Jan Curschmann, Daniel Coelho Moreira
1. Beschlusserfordernisse
Rz. 27
Der Gesellschaftsvertrag kann bestimmte unternehmerische Entscheidungen von einem Gesellschafterbeschluss abhängig machen und gesellschaftsrechtliche Vorgaben des CC – soweit nicht zwingend – abändern, Art. 1071 CC. Ein Beispiel ist die Vereinbarung bestimmter Erfordernisse für die Abtretung von Gesellschaftsanteilen an Gesellschafter oder Dritte, Art. 1057 CC (Vinkulierung). Auch kann der Gesellschaftsvertrag bei der Abtretung an Dritte ein Vorkaufsrecht der übrigen Gesellschafter vorsehen.
2. Mehrheitserfordernisse
Rz. 28
Der Gesellschaftsvertrag kann für bestimmte oder sämtliche Gesellschafterbeschlüsse eine höhere als die einfache Mehrheit vorschreiben, Art. 1076 Abs. 3 CC. Umgekehrt kann das gesetzliche Quorum in bestimmten Fällen erleichtert werden: Wurde einem Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführung übertragen, so kann seine Abberufung durch eine geringere als die im Gesetz vorgesehene absolute Mehrheit ermöglicht werden (Art. 1063 § 1 CC i.d.F. der Lei 13.792/19). Die Umwandlung einer Gesellschaft kann durch Mehrheitsbeschluss (statt einstimmig) erfolgen, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht, Art. 1114 CC. Mehrfachstimmrechte sind unzulässig; das wird aus Art. 110 § 2 der Lei 6.404/1976 hergeleitet. Zu den Quoren siehe näher Rdn 77 ff.
3. Gewinn- und Verlustbeteiligung
Rz. 29
Es ist nicht erforderlich, dass die Beteiligung eines Gesellschafters am Gewinn und Verlust der Limitada dem anteiligen Wert seines Geschäftsanteils am Gesellschaftskapital der Limitada entspricht. Ausgeschlossen sind nur vertragliche Vereinbarungen, welche einzelne Gesellschafter von der Gewinn- und Verlustbeteiligung ausschließen, Art. 1008 CC.
4. Gesellschafterversammlung
Rz. 30
Die jährlich mindestens einmal durchzuführende Gesellschafterversammlung hat spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres zu erfolgen, Art. 1078 CC. Bei Gesellschaften mit nicht mehr als zehn Gesellschaftern kann der Gesellschaftsvertrag die Beschlussfassung in einfacher Sitzung (reunião) statt in der Gesellschafterversammlung (assembléia) zulassen, Art. 1072 § 1 CC. In diesem Fall sollte der Gesellschaftsvertrag diese Art der Beschlussfassung zugleich näher ausgestalten, da anderenfalls die Vorschriften über die Gesellschafterversammlung (assembléia) entsprechende Anwendung finden, Art. 1072 § 6, 1079 CC. Die Ausgestaltung der Beschlussfassung in einfacher Sitzung sollte insbesondere Regeln zur Einberufung, Beschlussfähigkeit, Periodizität und zum Ablauf der Sitzungen enthalten.
Rz. 31
Die reunião ist wie die assembléia durch die Geschäftsführer in den gesetzlich oder im Gesellschaftsvertrag bestimmten Fällen einzuberufen, Art. 1072 CC. Ergänzend gelten die subsidiären Einberufungsrechte für Einzelgesellschafter, eine Minderheit von einem Fünftel des Gesellschaftskapitals und ggf. des Aufsichtsrats nach Art. 1073 CC. Eine ordnungsgemäße Einberufung erfordert zumindest, dass jeder Gesellschafter durch einfache Mitteilung an die Anschrift seines Wohnsitzes oder durch E-Mail in angemessener Frist benachrichtigt wird; die Veröffentlichungspflicht für die Einberufung gilt als dispositiv. Die Einberufungsfrist ist angemessen, wenn die erste Einberufung acht Tage, eine zweite Einberufung fünf Tage vor dem Sitzungstermin erfolgt, vgl. Art. 1152 § 3 CC und Art. 124 § 1 der Lei 6.404/1976. Ein formeller Mangel der Einberufung wird geheilt, wenn alle Gesellschafter zur Sitzung erscheinen, vgl. Art. 1072 § 2 CC, Art. 124 § 4 der Lei 6.404/1976.
Rz. 32
Die Beschlussfähigkeit der reunião kann abweichend von den gesetzlichen Vorgaben der assembléia geregelt werden; beispielsweise kann schon für die erste Einberufung die Beschlussfähigkeit bei Anwesenheit der Mehrheit des Gesellschaftskapitals (statt der gesetzlich bei der assembléia erforderlichen 3/4-Mehrheit, Art. 1074 CC) bestimmt werden. Assembléia und reunião finden grundsätzlich am Sitz der Gesellschaft statt, wenn nichts anders im Gesellschaftsvertrag bestimmt. Nach Art. 1075 § 2 CC ist das Versammlungsprotokoll beim Handelsregister zu archivieren.
Rz. 33
Die Gesellschafterversammlung mit Teilnahme und Stimmabgabe der Gesellschafter kann auch auf digitalem Wege durchgeführt werden (Art. 1080-A CC i.d.F. der Lei 14.030/20).
Rz. 34
Die Vorschriften über die jährliche Abhaltung einer Gesellschafterversammlung gelten auch für kleine Gesellschaften, die für die Beschlussfassung in einfacher Sitzung (reunião) optiert haben, da auch diese zur jährlichen Errichtung der Vermögensaufstellung und der Gewinn- und Verlustrechnung verpflichtet sind, Art. 1065, 1179 CC.
5. Auflösung der Gesellschaft
Rz. 35
Die im CC nicht mehr vorgesehenen personalistisch geprägten Auflösungsgründe der aufgehobenen Art. 335, 336 Código Comercial können gleichwohl im Gesellschaftsvertrag vorgesehen werden, Art. 1053 i.V.m. Art. 1035 CC. Insbesondere können die Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft im Falle des Todes eines Mitgesellschafters vereinbaren, Art. 1053 i.V.m. Art. 1028 Abs. 1 CC. Zur Auflösung siehe auch Rdn 120 ff.
6. Subsidiäre Anwendung des Aktienrechts
Rz. 36
Insbesondere große, durch eine Vielzahl von Gesellschaftern geprägte Limitadas sind...