Leitsatz (amtlich)

Die Ankündigung einer Restschuldbefreiung nach § 291 Abs. 1 InsO steht der Klage eines an dem Insolvenzverfahren nicht teilnehmenden Insolvenzgläubigers nicht entgegen. Er kann aus einem obsiegenden Urteil aber erst vollstrecken, nachdem die Restschuldbefreiung versagt wurde.

 

Normenkette

InsO §§ 200-201, 291, 294, 301-302

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 09.02.2011; Aktenzeichen 14 O 225/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 9.2.2011 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt/O. abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 123.354,22 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.9.2008 zu zahlen.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 7 % und der Beklagte 93 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf aus diesem Urteil - auch vorläufig - aber erst vollstrecken, wenn dem Beklagten in dem Insolvenzverfahren des AG Potsdam, 35 IK 915/06, die Restschuldbefreiung versagt wurde.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB in Anspruch.

Der Beklagte war Geschäftsführer der H. GmbH (fortan: GmbH). In dieser Funktion leaste er von der Klägerin Computer und zwar durch folgende Verträge:

Vertrag vom Warenwert netto 36 Leasingraten Leasingbetrag insg. Blatt

21./23.12.2004 79.450 EUR 2.346 EUR 84.456 EUR 24, 28

27.1./1.2.2005 43.400 EUR 1.326 EUR 47.736 EUR 17 f.

Insgesamt 122.850 EUR 132.192 EUR

Die Klägerin ist Eigentümerin der geleasten Gegenstände. Sie wurden im Dezember 2004 und Januar 2005 geliefert und von dem Beklagten in Empfang genommen (Bl. 19, 29 d.A.).

Die GmbH zahlte am 19.1.2005 die erste Leasingrate i.H.v. netto 2.346,29 EUR = 2.721,70 EUR brutto (Bl. 93 d.A.). Ab Februar 2005 waren aus beiden Verträgen monatliche Raten i.H.v. brutto 4.260,51 EUR fällig. Weitere Zahlungen erfolgten nicht. Am 28.1.2005 wies das Konto der GmbH noch ein Guthaben von 4.712,87 EUR aus. Zahlungseingänge waren auf dem Konto nicht mehr zu verzeichnen. Der Beklagte entnahm ab dem 31.1.2005 insgesamt 3.741,63 EUR als Privatentnahme. Am 6.4.2005 wies das Konto einen Bestand von 0 EUR auf (Bl. 93 ff. d.A., Bl. 177 ff. d. Strafakte). Am 7.4.2005 veräußerte er seine Geschäftsanteile an der GmbH zu einem nicht genannten Kaufpreis (Bl. 37 d.A.) und wurde als Geschäftsführer abberufen.

Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 4.8.2005 die Verträge, forderte die GmbH vergeblich zur Herausgabe der Computer bis zum 31.8.2005 auf (Bl. 96 d.A.) und klagte schließlich vor dem LG Berlin (2 O 492/05) auf Herausgabe. Bereits die Zustellung der Klage gestaltete sich schwierig, da die GmbH unter den Geschäftsanschriften (Wohnhäuser) nicht erreichbar war und sich der neue Geschäftsführer unter seiner Meldeanschrift: bei E. Y.,... Hof 19, Vorderhaus 2. Etage Mitte ..., nicht aufhielt. Am 1.8.2006 erging ein Versäumnisurteil. Die Zwangsvollstreckung am 19.8.2006 verlief erfolglos.

Die Klägerin erstattet daraufhin am 20.11.2006 Strafanzeige gegen den Beklagten wegen Betruges bzw. Unterschlagung. Der Beklagte wurde am 5.8.2008 wegen Betruges in zwei Fällen zu Lasten der Klägerin zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die Klägerin erhielt am 25.8.2008 Kenntnis von dem Urteil und beanspruchte mit Schreiben vom 28.8.2008 unter Fristsetzung bis zum 11.9.2008 von dem Beklagten Schadensersatz (Bl. 49 d.A.), der ihr jedoch mit Schreiben vom 1.9.2008 mitteilte, er befinde sich im Insolvenzverfahren (Bl. 51 d.A.).

Über das Vermögen des Beklagten war auf dessen Antrag am 28.8.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Forderungen waren bis zum 2.10.2006 anzumelden, Schlusstermin war auf den 17.1.2008 bestimmt und am 30.1.2008 wurde das Insolvenzverfahren nach § 200 InsO aufgehoben. Mit einer Quote können die Insolvenzschuldner nach dem Protokoll des Schlusstermins nicht rechnen. Die Wohlverhaltensphase beträgt sechs Jahre ab dem 28.8.2006. Die Restschuldbefreiung ist nach § 291 InsO angekündigt (Bl. 1, 62, 151, 170, 173d. Insolvenzakte).

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte habe sie über die Zahlungsfähigkeit der GmbH getäuscht. Hierüber habe sie erst am 25.8.2008 durch das Strafurteil Kenntnis erlangt. Sie sei daher Neugläubigerin und die Geltendmachung ihrer Forderung durch das Insolvenzverfahren nicht ausgeschlossen. Als Schadensersatz könne sie von dem Beklagte das positive Interesse verlangen.

Ihren Schaden berechnet sie nach den offenen Leasingraten wie folgt:

Vertrag vom 21./23.12.2004 84.456 EUR

Vertrag vom 27.1./1.2.2005 47.736 EUR

Kosten der Rechtsverfolgung und Zwangsvollstreckung 2.850,51 EUR

insgesamt 135.042,51 EUR

abzgl. Zahlung netto 2.346,29 EUR

offen 132.696,22 ...

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