Leitsatz (amtlich)

Hat das SG in einer Sache, in der die Berufung nach den SGG §§ 144 - 149 ausgeschlossen war, das Rechtsmittel irrtümlich als nach SGG § 143 statthaft angesehen und deshalb eine Entscheidung darüber nicht getroffen, ob die Berufung nach SGG § 150 Nr 1 zugelassen war, so liegt darin kein wesentlicher Mangel des Verfahrens (Anschluß BSG 1963-05-09 7 RAr 15/61).

 

Normenkette

SGG § 150 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03, § 144 Fassung: 1953-09-03, § 143 Fassung: 1953-09-03, § 145 Fassung: 1953-09-03, § 146 Fassung: 1953-09-03, § 147 Fassung: 1953-09-03, § 148 Fassung: 1953-09-03, § 149 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Juli 1963 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Revision nicht zugelassen (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Da eine Gesetzesverletzung in der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs nach der Art der Streitsache nicht in Betracht kommt, wäre die Revision nur statthaft, wenn der Kläger mit Erfolg rügt, das Verfahren des LSG leide an einem wesentlichen Mangel (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Das ist hier nicht der Fall.

Der Kläger, der 1909 in einer oberschlesischen Zeche einen Arbeitsunfall erlitten hatte, erstrebte mit seiner Klage eine für ihn günstigere Berechnung der ihm für die Unfallfolgen gewährten Dauerrente. Während die Beklagte bei der Neufeststellung der Rente nach dem Unfallversicherungsneuregelungsgesetz vom 27. Juli 1957 (BGBl. I S. 1071) als Vervielfältigungsfaktor "2" zu Grunde gelegt hatte, begehrte der Kläger die Anwendung des Faktors "3, 2". Das SG verurteilte die Beklagte demgegenüber zur Zahlung einer Rente, die sich unter Zugrundelegung des Faktors "2,5" ergab und wies die Klage im übrigen ab.

Das SG ließ die Berufung weder in seiner Urteilsformel noch in den Urteilsgründen zu; es erteilte vielmehr, da es die Berufung offenbar ohnehin als zulässig ansah, nur die für diese Fälle vorgesehene formularmäßige Rechtsmittelbelehrung, beginnend mit dem Satz "Gegen dieses Urteil ist die Berufung zulässig (§ 143 SGG) ...".

Das Landessozialgericht (LSG) hat die von dem Kläger eingelegte Berufung als unzulässig verworfen; es vertritt zutreffenderweise die Ansicht, daß im vorliegenden Fall die Berufung jedenfalls nach § 145 Nr. 4 SGG nicht zulässig gewesen ist, da auch die Frage nach der Erhöhung einer Unfallrente um Zuschläge oder Zulagen durch eine Gesetzesänderung als "Neufeststellung von Dauerrenten wegen Änderung der Verhältnisse" anzusehen sei.

Das LSG verneint weiter eine ausdrückliche Zulassung der Berufung durch das SG nach § 150 Nr. 1 SGG und das Vorliegen eines Verfahrensmangels nach § 150 Nr. 2 SGG im Hinblick auf die vom SG unterlassene Prüfung der Frage, ob eine Zulassung nach § 150 Nr. 1 SGG vorzunehmen war.

Mit einer rechtzeitig eingelegten und begründeten Revision rügt der Kläger, das LSG habe ihm durch "die Versagung der Berufungsinstanz" das rechtliche Gehör versagt; darin liege ein wesentlicher Mangel des Verfahrens. Eine Verletzung des § 150 Nr. 1 SGG liege darin, daß das LSG den Ausspruch des SG in seiner Rechtsmittelbelehrung nicht als ordnungsgemäße Berufungszulassung angesehen habe.

Einen weiteren Verfahrensmangel sieht die Revision darin, daß die Beklagte versucht habe, auf den Kläger die Vorschriften des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes und das Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes anzuwenden; da aber der Kläger kein Heimatvertriebener ist - er ist seit 1936 in Westdeutschland ansässig - könnten diese Vorschriften auf ihn nicht anwendbar sein.

Die Revisionsrügen, des Klägers greifen nicht durch.

Entgegen der Ansicht der Revision besagt der Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung nicht, daß das SG die Berufung zugelassen hat (BSG 2, 121; 8, 154). Die Nichtzulassung der Berufung ist für das Rechtsmittelgericht bindend (SozR SGG § 150 Bl. Da 4 Nr. 12). Die Zulassung der Berufung als Teil einer Entscheidung müßte im Urteil (Tenor oder Entscheidungsgründe) in der Weise erkennbar zum Ausdruck gebracht sein, daß kein Zweifel daran bestehen kann, daß das SG eine seiner Ansicht nach auf Grund der §§ 144 bis 149 sonst unstatthafte Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zulassen will (SozR SGG § 150 Bl. Da 6 Nr. 16). Das LSG war daher nicht befugt, die Nichtzulassung der Berufung auf ihre Begründetheit nachzuprüfen (SozR SGG § 150 Bl. Da 7 Nr. 17; BSG 3, 231). Selbst wenn das SG von der Zulassung der Berufung unberechtigterweise abgesehen haben sollte, hätte das LSG die Entscheidung nicht auf ihre Richtigkeit nachprüfen dürfen (SozR SGG § 150 Bl. Da 8 Nr. 19).

Das LSG hat weiter im Ergebnis auch zutreffend entschieden, daß kein Mangel des Verfahrens des SG's darin zu erblicken ist, daß dieses offensichtlich die Frage nicht geprüft und entschieden hat, ob die Berufung nach § 150 Nr. 1 SGG zuzulassen gewesen wäre. Der 4. Senat hat inzwischen die entgegengesetzte, von ihm in seinem Urteil vom 28. September 1961 - 4 RJ 85/59 - (SozRecht § 150 SGG Da 14 Nr. 31) vertretene Auffassung aufgegeben; der erkennende Senat schließt sich der vom 7. Senat in seinem Urteil vom 9. Mai 1963 - 7 RAr 15/61 - vertretenen Auffassung an, daß in dem Fehlen einer derartigen Entscheidung kein Verfahrensmangel des SG zu erblicken ist. Unter diesen Umständen spielt es keine Rolle, daß das LSG in dem angefochtenen Urteil die frühere Entscheidung des 4. Senats offensichtlich zu eingeschränkt ausgelegt hat. Das LSG hat mit dieser Entscheidung auch nicht dem Kläger ein ihm zustehendes rechtliches Gehör (§ 62 SGG) versagt.

Die Entscheidung des LSG ist eine Prozeßentscheidung. Auf sie kann es keinen Einfluß gehabt haben, wenn die Beklagte den Kläger irrtümlich für einen Heimatvertriebenen gehalten hat, zumal das SG und das LSG sich in ihren Entscheidungsgründen von diesem angeblichen Irrtum freihalten. Auf die übrigen sachlich-rechtlichen Fragen einzugehen, ist bei einer nicht zugelassenen Revision dem Revisionsgericht verwehrt (SozR SGG § 162 Bl. Da 18 Nr. 70). Auch soweit der Kläger noch nachträglich im Schriftsatz vom 24. November 1962 - eingegangen am 26. November 1962 - neue Verfahrensrügen, etwa eine Verletzung der §§ 112 und 123 SGG vorbringen will, sind diese Rügen unbeachtlich, weil sie nicht innerhalb der bis zum 8. Oktober 1962 laufenden Revisionsbegründungsfrist dem Gericht mitgeteilt worden sind (§ 164 Abs. 1 SGG).

Die Rügen des Klägers sind sonach nicht geeignet, die Revision statthaft zu machen (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Die Revision ist daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2375166

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