Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachbarrechtlicher Beseitigungsanspruch: Abwägung zwischen Beseitigungsaufwand und Nachteil des Beeinträchtigten bei einem grob fahrlässig errichteten Überbau
Normenkette
BGB § 275 Abs. 2 S. 1, § 1004 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Neuruppin (Urteil vom 04.03.2009; Aktenzeichen 2 O 240/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 4.3.2009 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Neuruppin vom - 2 O 240/08 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des 1,1-fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Im Übrigen darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 165.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 2.000.000 EUR leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Beseitigung eines Überbaus.
Die Klägerin ist Eigentümerin des im Grundbuch des AG Neuruppin von ..., Blatt 3818, unter der laufenden Nr. 2 eingetragenen Flurstücks 41/2 der Flur 14 mit einer Fläche von 845 m2.
Die Beklagte errichtete im sog ... viertel der Stadt ... am Ufer des ... er Sees ein Hotel sowie einen Gesundbrunnen mit dazu gehörigen Einrichtungen. In der unmittelbaren Nähe dieser Einrichtungen baute die Beklagte ein Parkhaus für Besucher. Bei der Errichtung des Parkhauses auf mehreren Flurstücken kam es zu einer Bebauung über die Grenze des Flurstücks 41/2 der Flur 14. Der Überbau nimmt etwa 100 m2 des genannten Grundstücks der Klägerin in Anspruch. Wegen der Einzelheiten der Lage des Parkhauses wird auf die Anlage B6 zur Klageerwiderung (Bl. 73 d.A.) Bezug genommen.
In einem weiteren Prozess (LG Neuruppin - 2 O 455/07 -/OLG Brandenburg - 5 U 70/09) streiten die Parteien darum, wer von ihnen die angeblich mehrere Millionen EUR betragenden Kosten für die Dekontamination eines Grundstücks, welches die Klägerin an die Beklagte veräußert hat und auf welchem die vorstehend bezeichnete Hotelanlage errichtet worden ist, zu tragen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Folgendes ist noch ergänzen:
Zur Errichtung des Parkhauses war die Beklagte aufgrund eines städtebaulichen Vertrages verpflichtet, dessen Datum die Beklagte zuletzt mit 26.9.2001 angegeben hat.
In der Baugenehmigung für das Parkhaus vom 31.1.2007 (Anlage B4 zur Klageerwiderung, Bl. 59-68 d.A.) ist das zu bebauende Grundstück wie folgt bezeichnet:
"...,... straße Gemarkung:... Flur 14 Flurst. Nr.: 41/1 40/4 40/1 41/2 und 39".
Die Baugenehmigung ist u.a. mit der Auflage II. 2.2.15 versehen, welche lautet:
"Für die Flurstücke entsprechend der Aufstellung bzw. Teilflächen der in Anspruch genommenen Flurstücke ist, wie im amtlichen Lageplan dargestellt, der Nachweis gem. § 4 Abs. 2 BbgBO spätestens zur Fertigstellung vorzulegen.".
Unter Ziffer VI.1 der Baugenehmigung findet sich der Hinweis, dass die Baugenehmigung gem. § 67 Abs. 6 BbgBO unbeschadet der Rechte Dritter erteilt werde.
Die überbaute Fläche liegt laut Bebauungsplan in dem Sondergebiet "Parkhaus", in dem neben dem errichteten Parkhaus nur ebenerdige Stellplätze zulässig sind.
Das LG hat der Klage hinsichtlich des Hauptantrages mit Urteil vom 4.3.2009 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne von der Beklagten die Beseitigung des Überbaus verlangen (§§ 903, 1004 BGB); sie sei nicht verpflichtet, den Überbau zu dulden. Eine solche Pflicht ergebe sich nicht aus § 912 Abs. 1 BGB. Die Beklagte habe die Grundstücksgrenze vorsätzlich, jedenfalls aber grob fahrlässig überbaut. Der Beklagten als Großinvestorin müsse bekannt gewesen sein, dass sich im Bereich des ... viertels auch Grundstücke im Eigentum anderer Personen, insbesondere der Klägerin, befinden. Wie aus dem Verfahren 2 O 455/07 bekannt sei, habe die Beklagte im Bereich des ... viertels von der Klägerin Grundstücke für die Errichtung eines Hotels erworben. Jedenfalls habe die Beklagte bei den Planungen für das Parkhaus gewusst, dass ihr sämtliche für die Errichtung desselben erforderlichen Grundstücksflächen (noch) nicht gehörten. Aus diesem Grund habe sie nach Abschluss der Planungen die Flurstücke 40/4, 41/1 und eine noch zu vermessende Teilfläche des Flurstücks 40/1 von der Stadt ... gekauft. Bereits bei oberflächlicher Kenntnisnahme vom Lageplan des von ihr beauftragten Vermessers D. (Stand 13.10.2006, Bl. 55 d.A.) habe die Beklagte erkennen können, dass sich das der Klägerin gehörende Flurstück 41/2 im Grenzbereich des Planungsgebietes für das Parkhaus befunden habe. Wer so plane und baue, sich aber nicht vergewissere, dass er keine Teile des angrenzenden Grundstücks in Anspruch nimmt, handle besonders unsorgfältig. Die...