Verfahrensgang

LG Cottbus (Entscheidung vom 22.04.2010; Aktenzeichen 4 O 70/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22. April 2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus - 4 O 70/07 - abgeändert.

1. Der Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Zahlung von 89.625,38 € die in Abteilung I des Grundbuchs von T... des Amtsgerichts Guben Blatt 255 unter den lfd. Nrn. 2 bis 42 eingetragenen Grundstücke sowie das in Abteilung I des Grundbuchs von K... des Amtsgerichts Fürstenwalde Blatt 20 unter der lfd. Nr. 1 eingetragene Grundstück an die Klägerin herauszugeben, an sie aufzulassen und die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch zu bewilligen.

2. Der Beklagte befindet sich mit der Annahme der unter Ziff. 1 genannten Zahlung im Verzug der Annahme.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 170.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist als Tochtergesellschaft der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben mit der Privatisierung der ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen in den neuen Bundesländern beauftragt. Der Klägerin obliegt als Privatisierungsstelle insbesondere die Veräußerung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen nach Maßgabe des Ausgleichsleistungsgesetzes (AusglLeistG) und der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV). Die Familie des Beklagten - Ehefrau und derzeit noch eine schulpflichtige Tochter - wohnt und lebt in R... (Hessen). Der Beklagte und seine Ehefrau leben nicht in Trennung. Der Beklagte ist von Beruf Zahnarzt und betreibt im in der Nähe von R... gelegenen S... eine werktäglich geöffnete Zahnarztpraxis mit angeschlossenem Zahnlabor. Bei dem Betrieb der Praxis wird der Beklagte von einer Zahnärztin - der Zeugin K... - mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von durchschnittlich 20 Wochenstunden unterstützt. Der Beklagte verfügt über Immobilienbesitz in Hessen und ist Geschäftsführer der P... GmbH mit Sitz in Hessen. Die Immobilienwirtschaft betreibt der Beklagte nicht "lediglich nebenberuflich", sondern hat sich zu einer "zweiten selbständigen Tätigkeit entwickelt" (Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 11. März 2008, Anlage B 27).

Im Jahre 1993 erwarb der Beklagte ein Grundstück in L..., auf dem er ein Haus in Holzbauweise errichtete. Dort ist er seit dem 1. August 2008 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Die Fahrtstrecke zwischen R... und L... beträgt bei Benutzung von Bundesautobahnen etwa 540 Kilometer.

Der Beklagte stellte am 26. März 2003 den Antrag auf einen begünstigten Erwerb von Waldflächen zur Neueinrichtung eines Forstbetriebs. Zu diesem Zweck gab der Beklagte am 13. Mai 2003 eine Verpflichtungserklärung ab, wonach er seinen Hauptwohnsitz (Lebensmittelpunkt), soweit noch nicht geschehen, binnen zwei Jahren nach Abschluss des Kaufvertrags in die Nähe der Betriebsstätte verlegen werde.

Mit notariell beurkundeten Kauf- und Übereignungsverträgen vom 5. September und 28. November 2003 (UR-Nr. 1891/2003 und 2498/2003 des Notars ... in C...) veräußerte die Klägerin an den Beklagten die aus dem Tenor ersichtlichen, überwiegend in der Gemarkung T... gelegenen forstwirtschaftlichen Flächen mit einer Gesamtgröße von rund 180 ha zu einem Kaufpreis von 80.602,15 € und 18.168,65 €.

Unter § 9 der Verträge - Sicherung der Zweckbindung - ist u. a. vereinbart:

"2. Die Verkäuferin ist jeweils berechtigt, ganz oder teilweise von diesem Vertrage zurückzutreten, wenn ...

c) der Käufer seinen Hauptwohnsitz nicht innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss dieses Vertrages in die Nähe der Betriebsstätte verlegt und dort nicht für die Dauer von 20 Jahren nach Abschluss dieses Vertrages beibehält

oder ...

g) wenn feststeht, dass die von dem Käufer für den Abschluss dieses Vertrages gegenüber der Verkäuferin erbrachten Nachweise und Angaben falsch waren."

In einem den Kaufverträgen in der Anlage beigegebenen Betriebskonzept vom 20. Mai 2003 führte der Beklagte u. a. aus: "... meine Motivation ist begründet in dem Streben nach forstlichem Grundvermögen zum Aufbau eines nachhaltigen Forstbetriebes ... ich selbst bin Zahnarzt mit einer gut gehenden Praxis in Hessen, strebe aber nach dem Erwerb von Forst T... in mein dortiges Haus vollständig umzuziehen; meine Einkünfte aus der Verwaltung von eigenen Immobilien ermöglichen mir diesen Schritt ...".

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2005 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass dieser seine Verpflichtung, in der Nähe der Betriebsstätte ortsansässig zu werden, nicht erfüllt habe. Mit anwaltlichem Antwortschreiben vom 14. Oktober 2005 ließ der Beklagte u. a. folgendes mitteilen: "Nachdem mir Herr Dr. R... berichtet hat, er und seine Ehefrau unterhielten daneben wie vor ihren Wohnsitz in R... ..., woselbst auch die beiden Töchter der Eheleute R... zur Schule gehen, h...

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