Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 22.03.2017; Aktenzeichen L 6 R 71/15) |
SG München (Entscheidung vom 14.10.2014; Aktenzeichen S 47 R 1480/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. März 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 22.3.2017 hat das Bayerische LSG festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 2.10.2012 bis 31.12.2012 in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 S 1 Nr 9 SGB VI versicherungspflichtig gewesen ist.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG und einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff).
Der Kläger misst den Fragen grundsätzliche Bedeutung bei,
1. "ob die bisherige Rechtsprechung zur Rentenversicherungspflicht von Franchisenehmern auch dann gilt, wenn der schriftliche Franchisevertrag in der Praxis gar nicht umgesetzt wurde",
2. "worauf abzustellen ist, wenn von Seiten des Franchisenehmers konkret vorgetragen wird, dass die tatsächlichen Verhältnisse dieses Franchisevertrages von den Vertragsparteien völlig anders 'gelebt' wurden, als sie im Vertrag schriftlich niedergelegt wurden", und
3. "ob die Voraussetzungen 'vertragliche Bindung' und 'wirtschaftliche Abhängigkeit' nicht doch besser kumulativ vorliegen müssen, um von einer Rentenversicherungspflicht eines Franchisenehmers auszugehen".
Mit diesen Formulierungen wird der Kläger bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Er hat insoweit keine abstrakt-generellen Rechtsfragen zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl § 162 SGG) gestellt (vgl Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag des Klägers darauf zu analysieren, ob sich ihm evtl eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).
Ebenso wenig hat der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen ausreichend dargetan.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG und ggf des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine höchstrichterliche Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (Krasney/Udsching/Groth, aaO, Kap IX RdNr 183 mwN).
Hieran fehlt es. Der Kläger geht insoweit insbesondere nicht auf das Urteil des 12. Senats des BSG vom 4.11.2009 (B 12 R 3/08 R - BSGE 105, 46 = SozR 4-2600 § 2 Nr 12, RdNr 27) ein, in dem ausgeführt ist, das vom LSG unter Berücksichtigung der Strukturen des Franchisesystems und nach einer Gesamtwürdigung der Einzelumstände gefundene Ergebnis, dass die selbstständige Tätigkeit der dortigen Klägerin nach ihrem Erscheinungsbild in die Nähe einer abhängigen Verkaufstätigkeit rücke, sei nicht zu beanstanden. Darüber hinaus setzt sich der Kläger nicht mit dem Urteil des Senats vom 23.4.2015 (B 5 RE 21/14 R - BSGE 118, 286 = SozR 4-2600 § 2 Nr 19, RdNr 30 ff) auseinander, nach dem bei Prüfung des Anwendungsbereichs des § 2 S 1 Nr 9 SGB VI auch auf tatsächliche Gegebenheiten abzustellen ist. Dass sich aus diesen Entscheidungen noch nicht einmal Anhaltspunkte für die Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Fragen ergeben, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf. Vielmehr leitet der Kläger selbst - im Rahmen der Darlegungen zur geltend gemachten Divergenz - aus einer anderen Formulierung in dem og Urteil des 12. Senats (aaO) eine Beantwortung seiner Fragen ab.
Ferner hat der Kläger auch die Klärungsfähigkeit, dh Entscheidungserheblichkeit der angesprochenen Fragen nicht schlüssig dargetan.
Ob eine Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig ist, kann generell nur auf der Grundlage bereits getroffener Feststellungen beantwortet werden. Dagegen kann die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zugelassen werden, wenn das Berufungsgericht eine Tatsache, die für die Entscheidung der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würde, noch nicht festgestellt hat und damit nur die Möglichkeit besteht, dass sie nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht und nach weiterer Sachverhaltsaufklärung entscheidungserheblich werden kann (BSG Beschluss vom 10.11.2008 - B 12 R 14/08 B - Juris mwN). Welchen Sachverhalt das LSG festgestellt hat, gibt die Beschwerdebegründung jedoch nicht an. Hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse des Franchisevertrages weist der Kläger zudem ausdrücklich darauf hin, dass sein diesbezüglicher Vortrag aus dem Schriftsatz vom 20.3.2017 im Berufungsurteil nicht erwähnt worden sei.
2. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger hat bereits keinen tragenden abstrakten Rechtssatz des LSG herausgestellt, mit dem dieses der Rechtsprechung des BSG widersprochen habe. Er macht geltend, das Berufungsgericht weiche von dem Urteil des BSG vom 4.11.2009 (aaO) ab, in dem festgestellt worden sei, dass die dortige Franchisenehmerin rechtlich und faktisch keine Möglichkeit zu weiterer (nennenswerter) unternehmerischer Betätigung gehabt habe. Der 12. Senat des BSG habe damit schon festgeschrieben, dass es nicht nur auf die Textform des Franchisevertrages, sondern insbesondere auch auf das faktisch gelebte Vertragsverhältnis ankommen solle. Das LSG habe im vorliegend angegriffenen Urteil aber die faktische Situation des gelebten Vertragsverhältnisses des Klägers, vorgetragen mit Schriftsatz vom 20.3.2017, nicht beachtet. Mit diesem Vorbringen ist eine Divergenz nicht schlüssig aufgezeigt.
Zwar trägt der Kläger einerseits vor, dass es nach der Rechtsauffassung des LSG ausschließlich auf die "Papierform" des Franchisevertrages ankomme (S 3 der Beschwerdebegründung). Andererseits weist der Kläger aber darauf hin, dass das Berufungsgericht ausgeführt habe, bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung habe "rechtlich und faktisch" eine vollständige Abhängigkeit des Klägers als Franchisenehmer vom Franchisegeber vorgelegen (S 5 der Beschwerdebegründung). Nach dem eigenen Vortrag des Klägers hat damit das LSG bei der Beurteilung der Franchise-Geschäftsbeziehungen auf dieselben Kriterien abgestellt wie der 12. Senat des BSG.
Ob das Berufungsgericht unter "faktisch" dasselbe versteht wie das BSG, bzw die faktischen Verhältnisse unzutreffend beurteilt hat, ist unerheblich. Die Bezeichnung einer Abweichung iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG setzt die Darlegung voraus, dass das Berufungsgericht die höchstrichterliche Entscheidung im angefochtenen Urteil in Frage stellt. Das ist nicht der Fall, wenn es eine höchstrichterliche Entscheidung in ihrer Tragweite für den entschiedenen Fall lediglich verkannt haben sollte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73 mwN) oder sich einem höchstrichterlichen Rechtssatz anschließt, den von ihm zu entscheidenden Sachverhalt aber falsch beurteilt und daher fehlerhaft unter den höchstrichterlichen Rechtssatz subsumiert.
3. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Der Kläger rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG). Hierzu trägt er vor, die angefochtene Entscheidung gehe auf die Argumentation und den Sachvortrag in seinem Schriftsatz vom 20.3.2017, in dem er dargelegt habe, dass die tatsächlich gelebten Vertragsverhältnisse nicht dem Franchisevertrag entsprochen hätten, praktisch nicht ein. In der gesamten Urteilsbegründung gebe es nur einen einzigen Satz, der die Tatsachen, die im Schriftsatz vom 20.3.2017 vorgetragen worden seien, überhaupt erwähne.
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt ua dann vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachkommt (BVerfGE 25, 137, 140; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 29.10.2015 - 2 BvR 1493/11 - Juris RdNr 45 mwN). Grundsätzlich gilt jedoch die tatsächliche Vermutung, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten und den Akteninhalt zur Kenntnis genommen und erwogen hat, zumal es nach Art 103 Abs 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen (vgl BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 16; BVerfGE 96, 205, 216 f). Deshalb muss die Beschwerdebegründung "besondere Umstände" des Einzelfalls aufzeigen, aus denen geschlossen werden kann, dass wesentlicher Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und nicht erwogen worden ist (vgl zB BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 27.5.2009 - 1 BvR 512/09 - Juris RdNr 9; BVerfGE 96, 205, 216 f; BSG Beschluss vom 29.1.1997 - 6 BKa 22/95 - Juris RdNr 7).
Derartige Umstände legt der Kläger nicht dar. Vielmehr weist er selbst darauf hin, dass das LSG in den Entscheidungsgründen auf den Schriftsatz vom 20.3.2017 mit dem Satz eingegangen sei, die vorgetragene mangelhafte Erfüllung der vertraglichen Pflichten durch den Franchisegeber sei für die rechtliche Einordnung unerheblich.
Soweit der Kläger die Unrichtigkeit des Berufungsurteils geltend machen möchte, ist er darauf hinzuweisen, dass die vermeintliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung in der Sache ausweislich § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG keinen Revisionszulassungsgrund darstellt.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11351320 |