Verfahrensgang
Sächsisches LSG (Urteil vom 18.04.2018; Aktenzeichen L 6 R 858/16) |
SG Leipzig (Entscheidung vom 10.08.2016; Aktenzeichen S 13 R 1149/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 18. April 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 18.4.2018 hat das Sächsische LSG einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff).
Der Kläger wird bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Er hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl § 162 SGG) gestellt (vgl Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag des Klägers darauf zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).
2. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtsatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat.
Divergenzfähige Entscheidungen hat der Kläger nicht benannt.
3. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
a) Der Kläger rügt zunächst eine Verletzung des § 103 SGG unter verschiedenen Gesichtspunkten.
Hierzu trägt er vor, bereits mit Schriftsatz vom 17.1.2017 die Ergänzung des Gutachtens Dr. R. vom 26.6.2013 beantragt zu haben, weil dieser die medizinischen Messwerte, die in der Urteilsbegründung des SG Leipzig benannt worden seien, nicht offengelegt habe. Darüber hinaus habe er im gleichen Schriftsatz beantragt, den Gutachter Dr. R. zur Erläuterung seiner Gutachten vom 26.6.2013 sowie 4.4.2015 zu laden. Zudem habe er, der Kläger, mit Schriftsatz vom 22.12.2017 beantragt, die Fachärzte für Diabetologie Dr. med. R. D., Dr. med. T. K., Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. K. K., Dr. med. G. L. und Dr. med. W. S. sowie S. Z. zu hören. Im Übrigen liege auch deswegen ein Verstoß gegen § 103 SGG vor, weil das LSG (insbesondere auf S 20 ff des Urteils) eigene medizinische Wertungen vorgenommen habe, obwohl ihm hierzu die entsprechenden Kenntnisse fehlten.
Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht iS von § 103 SGG nicht schlüssig bezeichnet.
Werden Verstöße gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, auf Grund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Soweit der Kläger geltend macht, eine Ergänzung des Gutachtens Dr. R. vom 26.6.2013 und eine Erläuterung seiner Gutachten vom 26.6.2013 und 4.4.2015 sowie eine Anhörung verschiedener Diabetologen beantragt zu haben, hat er jedenfalls nicht aufgezeigt, diese Anträge bis zum Schluss des Berufungsverfahrens aufrecht erhalten zu haben.
Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten - wie dem Kläger - regelmäßig anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigstens hilfsweise wiederholt wird (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35 S 73 mwN). Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen.
Im Übrigen hat der Kläger nicht aufgezeigt, einen Beweisantrag gestellt zu haben. Ausweislich der Vorgabe des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde aber nur dann auf eine Verletzung des § 103 SGG gestützt werden, wenn der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren einen Beweisantrag gestellt hat, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
b) Mit seinem Vorbringen, eine Erläuterung der Gutachten Dr. R. durch diesen beantragt zu haben, macht der Kläger ferner sinngemäß eine Verletzung der § 116 S 2 SGG, § 397 Abs 2, §§ 402, 411 Abs 4 ZPO iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG geltend. Auch insoweit ist ein Verfahrensmangel indes nicht schlüssig dargelegt.
Das Frageantragsrecht setzt ua voraus, dass die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret bezeichnet und die Fragen sachdienlich sind (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7, 10). Der Beschwerdebegründung ist aber nicht zu entnehmen, dass der Kläger erläuterungsbedürftige, sachdienliche Punkte benannt hat.
4. Soweit die Beschwerdebegründung von S 3 Abs 6 bis S 9 Abs 1 wörtlich die Stellungnahme des Klägers vom 18.6.2018 wiedergibt und die Prozessbevollmächtigte des Klägers im letzten Absatz der Beschwerdebegründung auf die "vollständige Stellungnahme des Klägers nebst Anlagen" verweist und "diese zum Inhalt des Vortrags" macht, ist den Erfordernissen des § 160a Abs 2 S 3 SGG schon im Ansatz nicht genügt.
Ebenso wie die Revisionsbegründung hat auch die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Prozessbevollmächtigten zu erfolgen (vgl BSG SozR 3-1500 § 166 Nr 4 S 9). Da sie als Prozesshandlung dem Vertretungszwang unterliegt, muss der Prozessbevollmächtigte mit seiner Unterschrift für die Beschwerdebegründung die volle Verantwortung übernehmen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 13 und § 164 RdNr 9a). Die Unterschrift dient insoweit als Nachweis dafür, dass der Bevollmächtigte den Prozessstoff selbst durchgearbeitet, das Ergebnis in dem Schriftsatz niedergelegt hat und die Verantwortung hierfür tragen will (Leitherer, aaO, § 164 RdNr 9a). Dieser Nachweis ist nicht geführt, wenn ein mit dem Schreiben des Beteiligten selbst nahezu inhalts- und wortgleicher Text als Beschwerdebegründung vorgelegt wird (vgl BSG SozR 3-1500 § 166 Nr 4 S 9 f für das Beschwerdeverfahren und BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 23/10 R - Juris RdNr 12 f für das Revisionsverfahren) oder sich der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers den Inhalt eines vom Beteiligten selbst verfassten Schriftsatzes zu eigen macht, weil insoweit nicht ersichtlich ist, dass der Bevollmächtigte den Streitstoff selbst rechtlich überprüft hat (vgl BSGE 7, 35, 39 und BSG SozR 1500 § 164 Nr 22 S 35 für das Revisionsverfahren).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12038000 |