auf dem Grundstück der Antragsgegner zu 1. und 2. gewesen sei, habe sie den Antragsgegner zu 1. angesprochen.
Die Widersprüchlichkeit im Vortrag der Antragstellerin zeige sich schon darin, dass sie schriftsätzlich vorgetragen habe, alle drei Antragsgegner hätten gedroht "Dir hauen wir vor die Fresse", während in der mündlichen Verhandlung nur noch von einem solchen Ausspruch des Antragsgegners zu 1. die Rede gewesen sei.
Die Begründung des Amtsgerichts, wonach es bei ihnen, den Antragsgegnern, Frust über das Testament gegeben habe, folge keiner objektiven Betrachtung und berücksichtige in keiner Weise die bereits laufenden Verhandlungen zwischen den Beteiligten. Am 18.4.2016 habe die anwaltliche Korrespondenz zur Klärung der Nachlassfrage begonnen.
Die Antragsgegner beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die einstweilige Anordnung vom 10./11.5.2016 aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor:
Zu Recht habe das Amtsgericht die Anordnung gegen alle drei Antragsgegner gerichtet. Alle drei Männer hätten ihr als Drohkulisse gegenüber gestanden. Keineswegs hätten die Antragsgegner zu 2. und 3. nur im Auto gesessen; das könne der Zeuge H... bestätigen. Auch werde bestritten, dass die drei zufällig zusammengetroffen seien. Vielmehr sei davon auszugehen, dass sie sich zum Zwecke ihrer Einschüchterung verabredet hätten.
Ein Bemühen der Antragsgegner um eine gütliche Regelung sei nicht festzustellen. Auf ihren Vergleichsvorschlag vom 29.4.2016 hätten die Antragsgegner bislang nicht reagiert. Auch soweit die Antragsgegner zu 1. und 2. Unterlagen herausverlangt hätten, seien sie gebeten worden, drei Termine für die Übergabe zu benennen. Bis heute sei nichts passiert.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat die Beteiligten angehört und den Zeugen H... vernommen. Insoweit wird auf den Anhörungsvermerk zum Senatstermin vom 13.9...