Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollmachtlos eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde. Frist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz (amtlich)
Wird eine vollmachtlos eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss als unzulässig verworfen, weil trotz gerichtlicher Fristsetzung keine Vollmacht für den Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers vorgelegt wurde, kann dieser Mangel nicht rückwirkend durch eine nunmehr erteilte Vollmacht und die darin liegende Genehmigung der bisherigen Prozessführung geheilt werden.
Orientierungssatz
§ 67 SGG regelt die Wiedereinsetzung bei der Versäumung "gesetzlicher Fristen". Bei der Versäumung einer "gerichtlichen oder richterlichen Frist" kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden.
Normenkette
SGG §§ 67, 73, 160a; BGB § 177 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 10.07.2007; Aktenzeichen L 2 U 50/07) |
SG Mainz (Entscheidung vom 30.11.2006; Aktenzeichen S 5 U 120/04) |
Gründe
Die Beschwerde des Klägers vom 29. Oktober 2007 gegen den Beschluss des Senats vom 22. Oktober 2007 - B 2 U 244/07 B -, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers vom 3. August 2007 gegen den Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 10. Juli 2007 als unzulässig verworfen wurde, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers trotz Erinnerung mit Fristsetzung keine schriftliche Vollmacht gemäß § 73 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu den Akten gereicht hatte, wird als unzulässig verworfen, denn gegen Beschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) ist kein Rechtsmittel gegeben (vgl §§ 172, 177 SGG).
Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) muss zurückgewiesen werden, auch wenn er zwischenzeitlich die Vollmacht vorgelegt hat und vorträgt, durch eine krankheitsbedingte Ausnahmesituation seines Prozessbevollmächtigten an einer fristgerechten Vorlage der Vollmacht gehindert gewesen zu sein.
§ 67 SGG ist zunächst von seinem Wortlaut her auf eine Situation der vorliegenden Art nicht anwendbar, weil er die Wiedereinsetzung bei der Versäumung "gesetzlicher Verfahrensfristen" regelt, der Kläger aber eine sog "gerichtliche oder richterliche Frist" versäumt hat (vgl Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 67 RdNr 2c; Littmann in Handkommentar SGG, 2. Aufl 2005, § 67 RdNr 2).
Gegen eine Anwendung sprechen zudem folgende Überlegungen: Die Voraussetzungen eines Rechtsmittels müssen am Schluss der mündlichen Verhandlung oder, wenn das Gericht ohne eine solche entscheidet, zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen. Ein Rechtsmittel, das ohne Vollmacht eingelegt wird, ist zunächst schwebend unwirksam, weil das Gericht den vollmachtlosen Prozessbevollmächtigten einstweilen zulassen kann und der Vertretene die bisherige Prozessführung genehmigen und damit wirksam machen kann (vgl § 177 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ≪BGB≫). Dass dieser Schwebezustand nach dem Willen des Gesetzes nur eine begrenzte Zeit dauern soll, ist § 177 Abs 2 BGB zu entnehmen. Setzt das Gericht daher eine Frist zur Beibringung der fehlenden Vollmacht und wird diese nicht bis zu der - nach Fristablauf liegenden - Entscheidung des Gerichts beigebracht, so wird die schwebende Unwirksamkeit des Rechtsmittels mit dem Erlass der Entscheidung beendet: Der vollmachtlose Vertreter ist zurückgewiesen worden, das Rechtsmittel ist endgültig unzulässig.
Die rückwirkende Berücksichtigung einer erst nach der Entscheidung vorgelegten Vollmacht, zB im Wege einer analogen Anwendung des § 67 SGG über die Wiedereinsetzung, würde nicht den in der Entscheidungssituation bestehenden Mangel der Vollmacht beseitigen, sondern einer zum Zeitpunkt ihres Ergehens richtigen Entscheidung nachträglich die Grundlage entziehen. Eine andere Auffassung stünde nicht im Einklang mit den im Übrigen streng fristgebundenen Voraussetzungen der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a Abs 1, 2 SGG), weil diese durch die später erfolgende Wiedereinsetzung unterlaufen werden könnten. Dies stände auch im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber verfolgten Absicht der Beschleunigung und Straffung gerichtlicher Verfahren, zumal die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde zunächst die Rechtskraft des nach der Entscheidung des LSG nicht anfechtbaren Urteils hemmt (§ 160a Abs 3 SGG) und dieses erst mit der Ablehnung der Beschwerde durch das BSG rechtskräftig wird (§ 160a Abs 3 Satz 3 SGG). Dementsprechend kann der Mangel einer vollmachtlos eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, die durch Beschluss als unzulässig verworfen worden ist, weil trotz gerichtlicher Fristsetzung keine Vollmacht für den Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers vorlegt wurde, nicht rückwirkend durch eine nunmehr erteilte Vollmacht und die darin liegende Genehmigung der bisherigen Prozessführung geheilt werden (vgl GmSOGB SozR 1500 § 73 Nr 4 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen