Leitsatz (amtlich)
1. Der Betreiber eines Online-Marktplatzes ist zur Sperrung von Mitgliedskonten berechtigt, wenn entgegen seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und seinen Grundsätzen die Sperrung eines Accounts umgangen und auf eigene Angebote geboten (sog. Shill Bidding) wird. Ein Unternehmer haftet dabei für das Verschulden seines Angestellten wie für eigenes.
2. Eine Abmahnung vor Sperrung der Accounts ist bei derartigen Verstößen entbehrlich.
Normenkette
BGB §§ 278, 314
Verfahrensgang
LG Potsdam (Beschluss vom 28.04.2009; Aktenzeichen 2 O 124/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Potsdam vom 28.4.2009 (2 O 124/09) wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin begehrt die Freischaltung ihrer drei bei der Verfügungsbeklagten eingerichteten Mitgliedskonten.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des LG vom 28.4.2009 Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO).
Das LG hat durch den angefochtenen Beschluss den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Verfügungsklägerin habe jedenfalls einen Verfügungsgrund gem. §§ 935, 940 ZPO nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Verfügungsklägerin begehre mit ihrem Antrag auf Kontenfreigabe die Vorwegnahme der Hauptsache. Dafür bestehe nur ausnahmsweise ein Verfügungsgrund, nämlich dann, wenn dem Anspruchsgläubiger ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten sei, weil bis dahin ein irreversibler und seine Existenz bedrohender Schaden einträte. Die Verfügungsklägerin habe hierzu nicht hinreichend vorgetragen und eidesstattlich versichert. Für einen etwaigen Verfügungsanspruch aus den §§ 19, 20, 33 GWB habe die Verfügungsklägerin auch nicht ausreichend vorgetragen, wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergebe. Ein Verfügungsanspruch und -grund ergebe sich nicht aus den §§ 858 ff. BGB oder deren Rechtsgedanken. Das Recht der Verfügungsklägerin zur vorläufigen und endgültigen Sperrung sei wie das Recht zur ordentlichen Kündigung als Vertragsbestandteil gewordene AGB der Verfügungsbeklagten von den Parteien vereinbart worden. Die Verfügungsbeklagte habe daher mit der Kontensperrung nichts "in die eigene Hand" genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Verfügungsklägerin mit der zulässigen Beschwerde, der das LG durch Beschluss vom 9.6.2009 nicht abgeholfen hat.
Die Verfügungsklägerin behauptet, ihre wirtschaftliche Existenz sei gefährdet, so dass der Erlass der einstweiligen Verfügung dringlich sei. Sie meint, sie habe einen Verfügungsanspruch unmittelbar aus dem Nutzungsvertrag der Parteien. Außerdem könne sie einen Verfügungsanspruch aus kartellrechtlichen Anspruchsgrundlagen herleiten. Das LG habe außerdem das ihm nach § 938 I ZPO zustehende Ermessen nicht ausreichend ausgeübt.
Die Verfügungsklägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die einstweilige Verfügung wie beantragt zu erlassen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie führt im Einzelnen zu den Verbindungen der Verfügungsklägerin mit M. M., dem Inhaber der bereits gesperrten Accounts "t." und "m." aus sowie den Zusammenhängen der Accounts "s." und "m.". Vom Account "s." sei mehrfach auf Angebote des Accounts "m." geboten und teilweise (mehrfach) die Rückabwicklung vereinbart worden in Fällen, in denen vom Account "s." das höchste Gebot gekommen sei. Als Versandanschrift des Accounts "m." sei Name und Adresse der Verfügungsklägerin angegeben. Auch von dem Account "c." habe die Verfügungsklägerin auf ein Angebot des Anbieters "m." geboten. Von den Accounts "p." (2 × auf Angebot "c." und 1 × auf Angebot "s.") und "s." (1 × auf Angebot "p.") habe die Verfügungsklägerin auf eigene Angebote geboten.
Die Verfügungsbeklagte führt als wichtige Gründe für die Sperrung der Accounts das Bieten auf eigene Angebote durch die Verfügungsklägerin sowie die unzulässige Accountübertragung an, die Verstöße gegen ihre AGB darstellten. Diese Gründe habe sie am 14.5.2009 telefonisch und per E-Mail nachgeschoben.
II. Die zulässige Beschwerde der Verfügungsklägerin ist unbegründet. Der Verfügungsklägerin steht aus keinem Rechtsgrund ein Verfügungsanspruch zu.
1. Der Verfügungsklägerin steht kein vertraglicher Verfügungsanspruch zu. Die Verfügungsbeklagte hat zu recht gem. § 4 Nr. 1 ihrer AGB die Konten der Verfügungsklägerin gesperrt.
a) Unstreitig ist der Mitarbeiter der Verfügungsklägerin M. M. von der Verfügungsbeklagten am 6.9.2006 vom Handel ausgeschlossen und dessen Account "t." gesperrt worden. Die Verfügungsbeklagte hat außerdem glaubhaft gemacht, dass von den Accounts der Verfügungsklägerin aus auf Angebote deren Mitarbeiters M. M. Gebote abgegeben wurden, die dieser über seinen Account "m." unterbreitet hat. Sie hat außerdem glaubhaft gemacht, dass...