Normenkette
InVorG § 7 Abs. 1 S. 3, § 16 Abs. 1 S. 3, § 28 Abs. 1; VermG §§ 1-2, 3a; VwVfG §§ 28, 41 Abs. 1, § 43 Abs. 1; BGB § 313 S. 2, §§ 839, 892; GG Art. 34
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 11 O 441/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.5.2001 verkündete Urteil des LG Frankfurt (Oder) – Az.: 11 O 441/99 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerinnen nehmen als Erben des ursprünglich Berechtigten die Beklagte auf Zahlung des Verkehrswertes eines von der Beklagten verkauften Grundstücks in Anspruch.
Ursprünglicher Eigentümer des mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten, 930m² großen Grundstücks G.-Straße 10 in S., eingetragen im Grundbuch von S., Gemarkung S., Bl.…, Flur…, Flurstücke… und …, war Herr L.L. Dieser verstarb 1954. Er hinterließ einen am 21.9.1916 in S. geborenen Sohn namens H.L. und eine am 6.12.1919 ebenfalls in S. geborene Tochter namens M.L. Die Erbfolge nach L. bzw. H. ist zwischen den Parteien umstritten.
L.L., der jüdischer Herkunft war, musste das Grundstück im Dezember 1938 im Wege eines Zwangsverkaufs an einen Herrn F. verkaufen, der am 18.8.1939 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde. Durch Beschluss der deutschen Wirtschaftskommission vom 21.9.1948 ging das Grundstück in das Eigentum des Volkes über. Rechtsträger wurde der Rat der Stadt S.
Unter dem 30.11.1990 meldete ein Rechtsanwalt S. im Namen des Herrn H.L. vermögensrechtliche Ansprüche für ehemals jüdisches Eigentum an. In dem Schreiben führte er u.a. aus: „Diese Vermögensgegenstände sind dem jüdischen Eigentümer während der NS-Zeit entzogen worden. Er ist am 5.10.1954 in den USA verstorben. Erben sind seine beiden Kinder, H.L. und M.L. Der Erbnachweis wird auf Verlangen geführt werden.” Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens (Bl. 19) verwiesen. Der Landkreis S. teilte der Beklagten als Verfügungsberechtigter mit Schreiben vom 26.3.1991 unter Beifügung einer Abschrift des Anmeldungsschreibens mit, dass ein Rückübertragungsanspruch angemeldet worden sei (Bl. 20).
Unter dem 23.4.1991 unterbreitete die „R.-GmbH” (im Folgenden: R.-GmbH) der Beklagten ein „Nutzungskonzept für G.-Straße 10 in S.”, auf dessen Inhalt (Bl. 21) verwiesen wird. Daraufhin veräußerte die Beklagte das Grundstück ohne Anhörung der Klägerinnen zu einem Preis von 396.000DM an die R.-GmbH. In dem notariellen Kaufvertrag vom 25.4.1991 (UR Nr. 283/1991 des Notars F. in B.) verpflichtete sich die Käuferin unter § 2 Abs. 2 dazu, „unverzüglich nach Übergang von Nutzen und Lasten und nach Vorliegen der Baugenehmigung …. mit den von ihr beabsichtigten Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten zu beginnen.” Der Beklagten als Verkäuferin wurde für den Fall der Nichterfüllung dieser Bestimmung ein Rücktrittsrecht vom Kaufvertrag eingeräumt, das „mit dem Beginn der Arbeiten in einer Gewerbeeinheit” erlöschen sollte (§ 4 Abs. 2 des Vertrags). Am 31.5.1991 erließ die Beklagte eine „Bescheinigung gem. Punkt 4. § 3a Abs. 1 des Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen”, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 40). Auch dieser Bescheid wurde den Klägerinnen nicht bekannt gegeben.
Am 17.12.1993 verkaufte die am 15.10.1992 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragene R.-GmbH das Grundstück zu einem Preis von 1.375.000DM weiter an die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus Herrn S. (gleichzeitig Geschäftsführer der R.-GmbH) und Herrn G. Diese übernahmen in § 6 des Kaufvertrages die Investitionsverpflichtung gegenüber der Beklagten im Innenverhältnis gegenüber der R.-GmbH. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Vertrages (Bl. 42 bis 60) Bezug genommen. Am 16.4.1996 wurden Herr S., Herr G. und die zwischenzeitlich der Gesellschaft bürgerlichen Rechts beigetretene R.-Geschäftsführungs- und Verwaltungs GmbH in B. in Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Mit Bescheid vom 13.5.1998, der bestandskräftig geworden ist, lehnte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen des Kreises M. den Antrag der Klägerinnen auf Rückübertragung des Grundstücks G.-Straße 10 in S. nach Feststellung der Voraussetzungen des Entziehungstatbestandes des § 1 Abs. 6 VermG ab, da das Grundstück für investive Zwecke veräußert worden sei. Gleichzeitig stellte es den Anspruch der Klägerinnen auf Erlösauskehr gegen die Beklagte fest. Diese zahlte an die Klägerinnen in der Folge 396.000DM.
Die Klägerinnen haben unter Vorlegung von Erbscheinen nach L.L. und H.L. (Bl. 244 f.), auf deren Inhalt verwiesen wird, behauptet, die Klägerin zu 2) sei als Tochter des Herrn L.L., die Klägerin ...