Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 27.05.2021; Aktenzeichen S 203 AS 10922/17 WA) |
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 28.03.2022; Aktenzeichen L 4 AS 715/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. März 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG). Der allein geltend gemachte Verfahrensmangel der Verletzung rechtlichen Gehörs ist nicht schlüssig bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der Kläger rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG). Das LSG habe nicht über seinen Antrag auf Reisekostenvorschuss entschieden.
Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht mit für die Schlüssigkeit des Vorbringens notwendiger Deutlichkeit, dass ein solcher Antrag gestellt war, den das LSG völlig übergangen hat (vgl BSG vom 25.6.2021 - B 13 R 94/20 B). Vielmehr schildert die Beschwerdebegründung, das LSG habe im Rahmen einer dem Kläger am 8.2.2022 zugestellten Ladung zur mündlichen Verhandlung sein persönliches Erscheinen angeordnet. Er habe daraufhin mitgeteilt, dass er das Schreiben nicht lesen und verstehen könne, da ihm die benutzten Begriffe zum Teil nicht bekannt seien und in ihrer Bedeutung nicht erfasst werden könnten. Zugleich habe er mitgeteilt, dass er nur erscheinen könne, falls ihm die anfallenden Kosten auch tatsächlich erstattet würden. Dazu habe er um Mitteilung und Kostenübernahme als verbindliche Zusage gebeten. Beigefügt habe er verschiedene medizinische Unterlagen. An die Erledigung dieser Anfrage habe er erinnert. Das LSG habe ihm mit Schreiben vom 3.3.2022 geantwortet, dass das persönliche Erscheinen nicht richterlich angeordnet worden, sondern nur ein Versehen der Geschäftsstelle gewesen sei. Er müsse nicht zum Termin erscheinen und sei für seine Teilnahme am Termin gebeten worden, keine Aufwendungen zu tätigen. Das Gericht habe ausdrücklich ausgeführt, dass sich eine verbindliche Entscheidung über die Erstattung von Fahrtkosten erübrige. Erneut mit Schreiben vom 8.3.2022 sei er darauf hingewiesen worden, dass er nicht persönlich erscheinen müsse und wiederholt gebeten worden, keine Aufwendungen zu tätigen im Rahmen seiner Teilnahme am Termin. Zur Verhandlung am 28.3.2022 seien weder er noch der Beklagte erschienen.
Nach diesem Vortrag ist schon offen, ob der Kläger nur die Übernahme weiterer - aus gesundheitlichen Gründen ggf erforderlicher - Aufwendungen absichern wollte, die ihm bei der Befolgung der Anordnung seines persönlichen Erscheinens (§ 111 Abs 1 Satz 1, § 191 SGG) hätten entstehen können. Bei der Nachfrage nach der Übernahme von Aufwendungen im Rahmen des angeordneten persönlichen Erscheinens handelt es sich nicht grundsätzlich zugleich um einen Antrag auf Gewährung von Reiseentschädigungen nach den Verwaltungsvorschriften des Bundes und der Länder (vgl die Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Reiseentschädigungen - idF vom 20.1.2014, BAnz AT 29.1.2014 B1). Beide Ansprüche haben unterschiedliche Voraussetzungen und Inhalte (vgl Bockholdt, NZS 2021, 281). Daher kann in einer Beschwerdebegründung nicht offenbleiben, welchen Hintergrund eine beantragte Übernahme von Aufwendungen gehabt hat.
Die Frage des Klägers an das LSG nach der Kostenübernahme als verbindliche Zusage steht nach der Schilderung der Beschwerdebegründung in unmittelbarem textlichen Zusammenhang mit der Anordnung des persönlichen Erscheinens. Die Anordnung des Erscheinens und die Nachfrage des Klägers sind zudem terminologisch miteinander verknüpft "… dass er nur erscheinen könne, falls …". Nach den Darlegungen in der Beschwerdebegründung hat das LSG diese Anfrage nicht übergangen, sondern das persönliche Erscheinen aufgehoben und ausdrücklich darauf abgestellt, dass dadurch aus seiner Sicht eine Übernahme von Aufwendungen nicht in Betracht komme. Aus der Beschwerdebegründung ergeben sich auch keine Äußerungen im Verfahren, aufgrund derer für das LSG anderweitig erkennbar gewesen sein müsste, dass der Kläger zu einer mündlichen Verhandlung erscheinen wollte.
Unabhängig davon fehlt es an weiterem Vorbringen dazu, dass der Kläger seinerseits alles ihm Zumutbare getan hat, um sich Gehör zu verschaffen. Denn eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann nicht geltend machen, wer es selbst versäumt hat, sich vor Gericht durch die zumutbare Ausschöpfung der vom einschlägigen Prozessrecht eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten Gehör zu verschaffen. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden, dass diesem Gebot Rechnung getragen wurde bzw dass insoweit keine zumutbare Möglichkeit bestand (BSG vom 17.12.2020 - B 1 KR 26/20 B - RdNr 6). Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Insbesondere im Hinblick auf die zweifache deutliche Mitteilung, dass eine Übernahme von Aufwendungen wegen des nicht angeordneten persönlichen Erscheinens ausscheide, hätte es dem Kläger oblegen darzutun, warum in der verbleibenden Zeit von fast drei Wochen bis zum Termin durch ihn keine Hinweise darauf erfolgt sind, dass er trotz dieser Erläuterungen zum Termin erscheinen wolle und seine Anfrage zur Übernahme von Aufwendungen noch nicht beantwortet sei.
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
S. Knickrehm |
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Siefert |
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Neumann |
Fundstellen
Dokument-Index HI15641117 |