Prof. Dr. jur. Tobias Huep, Duygu Bahadir
1 Grundlagen der Brückenteilzeit
Mit § 9a TzBfG wurde zum 1.1.2019 ein Anspruch auf "zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit" in das Teilzeit- und Befristungsgesetz aufgenommen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, das "Gesamtpaket" der Arbeitszeitreduzierung abzurunden. Zwar konnten Beschäftigte gemäß § 8 TzBfG ihre Arbeitszeit in der Vergangenheit reduzieren, hatten aber keinen gesetzlichen Anspruch auf spätere Rückkehr zu ihrer ursprünglichen Arbeitszeit.
Der Gesetzgeber ging davon aus, dass Beschäftigte ihren Anspruch auf Arbeitszeitreduzierung oftmals nicht geltend machten, weil sie fürchten mussten, nach einer Reduzierung der Arbeitszeit nicht mehr ohne Weiteres zur vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zurückkehren zu können. Um diese Unsicherheiten zu vermeiden, gibt es nunmehr auch einen gesetzlichen Anspruch auf Rückkehr zur ursprünglichen Arbeitszeit. Die Beschäftigten, aber auch die Unternehmen, erhalten auf diese Weise Planungssicherheit in den Fällen von vorübergehender Arbeitszeitreduzierung. Insbesondere soll im Hinblick auf die Elternzeit die Fortsetzung des Karriereweges für den Elternteil, welcher beruflich "zurücksteckt", erleichtert werden. Darüber hinaus lag bisher die Beweislast beim Arbeitnehmer, dass es einen freien Arbeitsplatz gibt und er für diesen geeignet ist. Nach § 9a Abs. 2 Satz 1 TzBfG muss der Arbeitgeber beweisen, dass es keinen freien Arbeitsplatz gibt und andere Bewerber auf diese Stelle besser geeignet sind.
Sämtliche übrigen Ansprüche auf Arbeitszeitreduzierung (nach dem BEEG, dem PflegeZG oder dem FPfZG) bleiben daneben bestehen; Gleiches gilt für tarifvertragliche Regelungen. Da sich die Voraussetzungen der verschiedenen Anspruchsgrundlagen unterscheiden und es an einer gesetzlich geregelten Rangfolge der Ansprüche etwa nach dem Spezialitätsprinzip fehlt, muss der Beschäftigte in seinem Antrag ausreichend konkret erkennen lassen, welchen Anspruch er geltend macht. Der Arbeitgeber kann verpflichtet sein, auf eine Klarstellung seitens des Arbeitnehmers hinzuwirken.
Gegenüber dem allgemeinen Anspruch auf unbefristete Reduzierung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG ist die "Brückenteilzeit" oder auch "befristete Teilzeit" die speziellere Regelung.
2 Voraussetzungen des Anspruchs auf Brückenteilzeit
Der Anspruch auf Brückenteilzeit gemäß § 9a TzBfG ist an mehrere Voraussetzungen geknüpft:
Video: Voraussetzungen der Brückenteilzeit
2.1 Dauer des Arbeitsverhältnisses
Das Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber muss länger als 6 Monate bestehen. Dabei ist von dem ununterbrochenen Bestand des Arbeitsverhältnisses zum selben Arbeitgeber auszugehen. Bestanden innerhalb der 6 Monate 2 oder mehr (befristete) Arbeitsverhältnisse zum Arbeitgeber, ist die Wartezeit allenfalls dann erfüllt, wenn diese Arbeitsverhältnisse unmittelbar zeitlich aneinander anschließen und inhaltlich zusammenhängen. Frühere, bereits beendete Arbeitsverhältnisse können i. Ü. nicht berücksichtigt werden.
2.2 Dauer der Brückenteilzeit
Die begehrte Brückenteilzeit muss mindestens 1 Jahr und darf höchstens 5 Jahre betragen. Der zeitliche Umfang der wöchentlichen Arbeitszeitreduzierung ist dagegen nicht beschränkt; dies ist ein Vorteil der Regelung gegenüber anderen Teilzeitansprüchen wie z. B. § 15 Abs. 7 BEEG (15-32 Wochenstunden) oder § 2 Abs. 1 FPfZG (mindestens 15 Wochenstunden).
2.3 Größe des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber muss mindestens 46 Arbeitnehmer beschäftigen. Anders als im Kündigungsschutzgesetz gilt dafür – wie auch sonst im TzBfG – das Kopfprinzip, unabhängig vom Arbeitszeitumfang des einzelnen Beschäftigten; auch geringfügig Beschäftigte sind zu berücksichtigen. Die maßgebliche Arbeitnehmerzahl ist ohne Berücksichtigung der Personen in Berufsausbildung zu ermitteln. Dagegen sind Leiharbeitnehmer mitzuzählen.
2.4 Zumutbarkeitsgrenze
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Gemäß § 9a Abs. 2 Satz 2 TzBfG kann der Arbeitgeber den Antrag auf Brückenteilzeit ablehnen, wenn bei Beginn der begehrten Verringerung pro angefangene 15 Arbeitnehmer bereits ein Arbeitnehmer in Brückenteilzeit (nicht in sonstigen Teilzeitformen!) arbeitet. Dies beinhaltet eine gewisse Prognoseunsicherheit: Es genügt, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt seiner ablehnenden Entscheidung objektiv davon ausgehen durfte, dass bei Beginn der beantragten Brückenteilzeit die Zumutbarkeitsgrenze überschritten sein wird.
Die Zumutbarkeitsschwelle wird nur bei Arbeitgebern angewendet, die maximal 200 Arbeitnehmer ("Kopfprinzip") beschäftigen. Bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl werden auch die ersten 45 Arbeitnehmer mitgezählt. Das bedeutet, dass ein Arbeitgeber mit bis zu 60 Arbeitnehmern sich erst auf die Zumutbarkeitsgrenze berufen kann, wenn er bereits 4 Arbeitnehmer in Brückenteilzeit beschäftigt. Nicht berücksichtigt werden die Auszubildenden. Strittig ist, inwieweit die beim Arbeitgeber beschäftigten Leiharbeitnehmer mitgezählt werden dürfen.. Berücksichtigt man diese Beschäftigtengruppe, kann dadurch die Zumutbarkeitsgrenze vom Arbeitgeber mit Beschäftigtenanteilen aufgefüllt werden, zu denen der Arbeitgeber in keiner umfassenden Arbeitgeberstellung steht. Ande...