Leitsatz (amtlich)
Eine wirksame Zustellung durch die Post liegt auch dann vor, wenn es der Postzusteller versehentlich unterlassen hat, auf der dem Kläger ausgehändigten Sendung den Tag der Zustellung zu vermerken.
Normenkette
SGG § 63 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. September 1960 wird als unzulässig verworfen
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Durch das angefochtene Urteil wurde die Berufung des Klägers, mit der er die Gewährung einer Versichertenrente anstrebte, zurückgewiesen. Das Urteil wurde dem Kläger durch die Post am 12. November 1960 zugestellt; der Postzusteller unterließ es dabei versehentlich, den Tag der Zustellung auf der dem Kläger ausgehändigten Sendung (dem Briefumschlag) zu vermerken; er bezeugte auf der Zustellungsurkunde gleichwohl, daß er jenen Vermerk vorgenommen habe.
Die - erste - vom Kläger am 5. Dezember 1960 privatschriftlich gegen jenes Urteil eingelegte Revision wurde durch Beschluß des erkennenden Senats vom 22. Dezember 1960 als unzulässig verworfen, weil sie nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form entsprach.
Der Kläger hat nunmehr - am 2. September 1961 - erneut - diesmal durch seine nach § 166 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassenen Prozeßbevollmächtigten - Revision eingelegt. Er hält diese Revision noch für rechtzeitig, da die Revisionsfrist durch die ordnungswidrige Zustellung nicht in Gang gesetzt, das Rechtsmittel jedoch innerhalb der Jahresfrist des § 64 SGG eingelegt sei.
Diese Auffassung ist jedoch rechtsirrig. In § 195 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO), der hier über § 63 SGG und § 3 Abs. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) vom 3. Juli 1952 anzuwenden ist, sind die Erfordernisse aufgeführt, die bei einer Zustellung durch die Post von dem Postbediensteten zu beachten sind. Trotz der insoweit nicht völlig eindeutigen Fassung, die besagt, daß die in der Bestimmung angegebenen Erfordernisse erfüllt sein müssen, ist seit jeher herrschende Auffassung, daß nur ein Fehlen solcher Voraussetzungen die Rechtswirksamkeit der Zustellung berührt, die ihren eigentlichen Wesensgehalt betreffen. Der Verstoß gegen bloße Ordnungsvorschriften dagegen beeinträchtigt die Zustellung nicht.
Die Zustellung dient dazu, derjenigen Person oder Dienststelle, welche die Zustellung betreibt, Sicherheit darüber zu verschaffen, daß das zuzustellende Schriftstück dem in Frage kommenden Zustellungsempfänger ordnungsgemäß an einem bestimmten Zeitpunkt ausgehändigt ist. Alle Vorschriften, durch deren Nichtbeachtung für dem die Zustellung Betreibenden Unklarheiten über die ordnungsgemäße Durchführung der Zustellung oder Erschwerungen des Nachweises der erfolgten Zustellung entstehen können, sind unter diesen Umständen als wesentlich anzusehen; ihre Außerachtlassung beeinflußt demnach die Wirksamkeit der Zustellung. Vorschriften dagegen, die anderen Zwecken dienen, insbesondere auch Vorschriften, die dazu dienen, für den Zustellungsempfänger selbst die Art und Weise und den Zeitpunkt der erfolgten Zustellung schriftlich zu fixieren, haben den Charakter reiner Ordnungsvorschriften (vgl. Stein/Jonas/Schönke, ZPO § 190 Anm. III; Wieczorek ZPO § 190 Anm. B II G, § 195 Anm. C I, § 212 Anm. A II 2. Abs.). Dies gilt gleichermaßen für die Bestimmung, nach der dem Zustellungsempfänger eine Abschrift der Zustellungsurkunde auszuhändigen ist (vgl. RG in JW 1898 S. 640 Nr. 7, RGZ 52 S. 11, RGZ 133 S. 365, 368) wie für den die Übergabe dieser Abschrift ersetzenden Vermerk des Tages der Zustellung auf der Sendung (vgl. RG in JW 1908 S. 277 Nr. 16, JW 1931 S. 2365 Nr. 5; HRR 1929 Nr. 1392; OVG Koblenz, Urteil vom 2. September 1958 in DVerwBl 1961 S. 211).
Die Zustellung des Urteils des LSG an den Kläger ist daher ordnungsgemäß erfolgt und hat somit auch die Revisionsfrist in Lauf gesetzt. Diese Frist hat der Kläger mit seiner Rechtsmitteleinlegung nicht gewahrt.
Bei dem gegebenen Sachverhalt ist auch nicht anzunehmen, daß der Kläger, der persönlich innerhalb der Revisionsfrist eine - allerdings unzulässige - Revision eingelegt hatte, durch das Fehlen des Vermerks des Zustellungstages auf dem ihm ausgehändigten Umschlag etwa ohne eigenes Verschulden verhindert war, die gesetzliche Revisionsfrist einzuhalten, so daß ihm auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung der Revision nicht zu gewähren war.
Die verspätete Revision war daher nach § 169 Satz 2 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen