Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung des § 103 SGG

 

Orientierungssatz

Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind nur dann verpflichtet, Sachverständige auf Antrag zur mündlichen Erläuterung ihrer schriftlichen Gutachten zu laden, wenn der Antragsteller sachdienliche Fragen ankündigt.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 103

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 14.03.1989; Aktenzeichen L 5 U 164/84)

 

Gründe

Der Kläger ist mit seinem Begehren, Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erhalten, ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 1980; Urteile des Sozialgerichts -SG- vom 15. November 1984 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 14. März 1989). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger sei bei dem Verkehrsunfall vom 10. April 1979 nur so geringfügig verletzt worden, daß die psychischen Krankheitserscheinungen nicht - jedenfalls nicht über den 10. April 1980 hinaus - auf das Unfallereignis zurückgeführt werden könnten. Bei dem Kläger habe vielmehr eine besonders leicht ansprechbare Disposition zu außergewöhnlichen psychischen Reaktionen bestanden, die als rechtlich allein wesentliche Ursache für die nunmehr bestehende Krankheit anzusehen sei. Daß das Unfallerlebnis demgegenüber keine wesentliche Rolle gespielt haben könne, habe Prof. Dr. H.   in seinem Gutachten vom 29. Oktober 1988 überzeugend dargestellt.

Mit seiner hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger in erster Linie Verfahrensfehler. So habe das LSG "in diesem Grundsatzfall" nicht auf eine ordnungsgemäße Vertretung der Beklagten hingewirkt: Anstelle des Geschäftsführers hätte der Vorstand tätig werden müssen. Außerdem sei das LSG den hilfsweise gestellten Anträgen auf ergänzende Anhörung von Prof. Dr. O.          bzw Prof. Dr. P.     nicht gefolgt, obwohl hierzu in Ansehung der unterschiedlichen Gutachtensergebnisse bzw des im Gutachten von Prof. Dr. H.   enthaltenen Widerspruchs ebenso Anlaß bestanden habe wie zur Einholung eines Obergutachtens. Außerdem sei die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen. Grundsätzlich klärungsbedürftig sei die Beweislastfrage, und zwar insofern, als zu klären sei, ob die Beklagte für den Einwand der Gelegenheitsursache letztlich beweispflichtig bleibe, oder ob - wie das LSG anzunehmen scheine - der Kläger diesen Einwand ausräumen müsse.

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form; insbesondere sind die vom Kläger vorgetragenen Zulassungsgründe nicht schlüssig dargelegt (s BSG SozR 1500 § 160a Nr 24; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44).

Sofern mit der Beschwerde eine Verletzung des § 106 Abs 1 SGG gerügt wird, fehlt es an Ausführungen zu §§ 35 Abs 2 und 36 Abs 1 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) iVm §§ 17 Abs 4 und 20 der Satzung der Beklagten, wonach der Geschäftsführer den Versicherungsträger hinsichtlich der laufenden Verwaltungsgeschäfte gerichtlich und außergerichtlich vertritt (s u a Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. - 11. Aufl, Bd I/1, S 156o, 156q).

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) sowie auf eine Verletzung des § 103 SGG (richterliche Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargelegt.

Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind nur dann verpflichtet, Sachverständige auf Antrag zur mündlichen Erläuterung ihrer schriftlichen Gutachten zu laden, wenn der Antragsteller sachdienliche Fragen ankündigt (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl, RdNr 12a zu § 118). Zwar kann vom Beteiligten nicht verlangt werden, seine Fragen im einzelnen auszuformulieren. Die Notwendigkeit der Befragung muß jedoch nachvollziehbar dargelegt werden (vgl Schur, SGb 1985, 529 ff, 532). Diesen Anforderungen wurde der Kläger weder im Berufungsverfahren gerecht, noch genügt das Beschwerdevorbringen diesen Erfordernissen. Das gilt sowohl für den allgemeinen Hinweis auf die unterschiedlichen Gutachtensergebnisse als auch für das wörtliche Zitat von Seite 82 des Gutachtens von Prof. Dr. H.. Inwiefern sich daraus eine Widersprüchlichkeit ergeben soll, ist nicht erkennbar. Der Kläger hat sich auch nicht mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt, in denen das LSG dargelegt hat, weshalb es den Beweisanträgen nicht gefolgt ist.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist ebenfalls nicht dargelegt. Der Kläger hat sich weder mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Gelegenheitsursache auseinandergesetzt (vgl hierzu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 488s mit zahlreichen Nachweisen), noch dargetan, daß es für die Entscheidung im vorliegenden Fall auf die Beantwortung einer Beweislastfrage ankommt.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649140

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