Leitsatz (redaktionell)

Zum Beweis des ersten Anscheins.

 

Orientierungssatz

Die Auffassung von der Unanwendbarkeit des Anscheinsbeweises im Sozialgerichtsprozeß wird in der Tat vertreten und vornehmlich darauf gestützt, daß diese Beweislehre an Erfahrungssätzen anknüpfe, nämlich an die Erfahrung, daß gewisse typische Geschehensabläufe auf eine bestimmte Ursache oder Folge hinweisen. Für solche Beweisschlüsse soll nur Raum sein in Verfahrensarten, in denen der Tatsachenstoff von den Prozeßparteien beizubringen ist, und in denen den Parteien die Beweisführungslast obliegt. Es wird vorgebracht, beim Anscheinsbeweis beharre der Richter zunächst bei dem Anschein und gehe auf weitere Geschehensmöglichkeiten erst ein, wenn der angenommene typische Ablauf der Dinge in Frage gestellt worden sei. Von einer solchen Betrachtungsweise könne aber keine Rede sein, wenn - wie im sozialgerichtlichen Verfahren - dem Richter die Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen aufgetragen sei (so ua Bischoff in SGb 1964, 399). - Diese Auffassung überzeugt nicht. Die Behauptungs- und Beweisführungslast der Prozeßbeteiligten, wie sie den normalen Zivilprozeß beherrscht, wird zwar durch die Möglichkeit des Anscheinsbeweises erleichtert; sie ist aber nicht notwendig Voraussetzung für seine Verwendung überhaupt. Vielmehr kann der Rückgriff auf den Beweis des ersten Anscheins in allen Fällen geboten sein, in denen der Sachverhalt nach Erschöpfung der Aufklärungsmittel eine "dichtere", jedes einzelne Glied in der Kette des Tatsachenverlaufs erfassende Überzeugungsbildung nicht zuläßt (Blomeyer und Tietgen, Verhandlungen des 46. Deutschen Juristentags 1966 1 2 A, 2 B, S 17 ff, 84 ff).So hat denn auch das BSG den Anscheinsbeweis wiederholt als erlaubte Beweisart anerkannt (BSG 1964-07-24 10 RV 331/62 = BSGE 12, 242, 246 und BSG 1960-06-30 2 RU 86/56 = BVBl 1964, 169).

 

Normenkette

SGG § 128 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1953-09-03

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2195390

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