Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Rechtsmissbrauchs i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG, wenn ein Verband zur Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder die in einer Gemeinschaftswerbung aufgeführten 16 Mitglieder einer Verbundgruppe von Einzelhandelsgeschäften jeweils separat auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch nimmt.
Besteht für die Teilnehmer einer Gemeinschaftswerbung kein einheitlicher Gerichtsstand, ist der Kläger nicht verpflichtet, vor Durchführung des Klageverfahrens einen Antrag auf Bestimmung des Gerichtsstandes nach § 36 ZPO zu stellen.
Normenkette
UWG §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, Abs. 4, § 12 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 14.11.2012; Aktenzeichen 52 O 30/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.11.2012 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Potsdam - 52 O 30/12 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 30.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, nimmt die Beklagten, die zu einer Verbundgruppe von mehr als 100 als GmbH betriebenen Einzelhandelsgeschäften gehören, auf Unterlassung einer Gemeinschaftswerbung sowie Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.
Die Beklagten warben in einem Werbeprospekt, der der Tageszeitung "..." vom 13.1.2012 beilag, auf Seite 2 für den Siemens Waschvollautomaten WM 16S443 unter Wiedergabe eines Testurteils der Stiftung Warentest. Die Fundstellenangabe dazu, in welcher Quelle der erwähnte Test nachgelesen werden kann, wurde der Anzeige nur in einer Schriftgröße unterhalb einer Sechs-Punkt-Schriftgröße wiedergegeben. Am Ende der Anzeige werden die Namen und Anschriften von insgesamt 16 zur M.-Gruppe gehörenden Gesellschaften in Berlin und Brandenburg genannt, darunter auch die der Beklagten. Auf die Anlage K 1 zur Klageschrift wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 31.1.2012 mahnte der Kläger sämtliche in der Anzeige aufgeführten M.-Gesellschaften, darunter auch die Beklagten, ab und forderte sie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Zugleich forderte der Kläger in jedem Abmahnschreiben die Abgabe einer Vertragsstrafeverpflichtung für jeden Fall der Zuwiderhandlung i.H.v. 5.100 EUR sowie die Erstattung der ihm entstandenen Aufwendungen i.H.v. jeweils 166,60 EUR.
Die Beklagten wiesen mit anwaltlichem Schreiben vom 6.2.2012 den geltend gemachten Unterlassungsanspruch zurück.
Der Kläger erwirkte daraufhin vor dem LG Berlin gegen die 10 in der Anzeige genannten, in Berlin ansässigen M.-Gesellschaften sowie vor dem LG Potsdam am 21.2.2012 gegen die in Brandenburg ansässigen M.-Gesellschaften, darunter auch die am Berufungsverfahren noch beteiligten Beklagten, jeweils eine einstweilige Verfügung (Az.: LG Berlin 52 O 43/12 und LG Potsdam 52 O 16/12). Die Beklagten legten gegen die gegen sie ergangene einstweilige Verfügung des LG Potsdam keinen Widerspruch ein, gaben jedoch auf Aufforderung des Klägers mit Schreiben vom 6.3.2012 keine Abschlusserklärung ab.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger Hauptsacheklage erhoben und die Klage zunächst auch gegen die M. GmbH S. (frühere Beklagte zu 1.), die M. GmbH B. (frühere Beklagte zu 3.) und die M. GmbH O. (frühere Beklagte zu 6.) gerichtet. Nach deren Rüge der örtlichen Zuständigkeit des LG Potsdam hat das LG auf Antrag des Klägers das Verfahren gegen die früheren Beklagten zu 1., 3. und 6. abgetrennt und an das LG Frankfurt/O. bzw. das LG Neuruppin verwiesen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen,
1. es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Elektrogeräte, insbesondere den Siemens Waschvollautomat WM 16S443 mit der Wiedergabe von Testurteilen zu werben, ohne die Fundstelle der Veröffentlichung des Tests in leicht und eindeutig lesbarer Druckgröße wiederzugeben, sofern dies geschieht wie in Anlage K 1 wiedergegeben;
2. an ihn je 166,60 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage (21.4.2012 bzw. 24.4.2012) zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben geltend gemacht, das Vorgehen des Klägers sei rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG, indem er von jedem der Beklagten die volle Abmahnpauschale fordere, obwohl es sich nur um die Versendung von vervielfältigten wortgleichen Abmahnschreiben handele. Zudem habe der Kläger alle 16 Teilnehmer der Gemeinschaftswerbung in zwei getrennten Verfügungs- und Hauptsacheverfahren in Anspruch genommen und damit unnötige Rechtsverfolgungskosten verursacht, anstatt eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 ZPO vornehme...