Leitsatz (amtlich)
1. Ist der linke Arm "als Organ" nicht mehr einsatzfähig, liegt eine Funktionsunfähigkeit von 1/1 Armwert, und zwar ungeachtet dessen, dass der Arm für den Oberkörper noch eine Gleichgewichtsfunktion besitzt.
2. Die Beeinträchtigung eines rumpfnäheren Gliedes (Ellenbogen) schließt den Verlust oder die Beeinträchtigung eines rumpfferneren Gliedes (Hand) ein, wenn die Beeinträchtigung im Wesentlichen im Ellenbogen eingetreten ist, einhergehend mit einer Ausstrahlungswirkung bis zur Hand. Eine Addition der Werte aus der Gliedertaxe findet in diesem Fall nicht statt.
Normenkette
AUB 88 § 7 Abs. 1 Nr. 2a
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 06.08.2004; Aktenzeichen 11 O 158/02) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 6.8.2004 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Frankfurt (Oder), Az.: 11 O 158/02, teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils des LG vom 3.7.2002 verurteilt, an den Kläger 38.345,47 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.5.2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Vollstreckung jeweils i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die jeweils andere Partei Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Kapitalleistung aus einer Unfallversicherung auf Grund eines Arbeitsunfalls vom 23.10.1999, der sich dadurch ereignete, dass der Kläger beim Tragen von Autoreifen stolperte und stürzte, wodurch der linke Arm erheblich verletzt wurde. Er beruft sich auf eine Funktionsunfähigkeit des Armes einerseits und der Hand andererseits, da die Fallhand am 9.12.1999 durch eine Nervenschädigung bei der Operation entstanden sei und eine selbständige zum Funktionsverlust durch die Ellenbogenverletzung hinzutretende Unfallfolge darstelle. Daher sei jeweils von einem Invaliditätsgrad von 75 % auszugehen, wobei unter Berücksichtigung der Maximalhöhe von einem Invaliditätsgrad von 100 % auszugehen sei. Im Übrigen wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses vom 27.9.2004 Bezug genommen.
Das LG hat das Versäumnisurteil aufgehoben und die weiter gehende Klage abgewiesen mit der Begründung, dem Kläger stehe über den von der Beklagten bereits gezahlten Betrag hinaus kein weiterer Anspruch auf eine Kapitalleistung zu. Entsprechend dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. L. sei die Funktionsfähigkeit (gemeint ist Funktionsunfähigkeit) des linken Armes auf 9/10 einzuschätzen, wobei von einem diesbezüglichen Endzustand frühestens seit dem 12.2.2003 bzw. 22.5.2003 auszugehen sei. Bei der "Gliedertaxe" sei eine Gesamtbetrachtung anzustellen, wonach insgesamt auf die Funktionsfähigkeit des linken Armes abzustellen sei und nicht auf einzelne Funktionsbeeinträchtigungen von Teilen des Armes. Hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils seien die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen, da jedenfalls die Zahlung eines Vorschusses unter Berücksichtigung der von den Parteien vorgelegten Gutachten angemessen gewesen sei.
Der Kläger hat gegen das ihm am 11.8.2004 zugestellte Urteil mit einem am 3.9.2004 beim OLG Brandenburg eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 11.10.2004 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger hält entgegen der Ansicht des LG an seiner Auffassung fest, dass es durchaus auf die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen von Teilen des Armes ankomme, da mehrere Verletzungen vorlägen, die jeweils verschiedene in der Gliedertaxe genannte Voraussetzungen erfüllen würden, wobei die Beklagte ohnehin nicht bestritten habe, dass keine zwei unabhängig voneinander eingetretenen Schäden entstanden seien und keine Ausstrahlungswirkung vorliege. Das LG habe ohne hinreichende Begründung nicht ohne Einholung eines weiteren Gutachtens gem. § 412 ZPO entscheiden dürfen, da der Kläger substantiiert und durch Privatgutachten erhärtet eingewendet habe, dass das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. L. unvollständig, widersprüchlich und nicht überzeugend sei. In seinem ersten Gutachten habe der Sachverständige die vom Gericht in dem Beweisbeschluss genannten Beweisfragen überhaupt nicht beantwortet, worauf der Sachverständige sodann hingewiesen worden sei. Unklar sei, wie das LG hinsichtlich der ergänzenden Stellungnahme zu der Annahme habe gelangen können, dass etwaige Unklarheiten spätestens mit dieser Stellungnahme ausgeräumt seien. Das vom Kläger vorgelegte Privatgutachten des Dr. H. habe ergeben, dass die gutachterliche Einschätzung des Sachverständigen medizinisch nicht vertretbar sei, ohne dass das Gericht sich hiermit auseinandergesetzt hab...