Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein gemeindliches Vorkaufsrecht bei Verträgen zur Rückgewähr enteigneter Mauergrundstücke an die früheren Eigentümer
Leitsatz (redaktionell)
Die Rückgabe durch die DDR für die Errichtung von Grenzanlagen enteigneter Grundstücke an die Eigentümer bzw. deren Rechtsnachfolger im Wege des käuflichen Rückerwerbs zu einem erheblich vergünstigten Preis löst kein gemeindliches Vorkaufsrecht an den betreffenden Grundstücken aus.
Verfahrensgang
LG Neuruppin (Entscheidung vom 29.06.2007; Aktenzeichen 8 O 13/06) |
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1. und 2. wenden sich gegen die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts und begehren die Erteilung eines Negativzeugnisses für einen Grundstücksverkauf nach dem Gesetz über den Verkauf von Mauer- und Grenzgrundstücken an die früheren Eigentümer (MauerG).
Die Beteiligte zu 2. ist Eigentümerin der 184 mqm und 160 mqm großen Flurstücke 105/1 und 105/3 der Flur 4 der Gemarkung B.... Die am G..see unterhalb der ...-B...-Straße belegenen Uferflurstücke waren Bestandteil der dortigen früheren Sperranlagen der DDR. Mit notariell beurkundetem Vertrag des Notars ... in B... vom 14.07.2006 (UR-Nr.: F 854/2006) verkaufte die Beteiligte zu 2. sie unter Anwendung der Vorschriften des Mauergesetzes und unter Zugrundelegung eines Verkehrswertes von 39.560,00 EUR (115,00 EUR/mqm) für 9.890,00 EUR an die Beteiligten zu 1. in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Bezeichnung "Ufergrundstücke am G...see, ...-B...-Str. 204 GbR". Eine Veräußerung im öffentlichen Interesse an die Beteiligte zu 3. war zuvor an unterschiedlichen Vorstellungen über den anzusetzenden Verkehrswert gescheitert. Die GbR der Beteiligten zu 1. hatte sich den Erwerbsanspruch nach dem Mauergesetz zuvor von den Berechtigten i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 MauerG abtreten lassen.
Mit Schriftsatz vom 01.08.2006, eingegangen am 02. oder 03.08.2006, beantragte der Notar unter Übersendung einer Abschrift des Kaufvertrages bei der Beteiligten zu 3. die Erteilung eines Negativzeugnisses.
Mit Bescheid vom 29.09.2006, den Antragstellern zugestellt am 29.09., 30.09. und 02.10.2006, übte die Beteiligte zu 3. hinsichtlich des gesamten Flurstücks 105/1 und einer Teilfläche von ca. 112 mqm des Flurstücks 105/3 ihr gemeindliches Vorkaufsrecht aus. Ein Zeugnis über die Nichtausübung bzw. das Nichtvorliegen eines gemeindlichen Vorkaufsrechts werde nicht erteilt. Die an die Verkäuferin zu zahlende Entschädigung betrage 1.480,00 EUR (5,00 EUR/mqm). Die Flurstücke befänden sich im Geltungsbereich des zurzeit im Aufstellungsverfahren befindlichen Bebauungsplanes Nr. 8 "G...see". Die öffentliche Auslegung sei in der Zeit vom 24.07. - 01.09.2006 erfolgt. Für die betroffenen Flächen sei eine Nutzung für öffentliche Zwecke (Verkehrsfläche mit der besonderen Zweckbestimmung Fußweg mit eingeschränktem Radverkehr und öffentliche Grünfläche) festgesetzt. Gem. § 28 Abs. 3 i.V.m. §§ 24 und 25 des Baugesetzbuches (BauGB) werde deshalb das gemeindliche Vorkaufsrecht ausgeübt. Die zu zahlende Entschädigung sei von der kommunalen Bewertungsstelle der Stadt Potsdam bestimmt worden. Eine Anpassung des vereinbarten Kaufpreises an den Entschädigungswert sei zulässig, da die Flurstücke nach dem festgesetzten Verwendungszweck auch enteignet werden könnten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid der Beteiligten zu 3. Bezug genommen (Bl. 8 ff d.A.).
Am 02.10.2006 und am Montag, dem 30.10.2006 haben die Beteiligten zu 1. und 2. die vorliegenden Anträge auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Zur Begründung haben sie insbesondere vorgetragen, dass der Beklagten zu 3. bei einem Verkauf nach dem Mauergesetz kein Vorkaufsrecht zustehe. Bei dem Erwerb nach dem Mauergesetz handele es sich um einen gemischten Kauf- und Schenkungsvertrag sui generis. Das Vorkaufsrecht nach § 24 BauGB bestehe nur bei reinen Kaufverträgen, nicht aber bei Schenkungen, da der Sinn des Mauergesetzes ansonsten verfehlt werde. Nach § 3 MauerG habe die Beteiligte zu 3. die Möglichkeit gehabt, der Beteiligten zu 2. ein wirksames Kaufangebot zu unterbreiten. Im Übrigen sei das Vorkaufsrecht auch nicht fristgerecht und nicht zum Wohl der Allgemeinheit ausgeübt worden. Der aufgestellte Bebauungsplan sei nichtig und nicht durchführbar. Die Beteiligte zu 3. habe ihr Ermessen nicht bzw. nur ermessensfehlerhaft ausgeübt. Der Verkehrswert der streitgegenständlichen Flurstücke dürfte 200,00 EUR/mqm betragen. Die Beteiligte zu 2. habe ca. 10 Grundstücke am G...see zu 115,00 EUR/mqm veräußert. Ansonsten würden für vergleichbare Ufergrundstücke bis zu 402,00 EUR/mqm gezahlt. Die Beteiligte zu 3. möge ein rechtsstaatliches Enteignungsverfahren durchführen und sie angemessen entschädigen.
Die Beteiligten zu 1. und 2. haben beantragt,
die Beteiligte zu 3. unter Aufhebung des Bescheides vom 29.09.2006 zu verpflichten, das beantragte Negativzeugnis über die Nichtausübung bzw. das Nichtbestehen eines gemeindlichen Vorkaufsrechts hinsichtlich des Verkaufs der Flurstücke 105/1 und 105/3 ...