Verfahrensgang
SG Hamburg (Entscheidung vom 18.01.2019; Aktenzeichen S 34 R 447/15) |
LSG Hamburg (Urteil vom 23.01.2024; Aktenzeichen L 3 R 70/22 WA) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 23. Januar 2024 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der im September 1951 geborene Kläger begehrt die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab Oktober 2014.
Er war zuletzt von Dezember 2001 bis September 2012 in einem Beschäftigungsverhältnis im Bereich Sicherheitstechnik rentenversichert. Aufgrund Arbeitsunfähigkeit bezog der Kläger bis zum 31.7.2012 Krankengeld. Das Arbeitsverhältnis kündigte er unter dem 31.8.2012 nach entsprechender ärztlicher Empfehlung. In der Zeit von Oktober 2012 bis September 2014 bezog er Arbeitslosengeld.
Der Kläger beantragte am 2.6.2014 die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 237 SGB VI und zugleich eine Rente für besonders langjährig Versicherte nach § 236b SGB VI ab Oktober 2014. Die Beklagte bewilligte dem Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, wegen des vorzeitigen Rentenbezugs mit einem Rentenabschlag von 7,2 % (Bescheid vom 13.8.2014). Den Antrag auf eine abschlagsfreie Altersrente wegen besonders langjähriger Versicherung lehnte die Beklagte hingegen ab. Da die Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht zu berücksichtigen seien, sei die Wartezeit von 45 Jahren (540 Kalendermonate) nicht erfüllt; der Kläger habe lediglich 534 Beitragsmonate zurückgelegt (Bescheid vom 15.8.2014; Widerspruchsbescheid vom 26.3.2016).
Das SG hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 18.1.2019) und das LSG die vom Kläger eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 23.1.2024). Die Monate Oktober 2012 bis September 2014 seien nicht auf die Wartezeit von 45 Jahren anzurechnen, weil sie in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn lägen. Der Bezug von Arbeitslosengeld in diesem Zeitraum sei auch nicht durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe bedingt gewesen, was hier als Rückausnahme nach § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Buchst a SGB VI allein in Betracht komme. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf sonstige unfreiwillige und unverschuldete Beendigungen der Beschäftigung komme nicht in Betracht. Es bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger am 28.2.2024 Beschwerde beim BSG eingelegt, die er am 8.5.2024 begründet hat. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist - soweit sie überhaupt zulässig ist -jedenfalls unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 SGG).
a) Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob Arbeitslosengeld, das nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen gezahlt wird, eine Leistung bei Krankheit iS des § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Buchst b SGB VI ist, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zu revisiblem Recht (vgl § 162 SGG) aufwirft, die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (stRspr; zB BSG Beschluss vom 17.4.2023 - B 9 SB 46/22 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 12.5.2023 - B 5 R 7/23 B - juris RdNr 7). An weiterem Klärungsbedarf fehlt es, wenn sich die aufgeworfene Frage ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften oder aus der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung klar beantworten lässt (vgl BSG Beschluss vom 11.3.2021 - B 5 R 12/21 B - SozR 4-2600 § 137b Nr 2 RdNr 4; BSG Beschluss vom 23.3.2023 - B 6 KA 21/22 B - juris RdNr 7). Das ist hier der Fall. Arbeitslosengeld gehört nicht zu den Leistungen bei Krankheit iS von § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Buchst b SGB VI. Vielmehr stellt Arbeitslosengeld in jeder Ausprägung eine Leistung der Arbeitsförderung nach § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Buchst a SGB VI dar. Nach § 3 Abs 1 SGB III zählen zu den Leistungen der Arbeitsförderung alle Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB III, mithin auch das im Vierten Kapitel des SGB III geregelte Arbeitslosengeld bei Minderung der Leistungsfähigkeit (§ 145 SGB III) oder als Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit (§ 146 SGB III).
b) Zur grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob auf die nach § 51 Abs 3a SGB VI erforderliche Wartezeit von 45 Jahren Zeiten gemäß § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Buchst b SGB VI anzurechnen sind, in denen Leistungen bei Krankheit in Form von Krankenbehandlungen in Anspruch genommen worden sind, wenn sie zugleich Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind, enthält die Beschwerdebegründung keinen hinreichenden Vortrag. Dass dem Gesetz zu entnehmen sein könnte, dass Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung iS von § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Buchst a SGB VI zu Leistungen bei Krankheit iS von § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Buchst b SGB VI werden könnten, wenn Leistungen bei Krankheit in Form von Krankenbehandlungen gewährt werden, zeigt der Kläger nicht nachvollziehbar auf. Da die in § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 SGB VI genannten Bezugszeiten nur angerechnet werden, soweit sie Pflichtbeitrags- oder Anrechnungszeiten sind, ist nicht erkennbar, dass eine Berücksichtigung bloßer "Behandlungszeiten" in Betracht käme. Die Behandlung einer Krankheit nach dem SGB V setzt nach § 11 Abs 1 Nr 4 SGB V einen Versichertenstatus nach den §§ 5 ff SGB V voraus, begründet aber allein keine Pflichtbeitrags- oder Anrechnungszeiten.
c) Soweit der Kläger die Rechtsfrage aufwirft, "ob die Anwendung des § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3a 2. Hs. SGB VI, nach dem Zeiten des Bezuges von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung bei der Anrechnung auf die Wartezeit nach § 50 Abs. 5 SGB VI in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur berücksichtigt werden, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist, mit Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 2 GG vereinbar ist, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen aufgrund einer Erkrankung, die zugleich eine Behinderung nach den Maßstäben des Europäischen Gerichtshofs darstellt, bedingt ist", ist bereits die erforderliche Klärungsfähigkeit fraglich. Dass bei dem Kläger eine Behinderung besteht, hat das LSG nicht festgestellt.
d) Sofern der Kläger die Frage stellen will, ob die in § 51 Abs 3a Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI vorgesehenen "Rückausnahmen" auf Fälle auszudehnen sind, in denen gesundheitliche Gründe zur Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses geführt haben, besteht keine Klärungsbedürftigkeit. Dass die Rückausnahmeregelungen eng auszulegen sind und auch in anderen Fällen unfreiwilliger und unverschuldeter Arbeitslosigkeit keiner erweiternden Auslegung oder Analogie zugänglich sind, hat das BSG bereits wiederholt entschieden (vgl BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - BSGE 124, 58 = SozR 4-2600 § 51 Nr 1, RdNr 39 f; BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 16/16 R - juris RdNr 19 ff; BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 56 f; BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 19/17 R - BSGE 127, 262 = SozR 4-2600 § 51 Nr 3, RdNr 24 ff; BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 5/17 R - juris RdNr 23 ff; BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 44 ff) und zuletzt Nichtzulassungsbeschwerden, die auf eine erweiternde Auslegung von § 51 Abs 3a Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit gestützt wurden, mangels Klärungsbedürftigkeit zurückgewiesen (BSG Beschluss vom 7.9.2023 - B 5 R 44/23 B; BSG Beschluss vom 7.9.2023 - B 5 R 75/23 B). Dem Gesetzgeber war bewusst, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch aus anderen Gründen als einer Insolvenz oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers unverschuldet arbeitslos werden können. Er hat sich trotz dieser Erkenntnis im Sinne einer abschließenden Aufzählung lediglich für die zwei genannten Rückausnahmen entschieden, weil in allen anderen Fällen kein Nachweis darüber möglich sei, dass die Arbeitslosigkeit nicht auf missbräuchlichen Absichten beruhe (vgl Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 22.7.2014 - BT-Drucks 18/2186 S 9).
e) Der 5. und der (zwischenzeitlich aufgelöste) 13. Senat des BSG haben sich in ihren Entscheidungen zu § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 SGB VI auch nicht von der Verfassungswidrigkeit der Regelungen überzeugen können (vgl BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - BSGE 124, 58 = SozR 4-2600 § 51 Nr 1, RdNr 41 ff; BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 82 ff; BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 19/17 R - BSGE 127, 262 = SozR 4-2600 § 51 Nr 3, RdNr 30 ff; BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 5/17 R - juris RdNr 28 ff; BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, SozR 4-2600 § 236b Nr 2, RdNr 49 ff). Das BVerfG hat nachfolgende Verfassungsbeschwerden hiergegen nicht zur Entscheidung angenommen (vgl BVerfG Nichtannahmebeschlüsse vom 1.6.2022 - 1 BvR 323/18 zu B 5 R 8/16 R, 1 BvR 324/18 zu B 5 R 16/16 R, 1 BvR 2611/18 zu B 5 R 25/17 R, 1 BvR 1551/19 zu B 13 R 19/17 R, 1 BvR 2036/20 zu B 13 R 23/18 R; zuletzt BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 14.3.2024 - 1 BvR 2044/23 zu B 5 R 75/23 B; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 15.4.2024 - 1 BvR 2076/23 zu B 5 R 44/23 B). Entschieden wurden ua Fallgestaltungen, in denen das Beschäftigungsverhältnis des Versicherten aufgrund einer durch den Arbeitgeber zur Abwendung einer drohenden Insolvenz ausgesprochenen Kündigung endete (vgl zB BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - BSGE 124, 58 = SozR 4-2600 § 51 Nr 1, RdNr 1-2, 56). Es waren auch bereits Versicherte betroffen, bei denen der Anrechnungsausschluss Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs erfasste, die vor Einführung dieser Regelung zurückgelegt wurden (vgl zB BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 57 f). Schließlich wurde auch in Konstellationen entschieden, in denen - wie hier - das letzte Beschäftigungsverhältnis vor dem Bezug von Arbeitslosengeld auf ärztliches Anraten, also aufgrund von Erkrankungen, beendet wurde (vgl BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 16/16 R - juris RdNr 2, 7).
Nach der Rechtsprechung des BSG bestehen - in allen diesen Fallvarianten - keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den grundsätzlichen Anrechnungsausschluss von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn (§ 51 Abs 3a Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI). Das BSG hat auch befunden, dass der Gesetzgeber mit Ausgestaltung der Rückausnahmeregelung in § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 3 SGB VI seinen Gestaltungsrahmen nicht überschritten hat, der bei einer bevorzugenden Typisierung besonders groß ist (vgl BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 19/17 R - BSGE 127, 262 = SozR 4-2600 § 51 Nr 3, RdNr 48 mwN). Das BVerfG betont in seinen jüngsten Nichtannahmebeschlüssen, dass der Einsatz generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen dem Gesetzgeber gerade bei Massenerscheinungen im Sozialleistungsbereich grundsätzlich offen steht und ihm durch Art 3 Abs 1 GG auch Stichtagsregelungen nicht verwehrt sind (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 14.3.2024 - 1 BvR 2044/23 - RdNr 18, 19, 25; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 15.4.2024 - 1 BvR 2076/23 - juris RdNr 18, 19, 25).
Zwar werden durch die Regelung des Halbsatzes 2 Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn ungleich behandelt gegenüber solchen Zeiten, die in früheren Jahren zurückgelegt wurden. Zugleich besteht auch eine Ungleichbehandlung gegenüber den Pflichtbeitragszeiten bzw Anrechnungszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit, des Bezugs von Leistungen wegen Krankheit oder Übergangsgeld wie auch gegenüber Berücksichtigungszeiten. Jedoch knüpft die Differenzierung nicht an das Lebensalter oder das Bestehen oder Nichtbestehen einer Erkrankung oder Behinderung an, sondern an den Zeitpunkt des antragsabhängigen Rentenbeginns (§ 99 Abs 1 SGB VI - vgl zu diesem Gesichtspunkt BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 53) bzw an den Zeitraum des Bezugs von Arbeitslosengeld (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 14.3.2024 - 1 BvR 2044/23 - RdNr 26; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 15.4.2024 - 1 BvR 2076/23 - juris RdNr 26), sodass die vom Kläger behauptete "Nähe des Kriteriums zu Art 3 Abs. 3 GG" nicht gegeben ist. Das Vorhandensein oder Fehlen des weiteren Differenzierungsmerkmals "Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung" ist (in Abgrenzung zu anderen Pflichtbeitrags- oder Anrechnungszeiten) anders als die Persönlichkeitsmerkmale des Art 3 Abs 3 GG der Einflussnahme des Betroffenen nicht gänzlich entzogen (vgl BSG aaO, RdNr 53). Dies gilt insbesondere, wenn dem Bezug von Leistungen der Arbeitsförderung - wie hier - eine Eigenkündigung des Klägers vorausgegangen ist.
Vor diesem Hintergrund bedarf es, wie das BVerfG klargestellt hat, zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung durch den Gesetzgeber lediglich hinreichender sachlicher Gründe (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 14.3.2024 - 1 BvR 2044/23 - RdNr 28; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 15.4.2024 - 1 BvR 2076/23 - juris RdNr 28). Einen solchen Grund bildet das vom Ausschuss für Arbeit und Soziales genannte Ziel der Vermeidung von Fehlanreizen durch die ursprünglich vorgesehene unbeschränkte Anrechenbarkeit von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales ≪11. Ausschuss≫ vom 21.5.2014 - BT-Drucks 18/1489 S 5 und S 26 zu Buchst b; ebenso bereits der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD vom 20.5.2014 zum Entwurf des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes, Ausschussdrucks 18≪11≫102 S 2 zu Nr 1 Buchst b). Der Gesetzgeber durfte im Rahmen des ihm zustehenden weiten Einschätzungs- und Prognosespielraums davon ausgehen, dass mit der angegriffenen Regelung als missbräuchlich angesehene Frühverrentungen verhindert werden könnten. Der von ihm im Halbsatz 2 gewählte Ausschlusszeitraum ist verhältnismäßig, denn er entspricht dem Zeitraum, in dem Arbeitslosengeld maximal vor dem Rentenbeginn bezogen werden kann (§ 147 Abs 2 SGB III). Schließlich wäre das Regelungsziel, die Verhinderung von Fehlanreizen in Bezug zu einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben unter Inanspruchnahme von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung bereits vor Vollendung des 63. Lebensjahres, entgegen der Ansicht des Klägers, nicht allein durch die Regelungen des Arbeitsförderungsrechts, namentlich die Sperrzeitenregelung, zu erreichen gewesen (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 14.3.2024 - 1 BvR 2044/23 - RdNr 30 ff; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 15.4.2024 - 1 BvR 2076/23 - juris RdNr 30 ff; BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 53).
Der Gesetzgeber war aufgrund seiner Befugnis zu einer begünstigenden Typisierung auch berechtigt, nur für die entsprechende Vergleichsgruppe von Versicherten eine Rückausnahme zu regeln, deren Bezug von Arbeitslosengeld durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt war. Er durfte davon ausgehen, dass in den von ihm ausdrücklich geregelten Fällen typischerweise keine missbräuchliche Frühverrentung vorliegt. Die verwaltungspraktischen Schwierigkeiten einer genauen Ermittlung der Hintergründe der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bedeuten auch, dass die durch die Typisierung eintretenden Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären. Die Zahl der von der Typisierung zu Unrecht betroffenen Personen, die nicht den Rückausnahmen unterfallen, bei denen aber tatsächlich keine nach den Vorstellungen des Gesetzgebers missbräuchliche Gestaltung vorliegt, kann gerade wegen der tatsächlichen Schwierigkeiten der Ermittlungen auch nicht sicher festgestellt werden (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 14.3.2024 - 1 BvR 2044/23 - RdNr 35; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 15.4.2024 - 1 BvR 2076/23 - juris RdNr 35 zum Fall einer betriebsbedingten Kündigung).
Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG schließlich auch nicht darin zu sehen, dass der Bezug von Arbeitslosengeld vor und nach dem 1.7.2014 gleich behandelt wird. Der Kläger rügt insoweit, der Leistungsbezug vor dem Inkrafttreten der Neuregelung könne nicht auf eine missbräuchliche Frühverrentung zurückzuführen sein. Außerdem habe er den Ausschluss nicht durch die Aufnahme einer geringfügigen versicherungspflichtigen Beschäftigung umgehen können. Die Einführung der Regelungen zu einem bestimmten Stichtag ist jedoch vom weiten Spielraum des Gesetzgebers gedeckt, zumal gerade in der gesetzlichen Rentenversicherung Änderungen häufig mit der Bestimmung von Stichtagen verbunden sind (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 14.3.2024 - 1 BvR 2044/23 - RdNr 38 f; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 15.4.2024 - 1 BvR 2076/23 - juris RdNr 38 f).
f) Soweit der Kläger vorbringt, die Nichtanrechnung der Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs auf die Wartezeit von 45 Jahren verstoße zugleich gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG, ist geklärt, dass § 51 Abs 3a Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI nicht in eine den Versicherten bereits zuerkannte Rechtsposition eingreift (vgl BSG Beschluss vom 7.9.2023 - B 5 R 75/23 B - juris RdNr 16 mwN; vgl auch BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 14.3.2024 - 1 BvR 2044/23 - RdNr 10, 23; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 15.4.2024 - 1 BvR 2076/23 - juris RdNr 10, 23).
g) Soweit der Kläger auf das Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 ua) hinweist, ergibt sich daraus kein weiterer Klärungsbedarf. Die Entscheidung betrifft die aus Art 1 Abs 1 GG abgeleitete Pflicht des Staates, Sozialleistungen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums fortlaufend realitätsgerecht zu bemessen (vgl dazu grundlegend BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - BVerfGE 137, 34, 72 - RdNr 76 ff mwN). Mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Begünstigungsausschluss befasst sie sich nicht (vgl BSG Beschluss vom 7.9.2023 - B 5 R 75/23 B - juris RdNr 15). In dem vom Kläger ebenfalls herangezogenen Beschluss des BVerfG vom 28.6.2022 (2 BvL 9/14 ua - BVerfGE 162, 277) wurden zwar die vom Gesetzgeber für einen Begünstigungsausschluss beim Kindergeld gewählten Differenzierungskriterien beanstandet. Die verfassungsrechtliche Bewertung des § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Buchst a SGB VI durch das BSG wird damit indes nicht in Frage gestellt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 iVm einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16683560 |