Entscheidungsstichwort (Thema)

Forderungspfändung

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur einschränkenden Auslegung des § 852 ZPO dahingehend, dass der Pflichtteilsanspruch vor vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit aufschiebend bedingt gepfändet werden kann.

 

Normenkette

ZPO § 852 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Beschluss vom 23.09.1997; Aktenzeichen 2 O 386/97)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, §§ 116 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, 114 ZPO.

Die angestrebte Klage ist allerdings zulässig. Insbesondere ist die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach § 27 Abs. 1 ZPO gegeben. Nach dieser Vorschrift besteht für bestimmte erbrechtliche Streitigkeiten der Wahlgerichtsstand am allgemeinen Gerichtsstand des Erblassers; hiervon werden Klagen auf Zahlung des Pflichtteils umfaßt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 20. Aufl., § 27, Rz. 8; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 56. Aufl., § 27, Rz. 8). Für die Frage der Zuständigkeit kommt es allein auf den geltend gemachten Anspruch an (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 27, Rz. 3). Unerheblich ist hingegen, daß dieser vom Kläger als Partei kraft Amtes erhoben wird. Mit der angestrebten Klage verfolgt der Kläger einen Pflichtteilsanspruch. Der allgemeine Gerichtsstand des zuletzt in Eichwalde wohnhaften Erblassers lag nach §§ 12, 13 ZPO im Zuständigkeitsbezirk des angerufenen Gerichts.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet jedoch in der Sache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch der Gesamtvollstreckungsschuldnerin kann derzeit vom Kläger nicht geltend gemacht werden. Der Anspruch auf den Pflichtteil wird zwar vorliegend von der Gesamtvollstreckung erfaßt. Er ist jedoch noch nicht verwertbar.

Der Anspruch der Gemeinschuldnerin nach § 2303 Abs. 1 BGB auf Zahlung des Pflichtteils unterliegt der Gesamtvollstreckung. Denn § 852 ZPO ist einschränkend dahingehend auszulegen, daß der Pflichtteilsanspruch auch vor seiner vertraglichen Anerkennung oder Rechtshängigkeit als ein in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingter Anspruch gepfändet werden kann (BGH, FamRZ 1993, S. 1307; Zöller/Stöber, a.a.O., § 852, Rz. 3; Kuchinke, NJW 1994, S. 1769 ff.; Greve, ZIP 1996, S. 699 ff.). Die Vorschrift bezweckt nämlich mit Rücksicht auf die familiäre Verbundenheit von Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem den Schutz des Pflichtteilsberechtigten vor einem Entzug der Entscheidungskompetenz darüber, ob er den Pflichtteilsanspruch geltend macht. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Benachteiligung der Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten. Vielmehr steht der Schutzzweck des § 852 Abs. 1 ZPO einer Pfändung nicht entgegen, welche die Entscheidungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten wahrt, indem sie ein Pfandrecht nur für den Fall begründet, daß die Voraussetzungen für einen umfassenden Zugriff erfüllt werden. Für die Gesamtvollstreckung hat dies zur Folge, daß der Pflichtteilsanspruch vom Gesamtvollstreckungsbeschlag und daher von der Pfändungswirkung des § 7 Abs. 1, 2 GesO erfaßt wird (BGH, a.a.O., S. 1308; Kuchinke, a.a.O., S. 1772). Ausgeschlossen ist bis zum Eintritt der Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO die Verwertung (Kuchinke, a.a.O.).

Es ist nicht ersichtlich, daß die Gemeinschuldnerin von der ihr im Hinblick auf ihre familiäre Verbundenheit gewährten Entscheidungsfreiheit bereits Gebrauch gemacht hat und der Pflichtteilsanspruch durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden, so voll verwertbar und damit auch durch den Kläger geltend zu machen ist. Die Pfändung des Pflichtteilsanspruchs durch den Gläubiger aus sich heraus sagt nichts darüber aus, ob sie ein aufschiebend bedingtes (BGH, a.a.O.) oder ein voll verwertbares Recht erfaßt hat, so daß im Zahlungsprozeß der Gläubiger, hier der Kläger, darlegen und gegebenenfalls beweisen muß, daß der Pflichtteilsanspruch vertraglich anerkannt oder rechtshängig geworden ist (Greve, a.a.O., S. 701). Dies hat der Kläger nicht getan.

Anerkennung durch Vertrag im Sinne des § 852 Abs. 1 ZPO ist jede auf die Feststellung des Pflichtteilsanspruchs zielende Einigung des Erben mit dem Pflichtteilsberechtigten; ein Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB ist nicht gemeint (Zöller/Stöber, a.a.O., § 852; Rz. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., § 852, Rz. 2). Die Anerkennung kann nur vom Pflichtteilsberechtigten, nicht jedoch vom Gesamtvollstreckungsverwalter und auch nicht vom Erben herbeigeführt werden, da die Entscheidung über die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs, wie dargelegt, nach § 852 Abs. 1 ZPO allein dem Pflichtteilsberechtigten obliegt. Eine Anerkennung des Pflichtteilsanspruchs in diesem Sinne durch die Gemeinschuldnerin trägt der Kläger ebensowenig wie eine von der Gemeinschuldnerin bewirkte Rechtshängigkeit des Pflichtteilsanspruchs.

Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt es auf di...

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