Verfahrensgang

Sächsisches LSG (Urteil vom 16.03.2023; Aktenzeichen L 3 AL 21/21)

SG Leipzig (Entscheidung vom 12.01.2021; Aktenzeichen S 26 AL 10/19)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 16. März 2023 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch der hilfsweise geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).

a) Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

In der Beschwerdebegründung ist aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt (zuletzt etwa BSG vom 20.10.2021 - B 12 R 2/21 B - juris RdNr 16; BSG vom 4.1.2022 - B 11 AL 58/21 B - juris RdNr 3). Die Beschwerdebegründung muss daher eine aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht formulieren (zuletzt BSG vom 12.8.2021 - B 12 R 11/21 B - juris RdNr 8; BSG vom 8.9.2021 - B 11 AL 42/21 B - juris RdNr 3 mwN; BSG vom 18.10.2021 - B 9 V 29/21 B - juris RdNr 7; BSG vom 20.10.2021 - B 5 R 230/21 B - juris RdNr 3; BSG vom 4.1.2022 - B 11 AL 58/21 B - juris RdNr 3).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Beschwerdebegründung hält die Frage für klärungsbedürftig, ob "die leistungsmindernde Anrechnung des Arbeitslosengeldes im Rahmen der Gewährung von Grundsicherungsleistungen der Rückforderung bzw. Aufhebung- und Erstattung entgegen[steht]". Damit und auch in der übrigen Beschwerdebegründung wird nicht aufgezeigt, zu welcher Norm des Bundesrechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts - auch hinsichtlich der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht - herbeigeführt werden soll.

Soweit die Klägerin auf den Rechtsgedanken des § 107 Abs 1 SGB X und den grundrechtlichen Schutz der von ihr ergänzend bezogenen Leistungen nach dem SGB II verweist, wird der Bezug zu der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht hinreichend deutlich, um deren Klärungsfähigkeit beurteilen zu können. Schließlich fehlt es im Hinblick auf die Klärungsbedürftigkeit an einer Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Auswirkungen der Rückforderung einer Sozialleistung, die als Einkommen nach dem SGB II angerechnet worden ist. Dass die Klägerin diese Rechtsprechung möglicherweise unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten für unzulänglich hält, genügt in diesem Zusammenhang nicht, zumal der vorliegende Rechtsstreit gar nicht die Leistungsbewilligung nach dem SGB II betrifft, sondern die Aufhebung der Leistungsbewilligung nach dem SGB III.

b) Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der § 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Klägerin rügt hilfsweise als Verstoß gegen § 75 Abs 5 SGG, dass das Jobcenter nicht beigeladen worden sei. Der Beschwerdebegründung lässt sich aber bereits nicht entnehmen, dass der Anwendungsbereich des § 75 Abs 2 und 5 SGG eröffnet ist. Die Klägerin wendet sich mit ihrer isolierten Anfechtungsklage gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit. Dass dessen Rechtmäßigkeit in einem Wechsel- und Ausschließlichkeitsverhältnis zu Ansprüchen gegenüber dem Träger der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende steht (vgl zu dieser Notwendigkeit BSG vom 11.6.1992 - 12 RK 45/90 - juris RdNr 15; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 75 RdNr 18), lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Ebenso verhält sich die Beschwerdebegründung nicht dazu, ob eine Verurteilung des Jobcenters möglich wäre; dies wäre etwa ausgeschlossen, soweit bereits eine entgegenstehende bestandskräftige Entscheidung des Jobcenters vorläge (vgl BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 19/98 R - SozR 3-2200 § 1150 Nr 2 = juris RdNr 28 mwN). Dass dies hier nicht der Fall sei, trägt die Klägerin nicht vor.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.

Söhngen

B. Schmidt

Burkiczak

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15796753

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge