Leitsatz (amtlich)
Der Tatbestand der Gebührenüberhebung (§ 352 StGB) ist nicht erfüllt, wenn der Rechtsanwalt seine Forderung auf eine zwar nicht der Form des § 3 Abs. 1 BRAGO genügende, aber inhaltlich zulässige Honorarvereinbarung stützt.
Gründe
Durch Strafbefehl vom 11.8.2003 hat das AG gegen den Angeklagten eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 180 Euro wegen des Vorwurfs der versuchten Gebührenüberhebung nach den §§ 352, 22, 23 StGB verhängt. Dabei ist es von folgendem Sachverhalt ausgegangen: Der Angeklagte, der als Rechtsanwalt überwiegend in Strafsachen tätig ist, sei im Jahre 2000 von den Mandanten R. und M. B. beauftragt worden, im Rahmen der Abwicklung einer GmbH gegen deren ehemaligen Geschäftsführer S. eine Strafanzeige wegen Unterschlagung zu erstatten und den Mandanten M. B. in einer diesen persönlich betreffenden Strafsache zu verteidigen. Der Angeklagte habe vor Annahme des Auftrags erklärt, dass er nicht zu den gesetzlichen Gebühren, sondern nur gegen ein Zeithonorar von 500 DM pro Stunde tätig werde. Die Mandanten seien damit auch einverstanden gewesen und hätten daraufhin die vorstehend umrissenen Aufträge erteilt. Anschließend habe der Angeklagte dem Mandanten M. B. eine schriftliche Honorarerklärung i.S.d. § 3 Abs. 1 BRAGO zugesandt, habe diese aber nicht zurückgesandt erhalten. Unter dem 30.5.2000 habe er schließlich dem Mandanten M. B. eine Rechnung über 891,62 Euro (für zwei Stunden und 55 Minuten anwaltlicher Tätigkeit) zzgl. Nebengebühren übersandt. Nachdem der Mandant sich nicht gerührt habe, habe der Angeklagte diese Forderung im Mahnverfahren gerichtlich geltend gemacht. Nach Widerspruch gegen den Mahnbescheid und nach mündlicher Verhandlung vor dem AG sei der Angeklagte ausdrücklich auf § 3 BRAGO hingewiesen worden und habe daraufhin seinen Klageanspruch auf die gesetzliche Anwaltsgebühr von 136,04 Euro vermindert. In Höhe dieses Betrages sei am 30.11.2002 ein verurteilendes Erkenntnis gegen M. B. ergangen.
Nach Zustellung des vorgenannten Strafbefehls am 15.8.2003 und nach Einspruch des Angeklagten am 19.8.2003 hat das AG Braunschweig Termin zur Hauptverhandlung auf den 20.10.2003 bestimmt. In dieser Verhandlung hat es den Angeklagten unter ausdrücklicher Abänderung der noch bei Strafbefehlserlass vertretenen Rechtsauffassung aus Rechtsgründen freigesprochen. Dabei ist es in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft und der herrschenden Rechtsprechung zwar davon ausgegangen, dass die Erhebung einer Vergütung aus einer Honorarvereinbarung den Tatbestand des § 352 StGB erfüllen könne. Es ist jedoch weiter davon ausgegangen, dass das nur im Falle einer unzulässigen Honorarvereinbarung der Fall sei, während die vorliegend vom Angeklagten getroffene Honorarvereinbarung wohl formwidrig, im Ergebnis aber nicht unzulässig gewesen sei.
Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision unter Erhebung der allgemeinen Sachrüge und unter Verweisung auf Stimmen in Rechtsprechung und Literatur. Außerdem ist sie der Auffassung, dass der Angeklagte gleichzeitig den Tatbestand des versuchten Betruges erfüllt habe. Die Staatsanwaltschaft beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des AG zurückzuverweisen. Die Generalstaatsanwaltschaft unterstützt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das AG Braunschweig zurückzuverweisen.
Der Angeklagte beantragt, die Revision der Staatsanwaltschaft zu verwerfen.
II. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist nach § 335 Abs. 1 StPO ohne weiteres statthaft, da die Sprungrevision gegen ein Urteil des AG nicht dem (hier einschlägigen) Annahmevorbehalt unterliegt, dem Berufungen gegen Urteile des AG nach § 313 StPO unterliegen (herrschende Rspr.; vgl. die zahlreichen Nachweise bei KKStPO/Kuckein, 5. Aufl., § 335 Rz. 16). Die Revision ist auch im Übrigen zulässig, insb. rechtzeitig eingelegt und begründet, sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das AG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte sich nicht einer versuchten Straftat schuldig gemacht hat, weil sein Handeln weder auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Gebührenüberhebung, noch auf denjenigen des Betruges gerichtet war.
1. Nach § 352 Abs. 1 StGB liegt eine Gebührenüberhebung u.a. dann vor, wenn ein Rechtsanwalt Gebühren oder Vergütungen geltend macht, von denen er weiß, dass der Zahlende sie zumindest nicht in der verlangten Höhe schuldet. Ob der Mandant des Anwalts die verlangten Gebühren "schuldet", bestimmt sich im Falle einer - hier vorliegenden - Honorarvereinbarung nach § 3 Abs. 1 S. 1 u. 2 BRAGO. Danach kann der Anwalt eine höhere als die gesetzliche Vergütung nur fordern, wenn der Mandant sein Einverständnis mit einer entsprechenden Vereinbarung in schriftlicher Form erklärt hat; wird die Schriftform nicht eingehalten, zahlt der Auftraggeber aber dennoch freiwill...