Jan Curschmann, Daniel Coelho Moreira
1. Gesellschafterversammlung
Rz. 73
Nach Art. 1072 CC werden die Beschlüsse entweder in Versammlungen (assembléias) oder in Sitzungen (reuniões) getroffen. Hat die Gesellschaft mehr als zehn Gesellschafter, muss sie die Beschlüsse in Versammlungen treffen (Art. 1072 § 1 CC). Anderenfalls bleibt die Wahl zwischen Versammlung und Sitzung dem Gesellschaftsvertrag überlassen. Das Gesetz regelt im Detail allein die Versammlung; Einberufung und Ablauf der Sitzungen können dagegen weit gehend frei im Gesellschaftsvertrag ausgestaltet werden (vgl. Rdn 30 ff.). Ist der Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der Sitzung lückenhaft, sind die Bestimmungen über die Versammlung entsprechend anwendbar, Art. 1072 § 6, Art. 1079 CC. Die Beschlussfassung in Versammlungen bzw. Sitzungen ist entbehrlich, wenn alle Gesellschafter schriftlich über den Gegenstand der Versammlung entscheiden, Art. 1072 § 3 CC.
2. Einberufung
Rz. 74
Die Versammlung bzw. Sitzung wird durch die Geschäftsführer in den im Gesetz oder im Gesellschaftsvertrag vorgeschriebenen Fällen einberufen, Art. 1072 CC. Versäumen die Geschäftsführer die Einberufung, hat unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen jeder Gesellschafter sowie ggf. der Aufsichtsrat das Recht zur Einberufung, Art. 1073 Abs. 1, 2 i.V.m. Art. 1069 Abs. 5 CC. Minderheitsgesellschafter mit Anteilen in Höhe eines Fünftels des Gesellschaftskapitals können ein begründetes Einberufungsbegehren an die Geschäftsführung stellen und die Versammlung, bleibt das Begehren ohne Erfolg, nach acht Tagen selbst einberufen, Art. 1073 Abs. 1 CC. In schwerwiegenden und dringenden Fällen hat der Aufsichtsrat das Recht zur Einberufung, Art. 1073 Abs. 2 i.V.m. Art. 1069 Abs. 5 CC.
Rz. 75
Nach Art. 1152 §§ 1 und 3 CC ist die Einberufung der Gesellschafterversammlung dreimal in der Tagespresse oder einem amtlichen Mitteilungsblatt zu veröffentlichen. Diese Formalitäten sind entbehrlich, wenn alle Gesellschafter erklären, dass ihnen Ort, Datum, Uhrzeit und Tagesordnung der Versammlung bekannt sind; eine fehlerhafte Einberufung wird geheilt, wenn sämtliche Gesellschafter zur Versammlung erscheinen, Art. 1072 § 2 CC.
3. Ablauf
Rz. 76
Die Gesellschafterversammlung (assembléia) ist beschlussfähig, wenn Anteilsinhaber von drei Vierteln des Gesellschaftskapitals anwesend sind; muss die Versammlung erneut einberufen werden, ist sie mit jeder Zahl von Gesellschaftern beschlussfähig, Art. 1074 CC. Für die Sitzung (reunião) kann der Gesellschaftsvertrag Abweichendes regeln. Gesellschafter sind von der Abstimmung ausgeschlossen, sofern sie der Gegenstand des Beschlusses unmittelbar betrifft (Art. 1074 § 2 CC). Ein Gesellschafter, der trotz Interessenkonfliktes an der Abstimmung in der Gesellschafterversammlung teilnimmt, haftet gem. Art. 1053 i.V.m. Art. 1010 § 3 CC. Vorsitz und Schriftführung der Versammlung werden anwesenden Gesellschaftern übertragen, Art. 1075 CC.
4. Mehrheit
Rz. 77
Gesellschafterbeschlüsse erfolgen grundsätzlich mit der Stimmenmehrheit der Anwesenden (Art. 1076 Abs. 3 CC; im Folgenden: einfache Mehrheit). Die Stimme jedes Gesellschafters ist nach seinem Anteil am Gesellschaftskapital gewichtet, Art. 1072 i.V.m. Art. 1010 CC. Es gibt indes hiervon abweichende gesetzliche Quoren für bestimmte Materien; dazu gehören die Einstimmigkeit, die Mehrheit von drei Vierteln des Gesellschaftskapitals (Art. 1076 Abs. 1 CC; im Folgenden: ¾-Mehrheit) und die Mehrheit des Gesellschaftskapitals (Art. 1076 Abs. 2 CC; im Folgenden: absolute Mehrheit).
Rz. 78
Eines einstimmigen Beschlusses bedürfen:
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Umwandlung, Art. 1114 CC (soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt); |
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Auflösung einer befristeten Gesellschaft vor Zeitablauf (Art. 1087 i.V.m. Art. 1044 i.V.m. Art. 1033 Abs. 2 CC); |
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Ernennung eines Nicht-Gesellschafters zum Geschäftsführer vor vollständiger Einzahlung des Stammkapitals (Art. 1061 CC). |
Rz. 79
Eine ¾-Mehrheit erfordern:
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Änderungen des Gesellschaftsvertrags (Art. 1076 Abs. 1 i.V.m. Art. 1071 Abs. 5 CC); |
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Übernahme, Verschmelzung und Auflösung (Art. 1076 Abs. 1 i.V.m. Art. 1071 Abs. 6 CC). |
In diesen Fällen gibt Art. 1077 CC dem in der Abstimmung unterlegenen Gesellschafter ein 30-tägiges Austrittsrecht.
Rz. 80
Eine absolute Mehrheit erfordern:
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Ernennung bzw. Abberufung von Geschäftsführern ohne Änderung des Gesellschaftsvertrags, Art. 1076 Abs. 2 i.V.m. Art. 1071 Abs. 2, 3 CC (Ausnahmen in Art. 1061 und Art. 1063 § 1 CC; siehe näher Rdn 90 ff.); |
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Festlegung des Verdienstes der Geschäftsführer (Art. 1076 Abs. 2 i.V.m. Art. 1071 Abs. 4 CC); |
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Insolvenzanmeldung (Art. 1076 Abs. 2 i.V.m. Art. 1071 Abs. 8 CC); |
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Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grunde. |
5. Abstimmung
Rz. 81
Jeder Gesellschafter kann sich in der Versammlung durch einen anderen Gesellschafter oder durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen (Art. 1074 § 1 CC).
6. Eintragung im Handelsregister
Rz. 82
Versammlungsprotokolle sind gem. Art. 1075 § 2, 1083, 1084 § 3 CC beim Handelsregister (Registro Público de Empresas Mercantis) einzureichen. Für sie gilt die negative Publizität des Handelsregisters, Art. 1154 CC. Lässt sich ein Gesellschafter ...