Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Revisionszulassung. Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Verfassungsmäßigkeit einer Regelung. Berücksichtigung von Ehegatteneinkommen bei der Bemessung der freiwilligen Krankenversicherungsbeiträge
Orientierungssatz
Die Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage (hier: Verfassungsmäßigkeit der Berücksichtigung von Ehegatteneinkommen bei der Bemessung der freiwilligen Krankenversicherungsbeiträge) nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 = BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; BSG vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - juris RdNr 9 mwN; BSG vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - juris RdNr 5 mwN; BSG vom 24.5.2017 - B 1 KR 79/16 B - juris RdNr 7 mwN), sondern muss den Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufzeigen, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtern und die Verfassungsverletzung darlegen.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr. 1, § 160a Abs 2 S. 3; SGB V § 240; GG Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 24.06.2019; Aktenzeichen L 1 KR 736/18) |
SG Gießen (Urteil vom 26.10.2018; Aktenzeichen S 7 KR 369/17) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit ist die Bemessung der von dem Kläger zu zahlenden freiwilligen Krankenversicherungsbeiträge unter Berücksichtigung des Einkommens seiner Ehefrau streitig. Das SG Gießen hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.10.2018). Das Hessische LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Berücksichtigung eines Ehegatteneinkommens sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Urteil vom 24.6.2019). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger rügt eine Verletzung des Art 6 Abs 1 GG und macht geltend, das LSG habe "nicht hinreichend im Lichte dieses Grundrechts gewürdigt, wie sehr sich beim Beschwerdeführer durch die Verbeitragung zur Krankenversicherung eine finanzielle Belastung ergibt, die allein auf dem Umstand beruht, dass er verheiratet ist und dass seine Ehefrau erhebliche Einkünfte erzielt".
Damit ist schon keine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Eine Rechtsfrage ist so konkret zu formulieren, dass sie als Grundlage für die Darlegung der weiteren Merkmale der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit, Breitenwirkung) geeignet ist (Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 160a RdNr 97). Wird ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, muss deutlich werden, welche konkrete Regelung des einfachen Rechts als mit der Verfassung nicht in Einklang stehend erachtet wird. Hier hat der Kläger schon keine konkrete (vermeintlich) verfassungswidrige Norm des einfachen Rechts benannt.
Unabhängig davon ist auch die notwendige Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Sie ergibt sich nicht schon "per se" aus der Behauptung, Art 6 Abs 1 GG sei verletzt. Wird mit der Beschwerde die Frage nach einem Grundrechtsverstoß aufgeworfen, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - juris RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 1 KR 79/16 B - juris RdNr 7 mwN).
Der Kläger macht einen Verstoß gegen Art 6 Abs 1 GG geltend, setzt sich aber nicht mit dem Inhalt des Grundrechts des Schutzes der Ehe und seiner Ausprägung durch das BVerfG auseinander. Allein das Zitat einzelner Entscheidungen des BVerfG und der Hinweis darauf, dass nach diesen Entscheidungen Verheiratete gegenüber nicht Verheirateten nicht diskriminiert werden dürften, genügt insoweit nicht. Unabhängig davon fehlt es auch an einer Auseinandersetzung mit der - durch das LSG umfassend in Bezug genommenen - Rechtsprechung des BSG, wonach eine Beitragsbemessung nach der Hälfte der Einnahmen des Ehegatten nicht gegen höherrangiges Recht verstößt (BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 KR 9/10 R - juris RdNr 16 ff mwN; vgl auch BSG Urteil vom 24.4.2002 - B 7/1 A 1/00 R - BSGE 89, 213 = SozR 3-2500 § 240 Nr 42; vgl zuletzt BSG Beschluss vom 8.3.2018 - B 12 KR 89/17 B - juris).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13579320 |