Leitsatz (amtlich)
Auch bei Berechnung der kassenärztlichen Gesamtvergütung nach Einzelleistungen (RVO § 368f Abs 3) braucht der einzelne Kassenarzt zu einem Rechtsstreit der KÄV gegen die KK wegen der von dieser zu entrichtenden Gesamtvergütung nicht notwendig beigeladen zu werden.
Leitsatz (redaktionell)
Der Anspruch auf die Vergütung für die kassenärztliche (kassenzahnärztliche) Versorgung gegenüber der KK steht auch dann der KÄV (KZÄV) zu, wenn die Vergütung nach Einzelleistungen berechnet wird.
Normenkette
SGG § 75 Fassung: 1958-08-23; RVO § 368f Abs. 3 Fassung: 1955-08-17
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Februar 1966 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die klagende Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) fordert von der beklagten Krankenkasse die Nachzahlung von 4.097,41 DM, die die Beklagte seit Mitte 1957 von der - nach Einzelleistungen berechneten - Gesamtvergütung einbehalten hat, weil einige Mitglieder der Klägerin ihre kassenzahnärztlichen Leistungen insoweit nicht auf zahnärztlichen, sondern auf ärztlichen Behandlungsscheinen abgerechnet und deshalb nach Ansicht der Beklagten ihr gegenüber nicht wirksam erbracht hatten. Die Beklagte hatte 1957 ein neues Krankenscheinformular eingeführt, dessen Vorderseite den Aufdruck "Zum Arzt/Zahnarzt (Nichtzutreffendes streichen, da Schein sonst ungültig)" trug. Einige Kassenzahnärzte hatten nicht beachtet, daß auf den ihnen vorgelegten Krankenscheinen das Wort "Zahnarzt" gestrichen war.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 15. Februar 1966 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
"Es war dem Arzt nicht zuzumuten, insoweit den Krankenschein zu prüfen, ob das Wort Zahnarzt oder das Wort Arzt durchgestrichen worden ist, wenn der Berechtigte in berechtigter Weise dem Arzt den Schein überträgt, denn mit der Herausgabe eines doppelt verwendbaren Krankenscheinvordruckes hat die Berufungsklägerin einen Tatbestand geschaffen, der - wie die Praxis bewies - die Gefahr von Verwechslungen in sich barg. Sie muß es deshalb gegen sich gelten lassen, wenn der Versicherte auf einen zur Behandlung beim Arzt vorgesehenen Krankenschein dann doch eine zahnärztliche Behandlung vornehmen ließ, obwohl dies durch Streichung des Wortes Zahnarzt ausgeschlossen sein sollte. Jedenfalls hat die Beklagte nicht das Recht, ordnungsgemäß erbrachte Leistungen der Zahnärzte lediglich aus dem Grunde zu verweigern, weil durch ihr eigenes Verhalten die vielfache Möglichkeit von Verwechslungen, sei es bei der Ausgabe des Formblattes an den Versicherten oder durch diesen selbst geradezu gefördert wurde. Bezeichnend erscheint es dem Senat auch, daß das frühere Krankenscheinformular seit 1. Juli 1962 keine Verwendung mehr findet, offenbar aus dem Grunde, weil diese Formblattausgabe zu ständigen Auseinandersetzungen zwischen der Kasse einerseits und dem Versicherten und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns andererseits geführt hat". Die Beklagte habe, wie das LSG weiter ausführt, mit der Einführung der fraglichen Krankenscheinvordrucke auch eigenmächtig gehandelt, sie hätte damals noch die vom früheren Statistischen Reichsamt festgesetzten Einheitsmuster verwenden müssen.
Die vom LSG nicht zugelassene Revision der beklagten Krankenkasse ist nicht statthaft, da sie keinen wesentlichen Mangel im Verfahren des Berufungsgerichts gerügt hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Ansicht der Beklagten, das LSG habe die Zahnärzte, deren Leistungen die Beklagte nicht vergütet habe, zum Verfahren bei laden müssen, ist unrichtig. Die betreffenden Zahnärzte sind an dem hier streitigen Rechtsverhältnis nicht "derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann" (§ 75 Abs. 2 SGG). Diese Vorschrift, die die sogenannte notwendige Beiladung regelt, hat vor allem solche Fälle im Auge, in denen sich die Rechtskraft der beantragten Entscheidung "zwangsläufig auch auf einen Dritten erstreckt", die Entscheidung also zugleich unmittelbar in die Rechtssphäre des Dritten eingreift (vgl. BSG in SozR SGG § 75 Nr. 6 u. 17). In diesen Fällen muß dem betroffenen Dritten Gelegenheit gegeben werden, auf den Inhalt der ergehenden Entscheidung Einfluß zu nehmen, indem er zum Rechtsstreit beigeladen wird und damit die Möglichkeit erhält, selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen, eigene Sachanträge zu stellen und Rechtsmittel einzulegen (§ 75 Abs. 4 SGG). Ein Fall dieser Art liegt hier nicht vor.
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Anspruch der KZV auf Nachzahlung von Beiträgen, die die beklagte Krankenkasse seit 1957 von der Gesamtvergütung wegen nicht ordnungsmäßiger Abrechnung von Leistungen einbehalten hat. Sollte dieser Anspruch begründet sein, was der Senat nur im Falle einer statthaften Revision prüfen könnte, so steht der Anspruch der KZV selbst zu, nicht den ihr als Mitgliedern angehörenden Kassenzahnärzten (§ 368 f Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Den Mitgliedern der Klägerin erwächst aus den von ihnen erbrachten Leistungen kein unmittelbarer Vergütungsanspruch gegen die beklagte Krankenkasse, sie haben nur einen Anspruch gegen die KZV auf Verteilung der von der Beklagten entrichteten Gesamtvergütung gemäß den Bestimmungen des Honorarverteilungsmaßstabes (§ 368 f Abs. 1 Sätze 2 bis 4; Jantz-Prange, Das gesamte Kassenarztrecht, Erl. III 2 zu § 368 f RVO). Daran ändert es nichts, daß hier die Höhe der - von der Krankenkasse zu entrichtenden und von der KZV unter die Kassenzahnärzte zu verteilenden - Gesamtvergütung nach Einzelleistungen berechnet wird (§ 368 f Abs. 3 RVO). Das bedeutet nicht, daß die Krankenkasse mit der Entrichtung der Gesamtvergütung an die KZV lediglich eine Summe von Einzelleistungsansprüchen der Kassenzahnärzte erfüllt. Träger des Vergütungsanspruchs gegenüber der Krankenkasse bleibt vielmehr auch unter diesem Honorierungssystem allein die KZV. Die von ihren Mitgliedern erbrachten Leistungen sind nur unselbständige Rechnungsposten innerhalb des der KZV zustehenden Anspruchs auf die Gesamtvergütung. Sie macht diesen Anspruch deshalb in eigenem Namen, nicht in Vertretung ihrer Mitglieder geltend, mag sie dabei, wirtschaftlich gesehen, auch deren "Rechte" wahrnehmen (§ 368 n Abs. 1 Satz 2 RVO).
Nun hängt zwar der hier erhobene Nachzahlungsanspruch der Klägerin davon ab, ob die von der Beklagten beanstandeten zahnärztlichen Leistungen trotz Abrechnung auf ärztlichen Krankenscheinen wirksam erbracht worden sind. Die Entscheidung über diese Frage braucht jedoch im Verhältnis zwischen der Klägerin und der beklagten Krankenkasse (Entrichtung der Gesamtvergütung) nicht notwendig ebenso auszufallen, wie im Verhältnis zwischen der Klägerin und ihren Mitgliedern (Verteilung der Gesamtvergütung). Die betroffenen Kassenzahnärzte könnten vielmehr selbst nach rechtskräftiger Abweisung der vorliegenden Klage gegenüber der KZV geltend machen, ihre Leistungen müßten trotz nicht ordnungsmäßiger Abrechnung bei der Verteilung der Gesamtvergütung berücksichtigt werden. Andererseits könnte die beklagte Krankenkasse nach rechtskräftiger Feststellung von Vergütungsansprüchen der Kassenzahnärzte gegenüber der KZV dieser entgegengehalten, daß die fraglichen Leistungen nicht wirksam erbracht worden seien. Da somit die Entscheidung für beide Rechtsbeziehungen (Entrichtung und Verteilung der Gesamtvergütung) nicht notwendig einheitlich ergehen muß, brauchen weder zu einem Rechtsstreit zwischen der KZV und der Krankenkasse wegen Entrichtung der Gesamtvergütung die Mitglieder der KZV noch braucht zu einem Rechtsstreit zwischen der KZV und ihren Mitgliedern wegen Verteilung der Gesamtvergütung die Krankenkasse beigeladen zu werden. Die entsprechende Rüge der Klägerin ist mithin unbegründet.
Auch die von der Beklagten weiter erhobene Rüge der mangelnden Sachaufklärung durch das LSG greift nicht durch. Die Beklagte wendet sich insoweit gegen die Bemerkung des Berufungsgerichts, die früher benutzten Krankenscheinvordrucke würden seit dem 1. Juli 1962 nicht mehr verwendet, "offenbar aus dem Grunde, weil diese Formblattausgabe zu ständigen Auseinandersetzungen zwischen der Kasse einerseits und dem Versicherten und der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns andererseits geführt hat". Diese Annahme des Berufungsgerichts sei, wie die Beklagte vorträgt, unrichtig; die früheren Vordrucke seien seit Juli 1962 deshalb nicht verwendet worden, weil die Bundesverbände ein neues einheitliches Krankenscheinformular verbindlich vereinbart hätten. Sollte dies zutreffen, die Annahme des Berufungsgerichts also unrichtig sein, so würde das angefochtene Urteil deswegen gleichwohl nicht der Aufhebung unterliegen. Nach dem Urteilszusammenhang handelt es sich bei der gerügten Bemerkung des LSG nur um eine Nebenerwägung, die ohne Schaden für die Urteilsbegründung hinweg gedacht werden kann. Auch ohne sie wäre das angefochtene Urteil nicht anders ausgefallen. Ähnliches gilt für die Rüge der Beklagten, das LSG habe zu Unrecht angenommen, daß sie mit der Einführung der strittigen Krankenscheinvordrucke im Jahre 1957 eigenmächtig gehandelt habe. Auch insoweit scheint das LSG einem Irrtum erlegen zu sein, der indessen ebenfalls nur einen Nebenpunkt betrifft, so daß er dem Urteil nicht die rechtliche Grundlage nimmt.
Da somit keine der von der Beklagten erhobenen Rügen durchgreift, hat der Senat ihre Revision als unstatthaft verworfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen