Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung begleiteten Umgangs im Umgangsverfahren: unzulässige Teilentscheidung bei unzureichender Konkretisierung des Umgangstitels; gerichtliche Kindeswohlprüfung unter Einbeziehung eines Verfahrensbeistandes; Obliegenheit des Umgangsberechtigten zur Schaffung der Voraussetzungen für begleiteten Umgang; Mitwirkungspflicht des anderen Elternteils

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unterlässt das Familiengericht in einem Endbeschluss zu einer Umgangssache unter Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot eine vollstreckungsfähige Regelung zu Tag, Ort und Zeit des Umgangs (vgl. BGH FamRZ 2012, 533 Rn. 18 m.w.N.), so trifft es eine unzulässige Teilentscheidung (§ 69 Abs. 1 S. 2 FamFG), die antragsunabhänig eine Aufhebung und Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht ermöglicht (vgl. OLG Schleswig FamRZ 2018, 696; Saarländisches Oberlandesgericht FamRZ 2015, 1928; OLG Schleswig FamRZ 2015, 1040; OLG Frankfurt FamRZ 2013, 1824; OLG Hamm FamRZ 2013, 310 jew. m.w.N.).

2. Lässt sich eine konkrete Gefährdung des Kindes durch unbegleitete Umgangskontakte aus in der Person des Vaters liegenden Gründen, wie etwa Vorliegen einer pädophilen Haupt- oder Nebenströmung, nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, ist die von der Mutter begehrte Einschränkung des Umgangsrechts des Vaters durch die Anordnung lediglich begleiteter Umgangskontakte nicht begründet (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2019, 2009 m.w.N.).

3. In einem Umgangsverfahren entbindet das Einverständnis des umgangswilligen Elternteils mit einer Umgangsbegleitung das Gericht weder von einer Kindeswohlprüfung noch von einer nach § 158 Abs. 2 Nr. 5 FamFG regelmäßig gebotenen Bestellung eines Verfahrensbeistands. Das Kind kann neben seinem Schutz grundsätzlich einen unbefangenen Umgang mit jedem Elternteil frei von einer Beaufsichtigung durch Dritte beanspruchen; insoweit werden die Schutz- und Umgangsinteressen des Kindes gerade in hochkonflikthaften Umgangslagen regelmäßig erst nach einer professionellen und sachkundigen Ermittlung durch ein allein den Wünschen und Interessen des Kindes verpflichteten Verfahrensbeistand in einzelnen Umgangsalternativen gerichtlich abwägbar. Soweit das Umgangsrecht überhaupt einer elterlichen Disposition unterliegt, ist diese jedenfalls durch das Kindeswohl begrenzt (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 141 m.w.N.).

4. Bei gerichtlicher Anordnung begleiteten Umgangs ist die Benennung einer bestimmten Privatperson als mitwirkungsbereiter Dritter nur bei einer Umgangsbegleitung durch diese Einzelperson erforderlich, nicht hingegen bei einer Umgangsbegleitung durch einen Träger der Jugendhilfe oder durch einen Verein, wie sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 1684 Abs. 4 S 4 HS 2 BGB klar ergibt (vgl. BT-Drs. 13/4899 S 106; FamVerf/Gutjahr § 2 Rn. 195).

5. Insoweit obliegt es, weil dem Familiengericht weder gegenüber Privatpersonen oder dem Jugendamt noch gegenüber freien Jugendhilfeträgern eine Anordnungskompetenz zur Begleitung von Umgängen zusteht und für den Umgang beanspruchenden Elternteil wegen des verwaltungsgerichtlich einklagbaren Rechts auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts keine Schutzlücke besteht (BVerfG FamRZ 2015, 1686), dem Umgangsberechtigten, die Voraussetzungen für einen begleiteten Umgang zu schaffen, insbesondere eine geeignete Begleitperson zu stellen - ggfls. zusammen mit einer Kostenübernahmeerklärung des Jugendamts (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 11. Juni 2019 - 13 UF 86/19 -, juris Rn. 27, 28 m.w.N.).

6. Sodann hat das Gericht die Mitwirkungsbereitschaft und erforderlichenfalls die Eignung des in Aussicht genommen Umgangsbegleiters zu prüfen (vgl. hierzu Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 371). Weiter gilt das vollstreckungsrechtlich unverzichtbare Konkretisierungsgebot auch und gerade für begleitete Umgänge, sodass die Bestimmungen über Art, Ort und Zeit des Umgangs (vgl. BGH FamRZ 2012, 533 Rn. 18) nicht dem Umgangsbegleiter überlassen werden dürfen. Die in Betracht kommenden Umgangstermine sind, gegebenenfalls auch über das Jugendamt, in Abstimmung mit dem Umgangsbegleiter zu kommunizieren und anschließend vom Gericht vollstreckungsfähig festzulegen (vgl. Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 89 FamFG, Rn. 9).

7. Kommt nur begleiteter Umgang in Betracht und fehlt ein mitwirkungsbereiter Dritter, so hat der Umgang zu unterbleiben, denn die Anordnung eines begleiteten Umgangs - als mildere Maßnahme gegenüber einem vollständigen Umgangsausschluss - setzt einen mitwirkungsbereiten Dritten voraus (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29. Juli 2015 - 1 BvR 1468/15 -, Rn. 5, juris).

8. Scheitert die Mitwirkungsbereitschaft des Dritten allerdings lediglich an einer gesetzlich erforderlichen Mitwirkung eines (mit)sorgeberechtigten Elternteils, kann insoweit eine Entziehung des Rechts zur entsprechenden Antragstellung mit Übertragung auf den umgangswilligen Elternteil oder einen Ergänzungspfleger zu erwägen sein.

9. Amtswegige Maßnahm...

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