Leitsatz (amtlich)
1. Die Vermieterin kann für die Vergangenheit keine Vorauszahlung auf die Nebenkosten mehr verlangen, wenn - wie hier - bereits Abrechnungsreife vorliegt (vgl. BGH-Urt. v. 4.10.2000 - XII ZR 44/98, NZM 2001, 234 [236] a.E.; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rz. 511, m.w.N.).
2. Die Pflicht des Mieters zur Zahlung des Umsatzsteuerbeitrages entsteht nur, wenn der Vertrag eine ausdrückliche dahingehende Vereinbarung enthält und soweit der Vermieter tatsächlich umsatzsteuerpflichtig ist (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rz. 398, m.w.N.).
3. Ein Vermieter kann als Unternehmer auf die Steuerbefreiung eines Grundstücksumsatzes verzichten, indem er ihn als steuerpflichtig behandelt. Dies geschieht regelmäßig dadurch, dass er die Lieferung des Grundstücks dem Leistungsempfänger unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnung stellt oder in seiner Steueranmeldung als steuerpflichtig behandelt (vgl. BFH, Urt. v. 1.12.1994 - VR 126/92 JURIS; Schmid, NZM 1999, 292).
4. Die allein dem Schuldner zustehende Tilgungsbestimmung kann dieser auch stillschweigend treffen, z.B. durch Zahlung gerade des Betrages einer Schuldsumme oder des unstreitigen Teils einer Forderung (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 366 Rz. 4, m.w.N.).
5. Eine einseitige Erhöhung des Betriebskostenvorschusses durch den Vermieter ist erst nach einer ordnungsgemäßen Abrechnung möglich (vgl. Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 9. Aufl., Rz. 3097).
6. Auch Prozesserklärungen sind als materiell-rechtliche Erklärungen wirksam, wenn unzweifelhaft - wie hier - erkennbar ist, dass der Räumungsklage oder einem sonstigen prozessualen Schriftsatz auch eine entsprechende materiell-rechtliche Bedeutung zukommen soll (BGH, Urt. v. 2.11.1988 - VIII ZR 7/88, MDR 1989, 248 = NJW-RR 1989, 77).
7. Die Erstattung einer Strafanzeige durch die Mieterin gegen den Vermieter kann einen schwerwiegenden Verstoß gegen die mietvertraglichen Pflichten darstellen, der eine fristlose Kündigung des Mietvertrags rechtfertigt (vgl. BVerfG, NZM 2002, 61). Dies gilt namentlich, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gewahrt wird (Schmidt-Futterer-Blanck, Mietrecht, 8. Aufl., § 543 Rz. 179). Über die Kündigung ist dabei unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Neben dem Verhalten des Angezeigten ist zu prüfen, ob die Anzeige im Rahmen der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder in Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten erfolgt ist oder zur Wahrung eigener Interessen.
8. Danach fehlt es an der Verhältnismäßigkeit insb., wenn der Anzeigenerstatter nicht zur Wahrung eigener Interessen handelt, sondern um dem Angezeigten einen Schaden zuzufügen (vgl. Schmidt-Futterer-Blanck, Mietrecht, 8. Aufl., § 543 Rz. 181). Hierzu gehören diejenigen Fälle, in denen der Anzeigende eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit seines Vertragspartners, von der er selbst nicht betroffen ist, zum Anlass einer Anzeige nimmt. Der Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liegt in diesen Fällen im denunziatorischen Charakter der Anzeige. Maßgeblich ist, ob die Anzeige nach den Gesamtumständen angemessen ist. Eine fristlose Kündigung ist in derartigen Fällen möglich, wenn die Anzeige aus Böswilligkeit oder aus nichtigem Anlass erstattet worden ist oder wenn ein Vertragspartner ohne hinreichenden Anlass gegen den anderen Vertragspartner bei den Behörden agiert.
9. Der Streitwert für Räumungsklagen richtet sich nach dem tatsächlich geforderten Mietzins. Ob die Preisvereinbarung gültig ist oder sonstige Einwendungen des Mieters gegen die Höhe der Forderung durchgreifen, spielt für die Bemessung des Streitwerts keine Rolle (Fischer in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., VIII Rz. 226, m.w.N.).
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 27.06.2005; Aktenzeichen 2 O 545/03) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten, unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Berufung und unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Potsdam vom 27.6.2005 - 2 O 545/03 - abgeändert, soweit es die Beklagte zur Zahlung an die Klägerin verurteilt hat. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 25 % und die Beklagte 75 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jede Partei kann die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistungen i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung rückständiger Mietbestandteile i.H.v. Mehrwertsteueranteilen und Nutzungsentschädigungen aufgrund der Vermietung eines Restaurants und eines Biergartens sowie Räumung...