Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 23. Oktober 1996 bis 18. Mai 1998.
Der im Jahre 1953 geborene Kläger meldete sich im Oktober 1996 bei der Beklagten arbeitslos. Zuvor stand er von 1984 bis April 1995 in einem Beschäftigungsverhältnis als Werkzeugmacher. Seit 5. Mai 1995 bezog er Krankengeld. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers erzielte der Kläger in den Monaten November 1994 bis April 1995 ein Bruttoentgelt von 30.952,32 DM bei 1.167,25 Arbeitsstunden. Die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrug 37,5 Stunden. Die Beklagte bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 19. November 1996 Alg ab 23. Oktober 1996 nach einem Bemessungsentgelt von 1.010,00 DM in Höhe von 478,20 DM. Bei der Berechnung teilte die Beklagte das gesamte erzielte Bruttoentgelt durch die Anzahl aller geleisteten Stunden und multiplizierte den sich hieraus ergebenden Stundensatz von 26,52 DM (Lohnfaktor) mit 37,5 (Zeitfaktor).
Widerspruch, Klage und Berufung, die sich auch gegen weitere Alg-Bewilligungsbescheide für den Zeitraum bis 18. Mai 1998 richteten, blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 1997; Urteil des Sozialgerichts vom 29. Oktober 1997; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 10. Februar 1999).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers habe 37,5 Stunden betragen. Es sei auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53) nicht zu beanstanden, daß bei der Bemessung des Alg die Tatsache unberücksichtigt geblieben sei, daß der Kläger über Jahre hinweg regelmäßig Überstunden abgeleistet habe.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Es sei mit Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar, bei der Berechnung des Bemessungsentgelts gemäß § 112 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) die über die tarifliche regelmäßige oder über die für vergleichbare oder ähnliche Beschäftigungen hinaus geleistete Arbeit nicht zu berücksichtigen, wenn diese arbeitsvertraglich als die regelmäßig vereinbarte Arbeitszeit festgelegt worden und/oder über einen längeren Zeitraum von mehr als drei Jahren durchgängig geleistet worden sei. Die Nichtberücksichtigung von Mehrarbeitsstunden bei der Berechnung des Bemessungsentgelts gemäß § 112 AFG verstoße gegen das Sozialstaatsgebot (Art 20 Abs 1 GG). Die vom LSG zitierte Entscheidung des BVerfG vom 3. April 1979 (BVerfGE 51, 115) sei durch die Rechtswirklichkeit überholt worden. Damals habe das BVerfG die Nichtberücksichtigung von Überstunden bei der Bemessung des Alg lediglich damit gerechtfertigt, daß angesichts der für die Arbeitslosenversicherung typischen kurzen Anwartschaftszeiten und des extrem kurzen Bemessungszeitraums sowie der üblicherweise kurzen Leistungsbezugszeit die individuellen Beiträge als vorrangiger Maßstab nicht in Betracht kämen. Diese Erwägungen könnten nicht gelten, wenn ein Arbeitsloser – wie hier der Kläger – über zehn Jahre lang regelmäßig Mehrarbeit geleistet und hierfür Beiträge bezahlt habe, anschließend aber für einen längeren Zeitraum arbeitslos werde.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Sie legt in noch verfahrensrechtlich hinreichender Weise eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Sachlich ist die Beschwerde jedoch nicht begründet. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, inwieweit es nach dem GG zulässig sei, das im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt (Lohnfaktor) mit der Zahl der Arbeitsstunden zu multiplizieren, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ergibt (Zeitfaktor) – vgl § 112 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Satz 1 iVm Abs 4 AFG –, ist vom Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden worden. Das BSG geht davon aus, daß eine von der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit abweichende tatsächliche Arbeitszeit bei der Bestimmung der Höhe des Alg nur dann zugrunde gelegt werden darf, wenn auch die längere tatsächliche Arbeitszeit eine vom Tarifvertrag als regelmäßig vorgesehene oder zugelassene Arbeitszeit ist (vgl: BSG, Urteil vom 20. Februar 1991 – 11 RAr 139/89 –, DBlR Nr 3804 zu § 112 AFG; Urteil vom 12. Dezember 1990 – 11 RAr 49/89 –, DBlR Nr 3782 zu § 112 AFG; Urteil vom 28. Juli 1987 – 7 RAr 3/86 –, NZA 1988, 111; Urteil vom 9. November 1983 – 7 RAr 42/82 –, SozR 4100 § 112 Nr 22). Nach den bislang nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) handelte es sich hingegen bei den vom Kläger geleisteten 45,5 Wochenstunden gerade nicht um eine vom einschlägigen Tarifvertrag als regelmäßig vorgesehene oder zugelassene Arbeitszeit.
Der Senat hat ebenfalls bereits eingehend unter Verweis auf die Entscheidung des BVerfG vom 3. April 1979 (BVerfGE 51, 115 = SozR 4100 § 112 Nr 10) begründet, daß es keine Verfassungsgrundsätze verletzt, wenn § 112 Abs 3 AFG für die Bemessung des Alg davon ausgeht, daß die nach dem Tarifvertrag übliche regelmäßige Arbeitszeit für die Höhe des Alg maßgeblich ist (vgl Urteile vom 28. Juli 1987 – 7 RAr 3/86, aaO, und 7 RAr 80/85, NZA 1988, 110). Wenn gemäß § 112 Abs 3 Satz 1 AFG nicht die tatsächliche Wochenarbeitszeit im Bemessungszeitraum, sondern die ggf geringere tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zugrunde gelegt wird, so ist dies darauf zurückzuführen, daß nicht unterstellt werden kann, daß der Leistungsempfänger, der im Bemessungszeitraum eine besonders hohe Arbeitsleistung erbracht hat, auch in einem künftigen Beschäftigungsverhältnis die Gelegenheit hätte, diese Arbeitszeitleistung zu erbringen (vgl: BSGE 51, 64, 66 = SozR 4100 § 112 Nr 15; BSG SozR 4100 § 112 Nr 22; SozR 4100 § 112 Nr 29, S 157). An der sachlichen Legitimation für das Anknüpfen des Zeitfaktors an die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hat sich auch durch die Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 1995 nichts geändert. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil das BVerfG am 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53) seine Entscheidung vom 3. April 1979 (BVerfGE 51, 115 = SozR 4100 § 112 Nr 10) ausdrücklich bestätigt hat (aaO, S 71). Mithin folgt aus dem Beschluß des BVerfG vom 11. Januar 1995 gerade nicht, daß bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen herzustellen ist (BVerfG aaO; ebenso BSG, Beschluß vom 8. Februar 1996 – 11 BAr 183/95). Der Beschluß des BVerfG behandelt nämlich nicht die hier in Frage stehende individuelle Äquivalenz zwischen Beitragsentrichtung und Leistungsbemessung, sondern das Problem der Äquivalenzabweichungen bei Versicherten mit gleicher Beitragsleistung. Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind damit in der Rechtsprechung des BSG geklärt und haben durch die Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 1995 nicht erneut grundsätzliche Bedeutung erlangt.
Für die Rechtslage unter Geltung des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III) hat die vom Kläger aufgeworfene Frage ohnehin keine grundsätzliche Bedeutung mehr, weil nach § 132 SGB III das Bemessungsentgelt nunmehr ohne Multiplikation mit dem sog Zeitfaktor errechnet wird. Dahinstehen kann hier, ob der Kläger deshalb gehalten gewesen wäre darzulegen, inwieweit sich das am 1. Januar 1998 in Kraft getretene SGB III auf die Rechtsfrage ausgewirkt hat. Jedenfalls fehlt es auch insoweit an einer grundsätzlichen Bedeutung, weil der Senat am 4. November 1999 entschieden hat (B 7 AL 76/98 R), daß aufgrund der Übergangsregelung des § 427 Abs 5 SGB III für Übergangsfälle grundsätzlich weiterhin vom bisherigen Bemessungsentgelt auszugehen ist, soweit nicht ein Sachverhalt nach dem 31. Dezember 1997 eingetreten ist, der sich auf die Höhe des Bemessungsentgelts auswirkt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen