Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 20.12.2016; Aktenzeichen L 15 AS 478/13) |
SG Bremen (Entscheidung vom 06.11.2013; Aktenzeichen S 23 AS 817/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20.12.2016 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt F.B., B., beizuordnen, wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers - eines zugelassenen Rechtsanwalts - gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht zulässig. Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hat der Kläger in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Soweit ihr zu entnehmen ist, dass als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage erachtet wird, ob nach einer Übertragung der Berufung nach § 153 Abs 5 SGG durch Beschluss auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern eine Rückübertragung auf den Senat zulässig ist, setzt sich die Begründung nicht mit bereits vorliegender Rechtsprechung des BSG auseinander. Nach dieser formuliert § 153 Abs 5 SGG nicht nähere inhaltliche Anforderungen an eine Übertragung der Berufung; vielmehr überantwortet das Gesetz die Entscheidung über die Übertragung dem Senat als berufsrichterliches Kollegium, ohne die Möglichkeit einer Rückübertragung auf den Senat zu regeln (BSG vom 9.3.2016 - B 14 AS 20/15 R - BSGE 121, 55 = SozR 4-4200 § 43 Nr 1, RdNr 13). Warum hiernach gleichwohl insoweit noch eine Klärungsbedürftigkeit besteht, lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen.
Soweit als grundsätzlich klärungsbedürftig zudem die Rechtmäßigkeit der durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 (vom 9.12.2010, BGBl I 1885, mit Wirkung vom 1.1.2011) geänderten Regelungen des SGB II und SGB VI zur rentenrechtlichen Bewertung von Zeiten des Leistungsbezugs nach dem SGB II erachtet wird, können der Beschwerdebegründung keine Ausführungen dazu entnommen werden, dass diese Frage in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig und klärungsfähig sein könnte, obwohl nach der Beschwerdebegründung vorliegend Leistungen nur für das Jahr 2008 streitbefangen sind.
Die im Zusammenhang mit den Grundsatzrügen hilfsweise geltend gemachte Abweichung (Divergenz) von höchstrichterlicher Rechtsprechung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) genügt den Begründungsanforderungen nicht, weil schon nicht bezeichnet wird, von welcher Entscheidung welchen Gerichts die angefochtene Entscheidung des LSG abweichen soll.
Auch ein Verfahrensmangel ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann. Soweit eine fehlerhafte Besetzung des LSG durch seine Entscheidung nur mit dem Berichterstatter und ehrenamtlichen Richtern gerügt wird, lassen sich der Beschwerdebegründung genügende Anhaltspunkte dafür, dass das LSG von dem ihm durch § 153 Abs 5 SGG eingeräumten Ermessen in einer Weise fehlerhaft Gebrauch gemacht haben könnte, dass es bei seiner Entscheidung über die Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des SG strukturell falsch besetzt war, nicht entnehmen (zur Ermessensentscheidung nach § 153 Abs 5 SGG vgl BSG vom 9.3.2016 - B 14 AS 20/15 R - BSGE 121, 55 = SozR 4-4200 § 43 Nr 1, RdNr 13; zur strukturellen Falschbesetzung nach Zahl und/oder Status der mitwirkenden Richter im Unterschied zur konkreten personellen Falschbesetzung der Richterbank vgl bereits BSG vom 8.11.2007 - B 9/9a SB 3/06 R - BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2, RdNr 13 f). Auch soweit die Mitwirkung des Richters am LSG H. als fehlerhaft gerügt wird, der selbst im Urteil über das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch entschieden habe, lassen sich der Beschwerdebegründung genügende Anhaltspunkte für eine unzulässige Selbstentscheidung nicht entnehmen. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) in dem Fall eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs einer Selbstentscheidung der abgelehnten Richter über das Gesuch nicht entgegensteht. Wie im Zivil- und Strafprozess ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren anerkannt, dass der Spruchkörper ausnahmsweise in der Besetzung mit den abgelehnten Richtern über unzulässige Ablehnungsgesuche entscheiden kann (vgl zu den Maßstäben BVerfG vom 15.6.2015 - 1 BvR 1288/14 - juris RdNr 11 ff). Dass diese Grenzen vorliegend überschritten sein könnten, lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen.
Soweit der Kläger rügt, dass das LSG einem Beweisantrag ohne zureichende Begründung nicht gefolgt sei (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG), fehlt es schon an der konkreten Bezeichnung des Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt sein soll. Ohne diese Bezeichnung wird indes aufgrund der Beschwerdebegründung nicht klar, wieso das LSG sich zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt sehen müssen (vgl zu den Anforderungen BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5).
Schließlich werden auch die den gerügten Verfahrensfehler einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG) begründenden Tatsachen in der Beschwerdebegründung nicht ausreichend konkret bezeichnet. Hierzu gehört, weil die Verletzung des rechtlichen Gehörs im sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 547 ZPO), grundsätzlich Vorbringen auch dazu, dass die Möglichkeit einer Beeinflussung der ergangenen Gerichtsentscheidung durch den gerügten Gehörsverstoß gegeben sein muss (vgl zu den Anforderungen BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 169/15 B - juris RdNr 9; vgl zur Vermutung der Beeinflussung der Entscheidung bei rechtswidrig abgelehntem Terminverlegungsantrag BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - juris RdNr 11). Dies lässt sich der Beschwerdebegründung des Klägers, der an der mündlichen Verhandlung vor dem LSG teilgenommen hatte, indes nicht genügend entnehmen.
Die vom Kläger zusätzlich zur fristgemäßen Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragte PKH ist ihm nicht zu bewilligen. Zum einen bedarf er als zugelassener Rechtsanwalt der PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht, um den Anforderungen des § 73 Abs 4 SGG über den Vertretungszwang beim BSG zu genügen, denn er kann sich selbst vertreten (§ 73 Abs 4 Satz 5 SGG) und hat dies im Beschwerdeverfahren auch getan. Zum anderen bietet seine Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO).
Soweit der Kläger mit seinem PKH-Antrag zum Ausdruck bringen wollte, dass er trotz seiner Zulassung als Rechtsanwalt den Anforderungen des § 73 Abs 4 SGG nicht zu genügen vermag und deshalb zur Wahrung dieser Anforderungen der Bewilligung von PKH bedarf, wäre sein PKH-Antrag verspätet, weil nicht bis zum Ablauf der Beschwerdeeinlegungsfrist einen Monat nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung des LSG gestellt, sondern erst am letzten Tag der antragsgemäß verlängerten Frist zur Begründung der Beschwerde und gemeinsam mit der Beschwerdebegründung durch den Kläger selbst.
Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11261086 |