Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. April 2022 - L 7 KA 43/20 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10 000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Der als Arzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich gegen den ihm für das Quartal 4/2016 erteilten Honorarbescheid sowie gegen den für dieses Quartal ergangenen Bescheid zur Festsetzung von Regelleistungsvolumen (RLV) und qualifikationsgebundenem Zusatzvolumen (QZV) und macht höheres Honorar geltend.
Widerspruch und Klage des Klägers gegen die Festsetzung von RLV und QZV für das Quartal 4/2016 blieben ohne Erfolg. Das SG Berlin hat die Abweisung der Klage als unzulässig damit begründet, dass das notwendige Rechtsschutzbedürfnis fehle, da der Honorarbescheid für das Quartal 4/2016 in Bestandskraft erwachsen sei.
Im Berufungsverfahren hat das LSG den Termin zur mündlichen Verhandlung für den 6.4.2022 um 9:00 Uhr anberaumt. Am Verhandlungstag hat der nicht anwaltlich vertretene Kläger gegen 0:30 Uhr ein Telefax an das LSG übersandt, mit dem er beantragt hat, den Verhandlungstermin aufzuheben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass sein "akuter gesundheitlicher Zustand" es ihm unmöglich mache, den Termin wahrzunehmen. Zur Begründung hat er sich auf eine "Folgebescheinigung" des G, J Krankenhaus B, vom 10.3.2022, einen Arztbrief des G vom 22.3.2022 sowie einen durch die Ärztin P für ihn (den Kläger) gestellten Antrag vom 22.3.2022 auf Anerkennung eines Grades der Behinderung von 100 bezogen. Zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG ist für den Kläger niemand erschienen. Den Antrag auf Terminsaufhebung hat das LSG am Verhandlungstag abgelehnt und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger Verfahrensmängel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.
II
1. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Verfahrensfehler der Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in einer mündlichen Verhandlung darzulegen (BSG Urteil vom 27.1.1993 - 6 RKa 19/92 - juris RdNr 17 mwN; BSG Beschluss vom 28.8.1991 - 7 BAr 50/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 4 S 5). Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs 1 Satz 1 SGG), der Beteiligte bzw sein Prozessbevollmächtigter ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung kann - und muss ggf - jedoch gemäß § 202 SGG iVm dem entsprechend anwendbaren § 227 Abs 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) bei Vorliegen erheblicher Gründe aufgehoben werden. Ein iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO ordnungsgemäß gestellter und hinreichend substantiierter Verlegungsantrag eröffnet nicht nur die Möglichkeit einer Terminverlegung, sondern begründet eine entsprechende Pflicht des Gerichts (vgl BSG Urteil vom 10.8.1995 - 11 RAr 51/95 - SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG Urteil vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - juris RdNr 16). Das LSG hat hier den Verlegungsantrag des Klägers zu Recht zurückgewiesen.
a) Soweit der Kläger geltend macht, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei bereits dadurch entscheidungserheblich verletzt, dass nicht der in dem Verfahren vor dem LSG zuständige Vorsitzende, sondern der Senat über den Antrag auf Terminverlegung entschieden habe, so geht der Kläger von unzutreffenden Annahmen aus: Zwar trifft es zu, dass gemäß § 202 SGG iVm § 227 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO für die Entscheidung über die Aufhebung oder Verlegung eines Termins allein der Vorsitzende des Spruchkörpers zuständig ist (BSG Beschluss vom 31.3.2004 - B 4 RA 126/03 B - SozR 4-1500 § 112 Nr 2 RdNr 8). Der Kläger hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass das LSG in seinem Urteil formuliert hat, "der Senat" habe den Antrag auf Aufhebung des Verhandlungstermins abgelehnt. Diese Formulierung kann dahin verstanden werden, dass der Senat über den Verlegungsantrag in derselben Besetzung entschieden habe, in der er auch über die Berufung des Klägers entschieden hat. Das trifft aber ersichtlich nicht zu, denn die Sitzungsniederschrift enthält dazu klare und auch eindeutige Ausführungen. Danach ist der Beschluss, den Terminsaufhebungsantrag des Klägers abzulehnen allein "durch den Vorsitzenden" ergangen, bevor die mündliche Verhandlung eröffnet wurde (vgl auch § 112 Abs 1 Satz 2 iVm § 153 Abs 1 SGG).
Dafür, dass die dargestellten Angaben aus der Sitzungsniederschrift unrichtig sein könnten, gibt es keine Anhaltspunkte. Die in diesem Zusammenhang vom Kläger geäußerte Behauptung, dass die in den Akten des LSG enthaltene Sitzungsniederschrift "offensichtlich nachgebessert" worden sei, wird nicht nachvollziehbar begründet. Die vom Kläger zum Beleg angeführte Anlage 7 seiner Beschwerdebegründung besteht aus Seite 1 und - der ausdrücklich so bezeichneten - Seite 3 der Sitzungsniederschrift. Die oben zitierten Angaben zur Beschlussfassung über den Antrag auf Terminsaufhebung werden auf Seite 2 der Sitzungsniederschrift wiedergegeben. Dem Umstand, dass dem vom Kläger vorgelegten Auszug (Seite 1 und 3) aus der Sitzungsniederschrift dazu keine Angaben zu entnehmen sind, kann unter diesen Umständen kein Hinweis auf eine "Nachbesserung" der Sitzungsniederschrift durch das Gericht entnommen werden.
b) Die Entscheidung, den Antrag des Klägers auf Terminverlegung abzulehnen, ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Der Vorsitzende durfte davon ausgehen, dass keine erheblichen Gründe iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO iVm § 202 SGG für eine Aufhebung des Verhandlungstermins vorliegen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) wird daher durch die Verhandlung und Entscheidung in Abwesenheit des Klägers nicht verletzt.
Die Terminverlegung rechtfertigende "erhebliche Gründe" iS des § 202 Satz 1 SGG iVm § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO sind nur solche Umstände, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern (BSG Beschluss vom 30.9.2015 - B 3 KR 23/15 B - juris RdNr 8 mwN). Die erheblichen Gründe iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO sind bei einem Verlegungsantrag auf Verlangen des Vorsitzenden, bei einem Antrag auf Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen (§ 202 Satz 1 iVm § 227 Abs 2, § 294 ZPO). Bei Vorliegen erheblicher Gründe kann und muss ein Termin zur mündlichen Verhandlung gemäß § 202 Satz 1 SGG iVm § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO aufgehoben werden, auch wenn das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet worden ist (vgl BSG Beschluss vom 25.6.2021 - B 13 R 163/20 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 7.4.2022 - B 5 R 210/21 B - juris RdNr 6 jeweils mwN). Wenn der Betroffene nicht anwaltlich vertreten ist, ist das Gericht grundsätzlich auch bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminverlegung zu einem Hinweis oder zur Aufforderung an den Betroffenen, seinen Vortrag zu ergänzen, oder zu eigenen Nachforschungen verpflichtet (vgl BSG Beschluss vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - juris RdNr 10 mwN). Das gilt jedoch nicht, wenn dem Verlegungsantrag offenkundig die Absicht der Prozessverschleppung zugrunde liegt. Zudem muss auch der nicht vertretene Kläger alles ihm Obliegende tun, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl BSG Beschluss vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - juris RdNr 8 f).
Hier hat der Kläger erhebliche Gründe für eine Terminverlegung iS von § 202 Satz 1 SGG iVm § 227 Abs 1 ZPO in seinem Antrag nicht hinreichend glaubhaft gemacht und unter den gegebenen Umständen musste der Vorsitzende auch keine weiteren Ermittlungen zur Frage des Vorliegens erheblicher Gründe für einen Verlegungsgrund durchführen. Dass die bei dem Kläger vorliegenden Erkrankungen, auf die die am Verhandlungstag beantragte Terminverlegung gestützt waren, schon seit längerer Zeit bestanden, legen bereits die dem Verlegungsantrag vom Kläger beigefügten ärztlichen Bescheinigungen nahe, die vom 10.3.2022 und vom 22.3.2022 datieren. Es sind daher keine sachlichen Gründe dafür ersichtlich sind, dass der Kläger den Verlegungsantrag nicht schon Tage oder Wochen zuvor, nach Zugang der Terminmitteilung am 16.3.2022, stellen konnte, sondern ihn erst in der Nacht unmittelbar vor der Verhandlung gestellt hat, die auf den 6.4.2022 um 9:00 Uhr terminiert war. Hinweise auf ein plötzliches Ereignis oder eine akute gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers, die die Stellung des Verlegungsantrags erst am Verhandlungstag rechtfertigen könnten, sind weder der Begründung des Verlegungsantrags zu entnehmen noch sind solche in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vorgetragen worden.
Da der Kläger die Terminverlegung ohne nachvollziehbaren Grund erst am Verhandlungstag beantragt hat, hat er nicht alles Erforderliche getan, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (zu dieser Obliegenheit vgl BSG Beschluss vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - juris RdNr 8; BSG Urteil vom 20.1.2021 - B 1 KR 15/20 R - juris RdNr 123). Dazu wäre es erforderlich gewesen, bei chronischer Krankheit Vorkehrungen für eine mögliche Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu treffen, etwa in Gestalt der Beauftragung eines Rechtsanwaltes oder der Begleitung durch einen Beistand in der mündlichen Verhandlung. Um solche Planungen treffen zu können, war die Ladungsfrist zum Termin ausreichend bemessen. Mit der hier getroffenen Vorgehensweise hat der Kläger dem LSG die Möglichkeit genommen, vor der Entscheidung eigene Ermittlungen durchzuführen, um beurteilen zu können, ob ein die Terminsaufhebung rechtfertigender erheblicher Grund iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO vorliegt. Der erkennende Senat hat bereits mit Beschluss vom 3.4.2019 (B 6 KA 30/18 B), der ebenfalls einen von dem Kläger des vorliegenden Verfahrens kurzfristig gestellten Verlegungsantrag zum Gegenstand hatte, darauf hingewiesen, dass die von ihm dort vorgelegten Befunde auf seit längerer Zeit bestehende Erkrankungen hinweisen und dass er unter solchen Umständen gehalten gewesen wäre, Vorkehrungen für eine angemessene Vertretung in dem seit Jahren laufenden Verfahren vor dem LSG zu treffen. Ferner hat der erkennende Senat seinerzeit ausgeführt, dass der Kläger einen akuten Krankheitsschub unverzüglich gegenüber dem LSG hätte darlegen und dieses Geschehen spätestens in der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde hätte substantiiert vortragen müssen. Für das vorliegende Verfahren gilt nichts anderes. Wenn tatsächlich am Verhandlungstag ein akuter Krankheitsschub aufgetreten wäre, hätte der Kläger dies unverzüglich dem LSG mitteilen und substantiiert erläutern müssen. Daran fehlt es hier. Wenn es ausreichen würde, dass ein Arzt, der an einer chronischen Erkrankung leidet, am Verhandlungstag subjektiv von seiner Verhandlungsunfähigkeit ausgeht, liefe das darauf hinaus, dass dieser kurzfristig die Aufhebung jedes Gerichtstermins erreichen könnte, ohne dem Gericht auch nur die Möglichkeit einer Überprüfung zu geben. Dass der Senat diese Auffassung nicht teilt, hat er bereits in dem den Kläger betreffenden Beschluss vom 3.4.2019 (B 6 KA 30/18 B - juris RdNr 7) ausgeführt. Gleichwohl hat der Kläger die Verlegung erneut sehr kurzfristig beantragt, obwohl kein nachvollziehbarer Grund für dieses Handeln ersichtlich ist. Unter Berücksichtigung der gesamten Prozessführung des Klägers in diesem wie auch in dem Verfahren zum Az B 6 KA 17/22 B(vgl dazu den Beschluss des Senats vom heutigen Tage) sowie der dem Kläger in dem Verfahren zum Az B 6 KA 30/18 B erteilten Hinweise muss der Senat davon ausgehen, dass der Kläger den Verlegungsantrag ohne sachlichen Grund gestellt hat.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Der Kläger hat die Kosten des von ihm ohne Erfolg geführten Rechtsmittels zu tragen.
3. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 Satz 1, Abs 3 GKG und entspricht der Festsetzung des LSG, die von keinem Beteiligten infrage gestellt worden ist.
Oppermann |
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Rademacker |
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Just |
Fundstellen
Dokument-Index HI15673516 |