Verfahrensgang
LG Neuruppin (Urteil vom 05.08.1999; Aktenzeichen 3 O 95/99) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 5. August 1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen 187.416,88 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. November 1998 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 215.100,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Sicherheiten dürfen auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Die Beklagte leitete Anfang Februar 1998 – im Rahmen der EU – die Ausschreibung für die Ausführung der Fassadensanierungs- und Putzarbeiten ihrer Baumaßnahme „Umbau und Instandsetzung Schloß O.” ein. Die Angebote waren bis zum 12.03.1998 einzureichen; die Zuschlagsfrist endete am 27.04.1998 und die voraussichtliche Ausführungszeit war von der 19. KW 1998 bis zur 10. KW 1999 bestimmt.
Die Klägerinnen reichten mit Schreiben vom 11.03.1998 (Bl. 12 d. A.) ihr Angebot ein. Sie wiesen u.a. darauf hin, daß sie die Arbeiten nach Erteilung von gültigen Arbeitserlaubnissen aufnehmen könnten; einen Antrag auf Erteilung der Zusicherungen der Arbeitserlaubnisse hatten sie zuvor, nämlich am 09.03.1998 gestellt (Bl. 22 d. A.). Die Beklagte forderte die Klägerinnen mit Schreiben vom 23.03.1998 (Bl. 24 d. A.) auf, bis zum 30.03.1998 die Arbeitsgenehmigungen für die zum Arbeitseinsatz vorgesehenen 15 ausländischen Arbeitnehmer vorzulegen. Die Klägerinnen teilten mit Telefax vom 30.03.1998 (Bl. 26 d. A.) der Beklagten mit, daß sie bei dem zuständigen Arbeitsamt „entsprechende Arbeitserlaubnisverfahren” in die Wege geleitet hätten; mit Telefax vom 16.04.1998 (Bl. 25 d. A.) unterrichteten sie die Beklagte über eine telefonische Auskunft des Landesarbeitsamtes N. W. wonach „die Zustimmung für den Werkvertrag Schloß O. schon am 24.04.98 erteilt” werde.
Die Beklagte vergab den Zuschlag am 20.04.1998 an den nächstplazierten Anbieter, dessen Angebot, dasjenige der Klägerinnen, das mit knapp 1,5 Mio. DM (brutto) abschloß, um 703.000,00 DM überstieg. Am 24.04.1998 erließ das Landesarbeitsamt N. W. einen Bescheid über die Zusicherung von Arbeitserlaubnissen und setzte die Gebühren auf 26.825,00 DM fest, von deren Zahlung die Erteilung der Arbeitserlaubnisse abhängen sollte (Bl. 27, 28 d. A.). Der Bescheid ging der Klägerin zu 1. am 27.04.1998 zu.
Die Klägerinnen haben behauptet, durch die anderweitige Vergabe sei ihnen unter Berücksichtigung ihrer ersparten Aufwendungen ein kalkulierter Gewinn von 187.416,88 DM entgangen.
Die Klägerinnen haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 187.416,88 DM nebst 9,5 % Zinsen seit dem 26.11.1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, mit Rücksicht auf die für August 1999 vorgesehene Oranier-Ausstellung habe der Baubeginn Anfang Mai 1998 eingehalten werden müssen, so daß eine Verlängerung der Zuschlagsfrist nicht in Betracht gekommen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe bis zum Ablauf der festgesetzten Bindefrist nicht zuverlässig feststellen können, ob die Klägerinnen für den Einsatz ausländischer Arbeitnehmer die erforderlichen Arbeitserlaubnisse erhalten hätten.
Die Klägerinnen haben Berufung eingelegt. Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerinnen beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihrem erstinstanzlichen Sachantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerinnen ist – bis auf einen Teil des Zinsanspruchs – begründet.
I.
1. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch der Klägerinnen ist aus culpa in contrahendo gerechtfertigt.
Zwischen den Beteiligten eines Vergabeverfahrens wird spätestens mit der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis begründet; die Verletzung dieses Vertrauensverhältnisses durch den Ausschreibenden kann nach den Grundsätzen der Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) Ersatzansprüche der betroffenen Bieter auslösen (vgl. BGH NJW 1998, 3636; 3640, 3641; 3644, 3645; BGH Urteil vom 26.10.1999 – X ZR 30/98 – WM 2000, 86). Der Bieter kann – in besonderen Fällen – das positive Interesse ersetzt verlangen, wenn er bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverf...