Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Klärungsbedürftigkeit. Verfassungsmäßigkeit und richtige Anwendung der Vorschriften des AAÜG. Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung von BVerfG und BSG. Begründung des Vorliegens von Verfahrensfehlern
Leitsatz (redaktionell)
1. Für das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) hat der Kläger Rechtsfragen zu bezeichnen, die im Hinblick auf den Gegenstand des Verfahrens klärungsbedürftig und klärungsfähig sind.
2. Für die Frage, ob die Vorschriften des AAÜG zur Zugehörigkeit eines Zusatzversorgungssystems verfassungsgemäß und richtig angewandt sind, muss der Kläger darlegen, wegen welcher neuen, bisher durch das Bundesverfassungsgericht wie auch das Bundessozialgericht in ihrer umfangreichen Rechtsprechung (vgl. etwa BVerfGE 100, 1 ff., BVerfG SozR 3-8570 § 8 Nr 5; BSGE 76, 136, BSG SozR 4-2600 § 260 Nr 1, BSGE 90, 11, BSG SozR 3-8570 § 8 Nr 2 ff.,) noch nicht erwogenen Gesichtspunkte, eine erneute Klärungsbedürftigkeit der rechtlichen Problematik gegeben ist.
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1; AAÜG § 1
Verfahrensgang
LSG für das Land Brandenburg (Urteil vom 07.12.2004) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 7. Dezember 2004 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Gegenstand des Verfahrens vor dem Landessozialgericht (LSG) war das Begehren des Klägers, den beklagten Versorgungsträger zu verpflichten, die Zeit zwischen dem 1. Juni 1982 und dem 30. Juni 1990 als Tatbestände von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (Anlage 1 Nr 1 zum Anwartschafts- und Überführungsgesetz ≪AAÜG≫) und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Das LSG hat einen derartigen Anspruch des Klägers, der in der DDR in kein Versorgungssystem einbezogen war, verneint. Es hat ua ausgeführt: Der Kläger habe am 30. Juni 1990 nicht zur Gruppe derjenigen gehört, die in das System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz obligatorisch einzubeziehen gewesen seien. Denn er sei am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens, sondern in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beschäftigt gewesen. Wie sich aus dem Handelsregisterauszug ergebe, sei die durch die Privatisierung des volkseigenen Betriebs B… entstandene P… Hochbau GmbH am 29. Juni 1990 eingetragen gewesen. Damit sei die Umwandlung des volkseigenen Betriebs entsprechend § 7 der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 (GBl DDR I S 107) abgeschlossen und der volkseigene Betrieb erloschen gewesen.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde des Klägers ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 iVm § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen. Denn der Kläger hat in der Beschwerdebegründung entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG einen Revisionszulassungsgrund nicht dargetan. Er wendet sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde im Wesentlichen gegen das normierte Rentenüberleitungsrecht.
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat der Kläger nicht dargelegt. Denn er hat bereits keine Rechtsfragen bezeichnet, die im Hinblick auf den Gegenstand des Verfahrens klärungsbedürftig und klärungsfähig sind. Darüber hinaus hat er außer Acht gelassen, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in den Entscheidungen vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 1 ff) und vom 9. März 2000 (SozR 3-8570 § 8 Nr 5) und das Bundessozialgericht ≪BSG≫ (vgl ua Urteile des erkennenden Senats vom 14. Juni 1995 – 4 RA 41/94 – BSGE 76, 136 = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 1, vom 10. April 2003 – B 4 RA 41/02 R – SozR 4-2600 § 260 Nr 1, vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 120/00 R – BSGE 90, 11 = SozR 3-2600 § 255c Nr 1 und vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 50/02 R –; vgl auch BSG SozR 3-8570 § 8 Nr 2 ff sowie Urteil vom 8. Juni 2004 – B 4 RA 56/03 R) Folgendes entschieden haben:
a) Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) erstreckt sich allein auf die nach Maßgabe des Einigungsvertrags (EinigVtr) ausgestalteten und als Rechtspositionen der gesamtdeutschen Rechtsordnung anerkannten Ansprüche und Anwartschaften aus der Sozialversicherung sowie der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung und den Zusatzversorgungssystemen. Bis zum Beitritt genossen die in der DDR erworbenen Rentenansprüche und Rentenanwartschaften nicht den Schutz von Art 14 Abs 1 GG.
b) Der an das GG und nicht etwa an ein wie immer definiertes “Eigentums-Naturrecht” gebundene Gesetzgeber unterlag nicht den Bindungen des Individualgrundrechts aus Art 14 Abs 1 GG, als er Fragen der Überleitung regelte.
c) Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Berechtigten aus Versorgungssystemen der DDR so zu behandeln, als hätten sie ihre Versicherungsbiografie in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt; es war nicht verfassungswidrig, dass er die in der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften durch eine einheitliche, ausschließlich aus der gesetzlichen Rentenversicherung stammende Versicherungsleistung unter Verzicht auf Zusatzleistungen, die der betrieblichen Altersversorgung oder der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in Westdeutschland gleichen, ersetzt hat.
d) Die dem Vertrauensschutz für rentennahe Jahrgänge dienende Übergangs-(Bestands-)Schutzbestimmung der im EinigVtr ausgestalteten und in § 4 Abs 4 AAÜG fortgeschriebenen eigentumsgeschützten Zahlbetragsgarantie greift im Hinblick auf die darin enthaltene Stichtagsregelung nur ein, wenn die seit dem 1. Januar 1992 bestehende Anwartschaft auf eine Rente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bis zum Ablauf des 30. Juni 1995 zum Vollrecht erstarkt war.
aa) § 4 Abs 4 AAÜG verstößt nicht gegen Art 14 Abs 1 GG.
bb) Die Stichtagsregelung verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.
e) Ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn der Versorgungsträger nur einzelne versorgungsspezifische Daten verbindlich feststellt, hingegen die Entscheidung darüber, welche Leistungsansprüche auf Altersversorgung nach dem SGB VI den Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten zustehen, ausschließlich in die Entscheidungskompetenz des Rentenversicherungsträgers fällt.
f) Für die Anwendbarkeit des AAÜG (§ 1 Abs 1 AAÜG) kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, falls – wie hier – in der DDR keine Einbeziehung in ein Versorgungssystem erfolgt war, auf die am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage mit Blick auf die am 1. August 1991 gegebene bundesrechtliche Rechtslage an; die erweiternde Auslegung des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG sowie die Begrenzung auf den Personenkreis, der nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen (bundesrechtlich zum 1. August 1991) fingierten Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage nach den Texten der Versorgungsordnung gehabt hätte, stehen im Einklang mit Art 3 Abs 1 und 3 GG; eine darüber hinausgehende Gleichstellung weiterer Personengruppen, die vor dem 30. Juni 1990 aus einem von einem Versorgungssystem erfassten Beschäftigungsverhältnis bereits ausgeschieden waren, und deshalb nach den zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme die Voraussetzungen für eine fiktive Versorgungsanwartschaft nicht erfüllten, ist von Verfassungs wegen nicht geboten.
Im Hinblick auf diese Rechtsprechung und unter Berücksichtigung des oben aufgezeigten Verfahrensgegenstandes hätte der Kläger darlegen müssen, wegen welcher neuen, bisher noch nicht erwogenen Gesichtspunkte eine erneute Klärungsbedürftigkeit der rechtlichen Problematik gegeben ist. Insoweit hat er jedoch allein seine wiederholt vorgetragene Auffassung zu dem nach seiner Ansicht fehlerhaften und willkürlichen Rentenüberleitungsrecht vorgetragen. Hiermit hat sich der Senat jedoch bereits in zahlreichen Entscheidungen auseinander gesetzt. Darüber hinaus hat er in diesem Zusammenhang auch nicht dargelegt, dass die von ihm als grundsätzlich formulierten Fragen in einem Verfahren auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach §§ 8, 1 AAÜG überhaupt klärungsfähig sein könnten.
2. Eine Divergenz, auf der das Urteil des LSG beruht, hat der Kläger ebenfalls nicht ordnungsgemäß gerügt. Die von ihm angegebenen Rechtssätze des LSG und des BSG einerseits sowie des BVerfG und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Urteil vom 22. Januar 2004 andererseits stehen sich – wie der Senats ua bereits in dem dem Klägerbevollmächtigten bekannten Beschluss vom 23. August 2004 (B 4 RA 73/04 B) ausgeführt hat – auch unter Berücksichtigung der oben aufgezeigten Rechtsprechung nicht korrespondierend gegenüber. Der Kläger hätte die Entscheidungssätze in dem jeweiligen rechtlichen Zusammenhang darstellen und ua aufzeigen müssen, dass diese identische Sachverhalte und eine identische Rechtsproblematik betreffen und in dem angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich werden können. Insbesondere ist nicht aufgezeigt, in welchem Zusammenhang das LSG im Hinblick auf den dem Urteil zu Grunde liegenden Verfahrensgegenstand die vom Kläger behaupteten Rechtssätze aufgestellt haben soll.
3. Einen Verfahrensfehler, auf dem das Urteil des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), hat der Kläger ebenfalls nicht aufgezeigt.
a) Mit seinem Vorbringen, das LSG habe Sinn und Zweck des § 96 SGG verkannt, hat der Kläger keinen Verfahrensmangel ordnungsgemäß gerügt. Wird nämlich mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht, das Berufungsgericht habe in seinem Urteil über eine nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens gewordene fingierte Klage gegen einen Verwaltungsakt zu Unrecht nicht entschieden, muss in der Beschwerdebegründung dargelegt werden, dass diese – angeblich – fingierte Klage einen mit dem bislang streitbefangenen prozessualen Anspruch in den Grenzen von § 99 Abs 3 SGG gleichen Streitgegenstand betrifft und das Urteil dann für den Beschwerdeführer hätte günstiger ausfallen müssen, wenn über die fingierte Klage mitentschieden worden wäre (vgl BSG SozR 3-1500 § 96 Nr 9). Hieran fehlt es. Der Kläger hat bereits keinen derartigen Verwaltungsakt genannt, der in das Verfahren hätte mit einbezogen werden müssen.
b) Soweit der Kläger beanstanden sollte, das LSG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Rentenversicherungsträger zum Rechtsstreit beizuladen, hätte er darlegen müssen, weshalb das LSG auf Grund der gesetzlichen Vorschrift und im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand hierzu verpflichtet gewesen sein soll.
c) Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel, auf dem das Urteil des LSG beruhen kann, auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) stützen will, hätte er ua darlegen müssen, dass das LSG sich – ausgehend von seiner Rechtsauffassung und unter Berücksichtigung des oben aufgezeigten Verfahrensgegenstandes – zur Beweisaufnahme hätte gedrängt fühlen müssen. Dies hat der Kläger nicht dargetan.
d) Nicht dargetan ist auch, weshalb das LSG gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen haben soll. Er beanstandet auch insoweit die mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angreifbare inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG.
e) Sollte der Kläger rügen wollen, die Richter des LSG seien wegen einer – nach seiner Auffassung – unzutreffenden Rechtsauffassung befangen gewesen, sie seien daher nicht zur Entscheidung befugt gewesen, so hat er mit diesem Vorbringen ebenfalls keinen Verfahrensmangel schlüssig bezeichnet. Denn er hat bereits nicht vorgetragen, dass er überhaupt einen Ablehnungsantrag gestellt hat, über den zu entscheiden gewesen wäre. Darüber hinaus fehlen jegliche Darlegungen, unter welchen Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des BVerfG überhaupt eine Verletzung des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG vorliegt und ob unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung eine – nach Auffassung der Prozessbeteiligten – unzutreffende Rechtsauffassung von Richtern überhaupt einen derartigen Verstoß begründen könnte.
4. Die Beschwerde ist mithin unzulässig. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG ab.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen