Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Darlegungs- und Beweislast des Abänderungsklägers, der sich auf seine Leistungsunfähigkeit wegen Strafthaft beruft
Leitsatz (amtlich)
1. Der einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit ausgesetzte Unterhaltspflichtige, der sich auf seine vollständige Leistungsunfähigkeit beruft, ist doppelter Hinsicht darlegungsbelastet: einerseits hat er seine tatsächlichen Einkünfte darzutun (tatsächliche Leistungsunfähigkeit) und andererseits zu seiner Möglichkeit der Erzielung von Einkünften vorzutragen (fiktive Leistungsunfähigkeit).
2. Zur Darlegungslast eines Häftlings im Rahmen des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB.
Normenkette
BGB §§ 1360, 1360a, 1603 Abs. 2; ZPO § 323
Verfahrensgang
AG Oranienburg (Urteil vom 13.03.2007; Aktenzeichen 33 F 188/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 13.3.2007 verkündete Urteil des AG Oranienburg (33 F 188/06) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Berufungswert beträgt 4.300,99 EUR.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten um die Abänderung eines zugunsten des Beklagten bestehenden Kindesunterhaltstitels.
Der Kläger ist der Vater des am ... 1990 nichtehelich geborenen Beklagten. Der Beklagte lebt bei seiner Mutter in H, die für ihn die alleinige elterliche Sorge ausübt. Aufgrund eines rechtskräftigen Urteils des LG Stade vom 22.1.1997 (Az. - 2 S 129/96) ist der Kläger derzeit zu Unterhaltszahlungen an den Beklagten i.H.v. monatlich 701 DM (= 358,42 EUR) verpflichtet.
Der Kläger ist verheiratet. Seine Ehefrau ist als Lehrerin in Hamburg beschäftigt und verdient monatlich netto mindestens 3.543,83 EUR.
Mit rechtskräftigem Urteil des LG Hamburg vom 7.7.2005 (622 Ks 25/04 6500 Js 139/04) ist der Kläger wegen versuchter Beteiligung an einem Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und versuchten Erwerbs und Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Seit Oktober 2004 war er wegen der vorgenannten Tat inhaftiert.
Der Kläger war vormals Beamter. Das Beamtenverhältnis ist durch den Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils des LG Hamburg im Februar 2006 beendet worden. In der Gefängnisbibliothek arbeitet der Kläger derzeit 3 Stunden täglich und bezieht dafür mindestens 70 EUR monatlich, von denen er mindestens 25-28 EUR monatlich zur persönlichen Verwendung erhält.
Der Kläger hat behauptet, zur Zahlung des titulierten Unterhaltsanspruchs, insbesondere unter Beachtung seines Einkommens nicht in der Lage zu sein. Vermögenswerte habe er nicht, eine früher bestehende Lebensversicherung sei eine Risikolebensversicherung gewesen und bereits seit Jahren beendet.
Der Kläger hat beantragt, das Urteil des LG Stade vom 22.1.1997 (Az. 2 S 129/96) dahingehend abzuändern, dass er mit Wirkung ab dem 2.8.2006 zur Zahlung von Kindesunterhalt an den Beklagten bis 23.4.2009 nicht mehr verpflichtet sei.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe sich als Vermögenswert eine Lebensversicherung zurechnen zu lassen. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Kläger eine leistungsfähige Ehefrau habe, und er insoweit in der Lage sei, den Unterhaltsanspruch des Beklagten zu befriedigen.
Mit dem am 13.3.2007 verkündeten Urteil hat das AG Oranienburg das Urteil des LG Stade vom 22.1.1997 (Az. - 2 S 129/96) dahingehend abgeändert, dass der Kläger ab August 2006 dem Beklagten gegenüber zur Zahlung von Kindesunterhalt nicht mehr verpflichtet sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er in Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens zur mangelnden Darlegung der Leistungsunfähigkeit des Klägers vorträgt. Insoweit vertritt er die Auffassung, der Kläger müsse auch einen ihm gegen seine Ehefrau zustehenden Taschengeldanspruch geltend machen. Zudem behauptet er, der Kläger befinde sich bereits Ende Mai 2007 im freien Vollzug und sei im Oktober 2007 endgültig entlassen worden.
Der Beklagte beantragt, in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Insoweit behauptet er, die Ehefrau des Klägers habe derart hohe Ausgaben, dass ein zugunsten des Klägers einzusetzendes verbleibendes Einkommen nicht zur Verfügung stehe.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Berufung des Beklagten führt zum Erfolg. Der Kläger hat einen Abänderungsanspruch nicht schlüssig dargetan. Aus diesem Grunde kann auch dahinstehen, ob das AG - wie es der Beklagte im Rahmen seiner Berufungsbegründung vertreten hat - verfahrensfehlerhaft Vorbringen des Beklagten übergangen bzw. über den Antrag des Klägers unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO hinausgegangen ist.
1. Der Kläger hat bereits die grundlegenden Tatsachen, die bei Erhebung einer Abänderungsklage vorzubringen sind, nicht schlüssig dargetan. Die ...