Leitsatz

1. In der Gebäudeversicherung ergibt die ergänzende Vertragsauslegung einen Regressverzicht des Versicherers für die Fälle, in denen der Mieter einen Schaden am Gebäude durch leichte Fahrlässigkeit verursacht hat; dem Versicherer ist der Regress auch dann verwehrt, wenn der Mieter eine Haftpflichtversicherung unterhält, die Ansprüche wegen Schäden an gemieteten Sachen deckt (Bestätigung und Fortführung von BGHZ 145, 393).

2. Eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung des Gebäudeschadens durch einen Dritten ist dem Mieter nur zuzurechnen, wenn der Dritte sein Repräsentant war; § 278 BGB ist nicht anwendbar.

(amtliche Leitsätze des BGH)

 

Normenkette

BGB § 538

 

Kommentar

In dem zur Entscheidung stehenden Fall waren Räumlichkeiten in einem Einkaufszentrum an den Betreiber eines Verbrauchermarkts vermietet. Zu dem Verbrauchermarkt gehörte eine Laderampe. Dort hatten Mitarbeiter des Verbrauchermarkts mehrere Paletten mit Pappkartons und anderem Verpackungsmaterial zum Zwecke der Abholung durch einen Lkw bereitgestellt. Das Verpackungsmaterial geriet in Brand, weil ein 15-jähriger Jugendlicher, der sich unbefugt auf der Rampe aufgehalten hatte, eine noch glimmende Zigarettenkippe in einen der Pappkartons geworfen hatte. Das Feuer griff auf das Gebäude über, das durch den Brand völlig zerstört wurde. Der Feuerversicherer hat den Eigentümer entschädigt und den Mieter auf Ersatz des Brandschadens in Anspruch genommen. Der Mieter war seinerseits haftpflichtversichert. Bei dieser Konstellation stellt sich die Frage, ob der Gebäudeversicherer beim Mieter Regress nehmen kann, wenn dieser den Brand fahrlässig verursacht.

1. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung ist der Gebäudeversicherungsvertrag dahin ergänzend auszulegen, "dass ihm ein Regressverzicht des Versicherers für die Fälle zu entnehmen ist, in denen der Mieter einen Schaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat" (sog. "versicherungsrechtliche Lösung", BGH, Urteil v. 8.11.2000, IV ZR 298/99, BGHZ 145, 393; Urteil v. 14.2.2001, VIII ZR 292/98; Urteil v. 3.11.2004, VIII ZR 29/04; Urteil v. 12.12.2001, XII ZR 153/99).

Eine Ausnahme gilt, "wenn die Vertragsparteien ausdrücklich oder sonst hinreichend deutlich etwas anderes vereinbart haben". Der Regressverzicht gilt auch dann, wenn der Mieter haftpflichtversichert ist und er deshalb seine Versicherung in Anspruch nehmen könnte (BGH, Urteil v. 8.11.2000, IV ZR 298/99, BGHZ 145, 393). An dieser Rechtsprechung hält der BGH fest. Maßgeblich hierfür ist die zwischen den Beteiligten bestehende Interessenlage. Der Vermieter ist daran interessiert, dass das Verhältnis zum Mieter unbelastet bleibt. Der Mieter darf erwarten, dass ihm der Versicherungsschutz des Vermieters zugute kommt, weil er die Versicherungsprämie durch die Mietzahlung finanziert. Dies gilt unabhängig davon, ob die Betriebskosten gesondert auf den Mieter umgelegt werden oder ob sie in der Miete enthalten sind. Der Versicherer hat die Möglichkeit, die Prämie so zu kalkulieren, dass das Risiko abgedeckt wird.

2. In einem weiteren Teil der Entscheidung befasst sich der BGH mit der Frage, ob ein Mieter grob fahrlässig handelt, wenn er brennbares Material unbeaufsichtigt lässt. Der BGH lässt offen, ob grobe Fahrlässigkeit anzunehmen ist, wenn das Material längere Zeit unbeaufsichtigt bleibt. Vorliegend wurde die Zigarettenkippe ca. 15 Minuten nach dem Herausstellen des Verpackungsmaterials in den Pappkarton geworfen. In einem solchen Fall fällt dem Mieter jedenfalls keine grobe Fahrlässigkeit zur Last. Für das Verhalten des Brandstifters muss der Mieter nicht einstehen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 13.09.2006, IV ZR 378/02, GuT 2006, 319 = WuM 2006, 631

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