Leitsatz (amtlich)

Im Rentenfeststellungsverfahren des Versicherungsträgers und im sozialgerichtlichen Verfahren besteht bei dem nach ArVNG Art 2 § 14 erforderlichen Nachweis längerer als der pauschal anzurechnenden Ausfallzeiten jedenfalls insoweit keine Beschränkung auf bestimmte Arten von Beweismitteln, als es sich um Zeiten der Arbeitslosigkeit iS des RVO § 1259 Abs 1 Nr 3 handelt.

 

Normenkette

RVO § 1259 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 14 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juli 1963 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Berechnung des dem Kläger gewährten Altersruhegeldes anstelle der pauschalen Ausfallzeit die Zeit vom 1. Februar 1930 bis zum 31. März 1935 als vom Kläger nachgewiesene Ausfallzeit anzurechnen ist (Art. 2 § 14 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - ArVNG -). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Sozialgerichts (SG) zurückgewiesen. Es hat auf Grund von Zeugenaussagen festgestellt, daß der Kläger während der streitigen Zeit arbeitslos im Sinne des § 1259 Abs. 1 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gewesen ist. Die Beklagte rügt mit ihrer Revision, das Berufungsgericht hätte sich nicht auf Zeugenaussagen stützen dürfen. Solche stellten keinen Nachweis im Sinne des Art. 2 § 14 ArVNG dar.

Die Revision ist zwar form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, sie ist jedoch nach § 160 in Verbindung mit § 162 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht statthaft. Da das LSG die Revision nicht zugelassen hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und die Voraussetzungen der Nr. 3 des § 162 Abs. 1 SGG schon der Sache nach nicht vorliegen können, wäre sie nur statthaft, wenn die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge durchgriffe (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Art. 2 § 14 Satz 1 ArVNG gesteht bei der Berechnung der Rente für die Zeit vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes grundsätzlich ein Zehntel der bis dahin mit Pflichtbeiträgen belegten Zeit als Ausfallzeit zu, "wenn der Berechtigte nicht längere Ausfallzeiten nachweist." Ob damit - im Gegensatz zu dem im Verfahren der Versicherungsträger und im sozialgerichtlichen Verfahren herrschenden Amtsermittlungsgrundsatz - dem Versicherten und Kläger die Beweisführungslast auferlegt wird, wofür der Wortlaut spricht, oder ob der Versicherungsträger und das Gericht von Amts wegen versuchen müssen, diesen Nachweis zu führen, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten weder aus Art. 2 § 14 ArVNG noch aus § 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO bei der Führung dieses Nachweises irgendeine Beschränkung der zur Verfügung stehenden Beweismittelarten. Art. 2 § 14 Satz 1 ArVNG spricht allgemein von dem Erfordernis des Nachweises, ohne irgendeine Beschränkung der Beweismittelarten erkennen zu lassen. Ob man nun Art. 2 § 14 ArVNG insoweit eine eigenständige Bedeutung zumißt oder ob man diese Vorschrift auch insoweit nur als eine Ergänzung des § 1259 RVO mit der Folge bewertet, daß auch hier die in § 1259 RVO enthaltenen Beschränkungen der Beweismittelarten zu berücksichtigen sind, kann dahinstehen. Denn auch § 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO enthält keine Beschränkung der Beweismittelarten. § 1259 Abs. 1 Nr. 3 RVO stellt nur darauf ab, ob die im einzelnen aufgeführten materiellen Voraussetzungen vorliegen. Wenn in Nr. 1 und 2 des Abs. 1 des § 1259 RVO eine Beschränkung der Beweismittelarten vorgenommen ist, während in Nr. 3 bis 5 keine solche Regelung getroffen ist, so spricht schon dieser Umstand dafür, daß der Gesetzgeber in den Nummern 3 bis 5 eine solche Regelung bewußt unterlassen hat. Zudem stehen bei Nr. 1 und 2 anders als bei Nr. 3 bis 5 medizinische Fragen, und zwar in der Vergangenheit liegende medizinische Befunde im Vordergrund. Hier ist der Gesetzgeber offenbar - wohl nicht zu Unrecht - davon ausgegangen, daß erfahrungsgemäß etwa durch Zeugenaussagen eine nachträgliche Aufklärung oft recht schwierig und unsicher ist und hat deshalb eine Beschränkung der Beweismittelarten vorgenommen. Bei den in Nr. 3 bis 5 aufgezählten Sachverhalten handelt es sich aber nicht um solche medizinische Fragen, so daß für den Gesetzgeber kein Grund ersichtlich war, auch hier eine Beschränkung auf bestimmte Beweismittelarten einzuführen (im Ergebnis so auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Band III S. 700 i; a. A. Kommentar zur Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 6. Aufl. Bd. I, Anm. 12 zu § 1259).

Da die Revision somit nicht statthaft ist, mußte sie nach § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2375246

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