Leitsatz (amtlich)
1. Der gekündigte Geschäftsführer einer GmbH hat ein Rechtsschutzinteresse daran, dass der Fortbestand seines Anstellungsverhältnisses festgestellt wird, wenn die Gesellschaft erklärt, sie prüfe, ob weitere Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung eine Kündigung rechtfertigten, und wenn sie im Prozess einen neuen Sachverhalt als Grund für die bereits erklärte fristlose Kündigung nachschiebt.
2. Die Missachtung des Kompetenzgefüges der GmbH durch den Geschäftsführer rechtfertigt eine fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrages nicht, wenn die Gesellschaft keinen bleibenden Schaden erlitten hat und wenn sie zum Zeitpunkt des Ausspruchs der fristlosen Kündigung ihr Vermögen durch das dem Geschäftsführer vorgeworfene Verhalten nicht als gefährdet angesehen hat.
3. Das Nachschieben von Kündigungsgründen erfordert grundsätzlich eine Entscheidung des für eine Kündigung zuständigen Organs der Gesellschaft. Erforderlich ist deshalb auch in einer zweigliedrigen GmbH, in der ein Fremdgeschäftsführer abberufen werden soll, eine erneute Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung.
4. Ermöglicht der Geschäftsführer Mitarbeitern der Gesellschaft die Betankung ihrer Privatfahrzeuge auf Kosten der Gesellschaft, wenn sie sie für Belange der Gesellschaft verwendet haben, und werden damit auch privat veranlasste Kraftstoffkosten bezahlt, rechtfertigt dies die fristlose Kündigung des Geschäftsführers nicht, wenn die Dienstwagenpraxis der Gesellschaft vergleichbar großzügig ist.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 22.03.2007; Aktenzeichen 31 O 40/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 22.3.2007 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/O. - 31 O 40/06 - abgeändert.
Es wird festgestellt,
1. dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung vom 24.4.2006 noch durch die hilfsweise ordentlich zum nächst möglichen Termin ausgesprochene Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt aufgelöst worden ist und zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,
2. dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung vom 1.6.2006 noch durch die hilfsweise ordentlich zum nächst möglichen Termin ausgesprochene Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt aufgelöst worden ist und zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Beklagte, ein ehemaliges Treuhandunternehmen, ist ein Unternehmen der Metallbranche, welches insbesondere Maschinenbaukomponenten entwickelt, herstellt und vertreibt. Zur Geschäftstätigkeit der Beklagten, die Eigentümerin einer Vielzahl von Grundstücken ist, gehört auch die Vermietung von Gebäuden und Flächen. Gesellschafter der Beklagten sind zu 95 % die S. gesellschaft mbH & Co. KG und zu 5 % Herr J.S.
Der am 4.4.1958 geborene Kläger war seit dem 15.3.1983 bei der Beklagten bzw. bei deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Aufgrund Anstellungsvertrages vom 15.12.1995 (Bl. 9-14 d.A.) war er ab dem 1.1.1996 als Fremdgeschäftsführer der Beklagten angestellt.
Nach seinem § 3 war der Geschäftsführervertrag von beiden Vertragsteilen jeweils mit 6-Monatsfrist zum Quartalsende kündbar, wobei vorgesehen war, dass die Beklagte den Anstellungsvertrag nur aus wichtigem, in der Person des Geschäftsführers liegenden Grund kündigen wird. Mit Vollendung des 65. Lebensjahres des Geschäftsführers sollte der Anstellungsvertrag ohne Kündigung enden. § 2 Abs. 3 des Anstellungsvertrages bestimmt, dass die Annahme oder die Gewährung von Darlehen an ein Unternehmen, welches mit der Beklagten in Konkurrenz steht, der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf. Gemäß § 11 des Vertrages musste der Kläger die in der Satzung vorgesehenen Genehmigungspflichten beachten.
Zustimmungspflichtig sind nach § 8 Abs. 1 lit. i) und j) der Satzung der Beklagten (Bl. 77 ff. d.A.) grundsätzlich alle Rechtsgeschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb hinausgehen. Dies sind insbesondere die Aufnahme von Darlehen über den genehmigten Finanzplan hinaus sowie die Gewährung von Darlehen, soweit diese nicht im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs erfolgen und das betriebsübliche Maß übersteigen. Einen von den Gesellschaftern der Beklagten genehmigten Finanzplan gab es nicht.
Als Geschäftsführer bezog der Kläger zuletzt eine Vergütung von 6.391,15 EUR brutto monatlich. Er erhielt von der Beklagten einen Dienstwagen des Typs BMW 530d, ein Dieselfahrzeug. Der Kläger erhielt außerdem zwei Tankkarten für die Vertragstankstellen Aral und Shell, mit denen er auf Rechnung der Beklagten tanken konnte. Diese Ka...