Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an konkludentes Erfüllungsverlangen nach § 103 Abs. 1 InsO

 

Normenkette

InsO § 103 Abs. 1; BGB § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 11.06.2007; Aktenzeichen 12 O 93/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 11.6.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Frankfurt/Oder teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.498,04 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6.2006 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Verwalter in dem am 1.4.2003 über das Vermögen der A-B GmbH (demnächst: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren (Bl. 4 d.A.). Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der Gasversorgung N. GmbH, welche mit der Schuldnerin am 14./15.6.1993 einen Gasliefervertrag geschlossen hatte (Bl. 96-106 d.A.). In § 2 dieses Vertrages ist geregelt, dass der Kunde auch dann eine Mindestmenge zu vergüten hat, wenn er sie nicht abgenommen hat (Bl. 97 d.A.).

Der Kläger zeigte am 8.4.2003 die Masseunzulänglichkeit gem. § 208 InsO an (Bl. 54 d.A.). Die Anzeige wurde durch das AG S. am 9.4.2003 bekannt gemacht (Bl. 55 d.A.). In der Zeit vom 18.6.2003 bis zum 13.2.2006 zahlte der Kläger an die Beklagte auf deren monatlich gestellte Rechnungen insgesamt 16.498,04 EUR (Bl. 31 d.A.). Anfang des Jahres 2006 stellte der Kläger fest, dass den gestellten Rechnungen tatsächlich, wie unstreitig ist, kein Verbrauch zugrunde lag. Mit Schreiben vom 10.5.2006 (Bl. 45, 46 d.A.) forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung der gezahlten Beträge auf.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.498,04 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.4.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe die Zahlungen nicht ohne Rechtsgrund erlangt, weil der Kläger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von seinem Wahlrecht gem. § 103 Abs. 1 InsO zur Erfüllung des Vertrages Gebrauch gemacht habe.

Das Urteil des LG ist dem Kläger am 28.6.2007 zugestellt worden. Der Kläger hat am 16.7.2007 beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug zu bewilligen. Der Senat hat dem Kläger durch ihm am 27.9.2007 zugestellten Beschluss vom 10.9.2007 Prozesskostenhilfe gewährt. Der Kläger hat am 1.10.2007 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel bis auf einen geringen Teil des Zinsanspruchs Erfolg.

1. Der i.H.v. 16.498,04 EUR geltend gemachte Zahlungsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB) begründet.

Die Zahlungen des Klägers sind ohne Rechtsgrund erfolgt, weil der Kläger von seinem Wahlrecht nach § 103 Abs. 1 InsO keinen Gebrauch gemacht hat. Die Beklagte hatte daher mangels vertraglicher Verpflichtung der Schuldnerin keinen Anspruch auf die Begleichung ihrer Rechnungen gehabt.

a) Das Wahlrecht wird durch - einseitige, empfangsbedürftige - Willenserklärung (§ 130 BGB) des Insolvenzverwalters ggü. dem. Vertragspartner ausgeübt (Heidelberger Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 103 InsO, Rz. 60; Graf-Schlicker, InsO, § 103 InsO, Rz. 11; Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 103 InsO, Rz. 18). Die Erklärung kann auch konkludent erfolgen, allerdings sind an eine konkludente Erklärung hohe Anforderungen zu stellen (Hamburger Kommentar, § 103, Rz. 21).

Bereits unter der Geltung der Konkursordnung hat die Rechtsprechung des BGH seit langem erhebliche Anforderungen an das nur konkludent erfolgte Erfüllungsverlangen gestellt; insb. wurde dem anderen Teil ein Vertrauensschutz nicht zugebilligt, weil er gem. § 17 Abs. 2 KO die Möglichkeit hatte, den Verwalter aufzufordern, sich zu erklären (BGH NJW 1981, 2195 und 1982, 2196). Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind nach wie vor auch unter der Geltung der Insolvenzordnung anzuwenden.

aa) Der Kläger hat ausdrücklich nicht die Erfüllung des Gasliefervertrages nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gefordert.

bb) Das LG hat gemeint, die Beklagte habe allein aufgrund der Zahlung des Entgeltes für einen Zeitraum von nahezu drei Jahren vom Fortbestand des Vertrages ausgehen dürfen. Unerheblich sei es, dass die Beklagte tatsächlich keine Energie geliefert habe. Der Kläger habe vielmehr die Leistung der Beklagten, Energie auf Abruf bereitzuha...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge