Leitsatz (amtlich)
Eine feste Laufzeitregelung von 15 Jahren in einem Vertrag über die Versorgung mit Warm- und Verbrauchswarmwasser unterfällt gem. § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV der Laufzeitbegrenzung des § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV und ist daher unwirksam.
§ 310 Abs. 2 BGB bestimmt lediglich die Nichtanwendung des AGB-Rechts auf bestimmte Verträge. Aus § 310 Abs. 2 BGB ergibt sich keine Durchbrechung des Anwendungsbereichs der AVBFernwärmeV, der von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV eröffnet wird.
Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB liegt in der langen wirtschaftlichen Bindungsfrist, die vom Verordnungsgeber typischerweise nicht gewollt wird, wenn sie nicht durch besondere Vorteile aufgewogen wird.
Normenkette
BGB §§ 307, 310 Abs. 2; AVBFernwärmeV § 1 Abs. 1, § 32 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 05.02.2010; Aktenzeichen 12 O 189/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter Abänderung des am 5.2.2010 verkündeten Urteils des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Frankfurt/O. abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung eines als "Wärmeversorgungsvertrag" mit der Vertragsnummer 1230/11 bezeichneten Vertrages der Parteien durch die Beklagte in Anspruch.
Die Rechtsvorgänger der Parteien schlossen am 6./18.5.1998 einen als Wärmeversorgungsvertrag bezeichneten Vertrag, mit der sich die Klägerin zur Herstellung einer neuen Wärme- und Verbrauchwarmwasser-Erzeugungsanlage und zur nachfolgenden Versorgung des Klinikums B ... mit Warm- und Verbrauchswarmwasser verpflichtete.
Die Laufzeit des Vertrages wurde gem. Ziff. 8.3 des Vertrages auf 15 Jahre festgesetzt und sollte mit der Inbetriebnahme der Anlage beginnen. Die Inbetriebnahme erfolgte ausweislich des entsprechenden Protokolls am 25.11.1999.
Die Beklagte erklärte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 26.8.2008 die Kündigung des vorgenannten Vertrages zum 31.12.2009. Die Klägerin hat der Kündigung widersprochen und in der Folge die vorliegende Feststellungsklage erhoben.
Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Kündigung des Wärmelieferungsvertrages 1230/11 durch Erklärung der Beklagten vom 26.8.2008 unwirksam ist und die Vertragslaufzeit dieses Vertrages bis zum 24.11.2014 nicht verkürzt hat.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das LG hat der Klage mit Urteil vom 5.2.2010 stattgegeben.
Das Feststellungsbegehren der Klägerin sei begründet. Die Kündigung sei nicht wirksam, weil die Parteien eine Laufzeit bis zum 24.11.2014 vereinbart hätten. Die einschlägige Vereinbarung sei trotz der Beschränkung der Vertragslaufzeit für Fernwärmeversorgungsverträge auf höchstens 10 Jahre gem. § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV wirksam. Der streitbefangene Vertrag unterfalle zwar der AVBFernwärmeV. Bei Beurteilung der Frage, ob eine Vertragslaufzeit von 15 Jahren wirksam vereinbart worden sei, könne aber nicht auf die AVBFernwärmeV zurückgegriffen werden. Das folge aus § 310 Abs. 2 BGB, der auf den Vertrag der Parteien ab 1.1.2003 zur Anwendung komme. Danach werde für den Bereich der Fernwärmeverträge für Sonderabnehmer die Geltung der §§ 308 und 309 BGB ausgeschlossen, soweit Fernwärmeverträge nicht über die AVBFernwärmeV hinausgehen. Die Beklagte sei Sonder-abnehmerin i.S.d. § 310 Abs. 2 BGB. Diesen Begriff kenne die AVBFernwärmeV zwar nicht. Hier gelte jedoch der Vorrang des Gesetzes. Deshalb sei die AVBFernwärmeV bereits grundsätzlich nicht anwendbar.
Die allein verbleibende Inhaltskontrolle nach § 307 BGB führe ebenfalls nicht zu einer Unwirksamkeit der vereinbarten Vertragslaufzeit. Eine erhebliche Abweichung von dem Leitbild der AVBFernwärmeV liege nicht vor. Der längeren Bindungsfrist der Beklagten stünden geringere monatliche Belastungen entgegen.
Ergänzend hat das LG angeführt, dass auch im Falle der vollständigen Geltung der AVBFernwärmeV die vereinbarte Vertragslaufzeit von 15 Jahren wirksam vereinbart worden sei, wobei die Rechtsvorgängerin der Klägerin der Rechtsvorgängerin der Beklagten 1995 ein alternatives Angebot mit einer Laufzeit mit nur 10 Jahren erteilt habe.
Im Übrigen spreche die vorgelegte Korrespondenz der Rechtsvorgänger der Parteien im Vorfeld des Abschlusses des Vertrages dafür, dass es sich bei den einzelnen vertraglichen Bestimmungen des Vertrages nicht um AGB handele.
Die Beklagte hat gegen das Urteil des LG frist- und formgerecht Berufung eingelegt, mit der sie Abänderung des angefochtenen Urteils und weiterhin die Abweisung der K...