Verfahrensgang
Tenor
Die Verfahren zu den Aktenzeichen B 13 R 5/18 R und B 13 R 203/18 B werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Der Antrag, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Revision der Klägerin gegen dieses Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren und das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Das Hessische LSG hat mit Urteil vom 29.5.2018 einen Anspruch der Klägerin auf Zuerkennung weiterer Entgeltpunkte wegen der Erziehung ihrer beiden vor 1992 geborenen Kinder verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem am 24.7.2018 zugestellten Urteil des LSG hat die Klägerin mit am 10.8.2018 beim BSG eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten Beschwerde "und vorsorglich Revision" eingelegt. Zugleich hat sie im Hinblick auf eine gegen das Urteil des BSG vom 28.6.2018 (B 5 R 12/17 R - SozR 4-2600 § 307d Nr 3) angekündigte Verfassungsbeschwerde das Ruhen des Verfahrens beantragt. Mit weiterem Schriftsatz vom 21.8.2018 hat sie die "Beschwerde und Revision" begründet und "beantragt, die Angelegenheit nach Art 100 GG dem BVerfG vorzulegen".
II
1. Der Antrag der Klägerin, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, war abzulehnen. Nach § 202 S 1 SGG iVm § 251 S 1 ZPO setzt die Ruhensanordnung einen Antrag beider Beteiligten voraus. Vorliegend hat jedoch nur die Klägerin einen entsprechenden Antrag gestellt; ein Antrag der Beklagten liegt nicht vor.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
Die Beschwerde der Klägerin ist schon deshalb unzulässig, weil weder in der Beschwerdebegründung vom 21.8.2018 noch in den - ohnehin nach Ablauf der Frist zur Beschwerdebegründung am 24.9.2018 - eingegangenen weiteren Schriftsätzen vom 15.10.2018, 14.1.2019 und 6.2.2019 einer der Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 SGG konkret benannt wird. Unabhängig hiervon ist die Beschwerde aber selbst dann unzulässig, wenn man der Beschwerdebegründung sinngemäß die Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache entnimmt. Auch den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - Juris RdNr 12).
Sinngemäß hält die Klägerin die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,
"ob § 249 Abs. 1 SGB VI und die Anrechnungsvorschriften bei während der Kindererziehung ausgeübter beruflicher Tätigkeit gegen Art. 3 und 6 GG verstoßen" und
"ob Altmütter bei der Anerkennung von Kindererziehungszeiten gegenüber Neumüttern benachteiligt sind".
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit eine oder mehrere hinreichend konkrete Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen hat. Jedenfalls hat sie - die Qualität als Rechtsfrage jeweils unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit bzw Klärungsfähigkeit dieser Fragen nicht den nach § 160a Abs 2 S 3 SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt.
b) Wird mit der Beschwerde - wie vorliegend - ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, darf sich die Beschwerdebegründung zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht auf die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung und Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu der oder den als verletzt erachteten Verfassungsnormen in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB BSG Beschluss vom 24.7.2018 - B 13 R 23/18 B - Juris RdNr 8 mwN). Speziell in Bezug auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes muss die Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG darlegen, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen. Dabei muss sie sich insbesondere auch mit den Gründen für eine Differenzierung zwischen den Vergleichsgruppen auseinandersetzen (BSG Beschluss vom 25.1.2017 - B 13 R 350/16 B - Juris RdNr 8 mwN). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
Zwar wird in der Beschwerdebegründung der Klägerin knapp ausgeführt, eine Ungleichbehandlung bestehe in der Zuerkennung von lediglich zwei Entgeltpunkten je Kind bei Müttern von vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern anstelle von drei Entgeltpunkten bei Müttern mit nach diesem Stichtag geborenen Kindern. Darüber hinaus bestehe eine Ungleichbehandlung zum Nachteil von Frauen, die während der Kindererziehung erwerbstätig gewesen sind, die zugleich gegen Art 6 GG verstoße. Ferner wird ausgeführt, keine der vom LSG zitierten Entscheidungen des BVerfG habe sich mit diesen Fragen befasst. Es gehe ausschließlich um andersgeartete Lebenssachverhalte. Zudem hielten die Ausführungen des LSG zu dem vom BVerfG dem Gesetzgeber für die Beseitigung der Ungleichbehandlung von Alt- und Neumüttern eingeräumten weiten Spielraum einer Überprüfung nicht stand. Jedoch versäumt es die Klägerin entgegen den vorstehend genannten Anforderungen, anhand der Rechtsprechung des BVerfG zu Art 3 Abs 1 GG und Art 6 Abs 1 GG darzulegen, welche Maßstäbe für die Prüfung eines Grundrechtsverstoßes in Bezug auf diese Normen gelten. Tatsächlich wird nicht ein einziger Rechtssatz des BVerfG hierzu zitiert oder auch nur die vermeintlich verfassungswidrige Anrechnungsvorschrift - gemeint sein dürfte § 70 Abs 2 S 2 SGB VI - konkret benannt. Zugleich unterlässt es die Klägerin, überhaupt auf die im angegriffenen Urteil umfangreich zitierte Rechtsprechung des BSG zu § 70 Abs 2 SGB VI (zB BSG Urteil vom 17.12.2002 - B 4 RA 46/01 R - SozR 3-2600 § 70 Nr 6; BSG Urteil vom 12.12.2006 - B 13 RJ 22/05 R - SozR 4-2600 § 70 Nr 2) oder zu § 249 Abs 1 SGB VI (BSG Urteil vom 18.10.2005 - B 4 RA 56/04 R - Juris RdNr 14) einzugehen. Es hätte der Klägerin oblegen, die einschlägige Rechtsprechung des BSG darauf zu untersuchen, ob diese ggf ausreichende Hinweise für die Beantwortung der von ihr formulierten und als klärungsbedürftig angesehenen Fragen enthält. Denn auch wenn das BSG eine Frage - in diesem Falle zur Rechtslage nach dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVLVG - vom 23.6.2014, BGBl I 787) - noch nicht ausdrücklich entschieden hat, so ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - Juris RdNr 19). Entsprechende Ausführungen fehlen in der Beschwerdebegründung.
c) Schließlich fehlen entgegen den nach § 160a Abs 2 S 3 SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen auch Ausführungen der Klägerin zur Klärungsfähigkeit der von ihr aufgeworfenen Fragen. So versäumt sie es darzulegen, dass der Senat in den angestrebten Revisionsverfahren tatsächlich über die formulierte Frage entscheiden müsste (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 14k mwN). Hierfür hätte sie zunächst den der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt darstellen und zumindest ausführen müssen, dass sie - ausgehend von den durch das LSG mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellten Tatsachen - durch die vermeintlich verfassungswidrigen Regelungen tatsächlich selbst und unmittelbar nachteilig betroffen ist. Die Angaben zum konkreten, hier allein entscheidungserheblichen Sachverhalt beschränken sich jedoch auf einen Satz zur Situation der Klägerin nach dem zweiten Staatsexamen und den Vortrag, sie erhalte "für die Kindererziehung nicht die vollen 4 (angestrebt 6) Entgeltpunkte für ihre beiden Kinder, sondern einen geringeren Betrag". Zu einer eingehenden Darlegung der Klärungsfähigkeit hätte aber bereits deshalb Anlass bestanden, weil nach den Ausführungen im LSG-Urteil die angegriffene Rentenneuberechnung nicht aufgrund der Neufassung des § 249 SGB VI durch das RVLVG, sondern aufgrund von § 307d SGB VI erfolgt ist.
d) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die bereits mit der Beschwerdeschrift vom 9.8.2018 "vorsorglich" eingelegte Revision ist gemäß § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist.
Nach § 160 Abs 1 SGG steht den Beteiligten gegen Entscheidungen des LSG die Revision an das BSG nur zu, wenn sie in der Entscheidung des LSG oder in dem Beschluss des BSG nach § 160a Abs 4 S 1 SGG zugelassen worden ist. Beides ist vorliegend nicht der Fall (s oben Tenor und unter 2.).
4. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG, die der Revision gemäß § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; bezüglich der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch auf einer entsprechenden Anwendung dieser Norm.
Fundstellen
Dokument-Index HI13124892 |