Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung. vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung. Divergenz. Unrichtigkeit im Einzelfall. Kostenentscheidung. keine isolierte Revisionszulassung

 

Orientierungssatz

1. Eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall vermag die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen (stRspr; vgl zB BSG vom 15.6.2022 - B 5 R 56/22 B = juris RdNr 6 mwN).

2. Allein die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen und nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall kann eine Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B = SozR 3-1500 § 160a Nr 34).

3. Die Revision kann nicht allein wegen der Kostenentscheidung (hier: Verhängung von Verschuldenskosten) zugelassen werden (stRspr, vgl nur BSG vom 13.1.2020 - B 4 AS 1/20 B = juris RdNr 7 und vom 18.1.2022 - B 7/14 AS 251/21 B = juris RdNr 12, jeweils mwN).

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 160a Abs. 2 S. 3, § 192; SGB III § 165 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 08.11.2022; Aktenzeichen L 10 AL 12/22)

SG Nürnberg (Urteil vom 11.11.2021; Aktenzeichen S 10 AL 406/19)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. November 2022 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).

1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin, die in der Sache höheres Insolvenzgeld begehrt und sich außerdem gegen die Auferlegung von Verschuldenskosten durch das LSG wendet, formuliert schon keine Rechtsfrage. Wenn sie ausführt, es sei "nicht richtig, dass schematisch die Monate Oktober, November und Dezember 2018" als Insolvenzgeldzeitraum "zugrunde gelegt werden mussten", beanstandet sie allein die Rechtsanwendung im Einzelfall. Dies gilt auch, soweit sie als grundsätzlich bedeutsam ansieht, die Auferlegung von Verschuldenskosten "in einem Fall wie dem streitgegenständlichen" sei zu Unrecht erfolgt. Eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall vermag die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache indes nicht zu begründen (stRspr; vgl zB BSG vom 15.6.2022 - B 5 R 56/22 B - juris RdNr 6 mwN). Abgesehen davon kann die Revision nicht allein wegen der Kostenentscheidung zugelassen werden (stRspr, vgl nur BSG vom 13.1.2020 - B 4 AS 1/20 B - RdNr 7; BSG vom 18.1.2022 - B 7/14 AS 251/21 B - RdNr 12, jeweils mwN).

2. Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht.

Auch dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht, denn es werden schon keine konkreten Rechtssätze nachvollziehbar bezeichnet und gegenübergestellt. Im Übrigen kann nicht eine Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, wie sie die Klägerin hier behauptet, sondern allein die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen eine Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 160 RdNr 132). Ohne dass es darauf noch ankäme, betraf im Übrigen die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BSG vom 26.2.2019 (B 11 AL 3/18 R) einen Fall, in dem allein der Zeitpunkt des Eintritts des Insolvenzereignisses umstritten war und erst in Abhängigkeit davon die zeitliche Lage des Insolvenzgeldzeitraums. Dass der Insolvenzgeldzeitraum - so offenbar die Auffassung der Klägerin - unabhängig vom Insolvenzereignis "vorverlagert" werden kann, ergibt sich weder aus der genannten Entscheidung noch wäre dies - wie vom LSG zutreffend beurteilt - mit § 165 Abs 1 Satz 1 SGB III vereinbar. Mit den Unterschieden in der Sachverhaltskonstellation und dem Inhalt der Norm setzt sich die Klägerin indes nicht auseinander.

3. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision schließlich dann zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht. Soweit die Klägerin als Verfahrensfehler "die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisantritts" durch das LSG rügt, legt sie schon nicht dar, wann, mit welchem konkreten Inhalt und zu welchem Beweisthema ein Beweisantrag gestellt wurde (vgl zu den entsprechenden Darlegungsanforderungen nur Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 160a RdNr 177 ff). Auch welcher konkrete Vortrag der Klägerin - im Sinne einer Gehörsverletzung - vom LSG nicht berücksichtigt worden sei, und warum dessen Berücksichtigung zu einer anderen Entscheidung hätte führen können, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf. Bezogen auf die Auferlegung von Verschuldenskosten und die "Vorverlagerung" des Insolvenzgeldzeitraums, könnte dies aus den bereits dargelegten Gründen auch nicht schlüssig gelingen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meßling

Burkiczak

Söhngen

 

Fundstellen

Haufe-Index 15670364

NZI 2024, 41

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge